Donnerstag, 15. Februar 2018

Wir Hampelmänner wir



Zu den bemerkens- wie staunenswerten Dingen eines durchschnittlichen österreichischen Lebens gehört es, wie der Konsument respektive die Konsumentin sich von den großen Handelsketten des Landes an der Nase herumführen lässt. Man sammelt Bonuspunkte und klebt Rabattmarken. Man fährt Montag in den Supermarkt, um Papiertaschentücher in Aktion zu kaufen, am Dienstag um günstiges Faschiertes zu erwischen, mittwochs, um sich nicht vorwerfen zu müssen, Käse zu teuer eingekauft zu haben und von Donnerstag bis Sonntag fährt man gleich noch einmal, um Limonaden, Apfelsaft und Bier in Aktion ins Auto zu laden. Man lässt sich von der Kassierin beraten, auf welche Stücke im Einkaufswagen man gescheiterweise die 25-Prozent-Ermäßigungspickerl aus der Zeitung klebt, und wenn sie gleich auch fragt "wollen's den Rabattsammler abbuchen?", nicken alle eilfertig wie Schulbuben und -mädchen.

Die Konsumentinnen und Konsumenten springen ganz offensichtlich gerne nach, was ihnen die Handelsketten vorspringen und machen ihnen den Hampelmann. Blindlings und viel zu oft. Da ein paar Cent weniger, dort ein bisserl gutes Gewissen haben sie gefügig gemacht. Darum mag auch nicht verwundern, was sie sich alles aufbinden lassen. Es ist immer wieder zum Staunen. So wie dieser Tage angesichts einer Kampagne eines der großen heimischen Lebensmittel-Handelsriesen. "Weniger Zucker -mehr vom Leben", heißt es da flächendeckend in Inseraten. Die Eigenmarken würden auf Zuckereinsparungspotenzial hin überprüft, "mindestens 1.000 Tonnen" wolle man "in den nächsten Jahren sparen".

Klingt ja fraglos beeindruckend. Wiewohl, wieviel sind eigentlich diese 1.000 Tonnen im Verhältnis zur gesamten Menge, die in den Eigenmarken steckt, wirklich? Und, wie viele Jahre meint man mit den "nächsten Jahren"? Aber sei's drum. Das hat Methode, dahinter steckt Strategie. Man will gefeiert werden dafür in der Öffentlichkeit. Dass die Bühne, auf der man sich produziert, aber eine Bühne mit doppeltem Boden ist, wird dabei tunlichst unterschlagen.

Nur manchmal, manchmal passieren dann doch Regiefehler. Da zeigt sich, dass Qualitätsware doch nicht mehr zählt als Diskontware, da drückt man auch bei Bio ein Auge zu und da gilt Natur nichts mehr, sondern mit einem Mal Chemie. Wird ja doch nicht wegen des Geschäfts sein, wegen des Mammons, der ansonsten gerne als so schnöde dargestellt wird, fragen sich da Beobachter des Treibens, die sich aller Inseraten-und PR-Gehirnwäsche zum Trotz ein gerüttelt Maß an Argwohn erhalten haben.

Oft sind es die Milchbauern, die deswegen einen dicken Hals haben, oft auch die Schweinebauern und die Geflügelerzeuger. Oder die Bäcker oder die Metzger. Diesmal sind es die Rübenbauern. "Spar ersetzt Zucker durch Erythrit und Xylit" schimpfen die in einer Aussendung über eine Kampagne des größten heimischen Handelskonzerns. Österreichischer Zucker würde ersetzt durch zwei Süßstoffe, die das Unternehmen "Spar Vital Zukka" und "Spar Vital Birkenzucker" nennt, die aber nichts seien als pure Chemie. Da ist plötzlich nichts mehr mit "Natur pur", mit grünen Feldern, mit Regionalität und mit Nachhaltigkeit.

Das passt zur ganzen Veggie-Manie, die Handel und Industrie forcieren. Und das passt auch zur Doppelbödigkeit, zu der sich nicht nur der Lebensmittelhandel, sondern auch viele Hersteller in den vergangenen Jahren haben hinreißen lassen. "Einst verteufelten wir Analogkäse, heute boomen vegane Ersatzprodukte aus dem Labor", lästern Lebensmitteltechniker. Man hängt die rotweiß-rote Fahne und ein paar andere nette Schilder vor die Tür, richtet sich aber in Wahrheit sehr oft die Dinge, wie man sie braucht. Mit Billigimporten, um die heimischen Erzeuger in Schach zu halten oder mit Ersatzprodukten wie Reis im Bier oder Gerstenmalz aus dem Ausland und mit vielem anderen mehr. Da ist dann oft sehr schnell Schluss mit Österreich, Natur und Nachhaltigkeit, da muss vor allem die Kassa stimmen.

Und die Konsumenten schlucken es, als wären sie dressiert. Auch was ihnen Spar rund um Zucker und Zukka an Doppelbödigkeit auftischt. Während man auf den Flugblättern vorne für den chemischen Zukka die Werbetrommel rührt, hat man keine Scheu, ein paar Seiten weiter hinten den verteufelten Zucker in großen Mengen an den Mann bringen zu wollen. Aber das nicht zum normalen Preis freilich, sondern, damit das Geschäft denn auch gut geht, zum Aktionspreis von 59 Cent -wenn man nicht eine, sondern gleich drei Packungen mit nach Hause nimmt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Februar 2018

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