Donnerstag, 25. Januar 2018

Wie ist das mit der Verantwortung?



Das Greinen wird lauter und es verfestigt sich. Wer in diesem Land auf sich als Hüter des Guten zu halten glaubt, reibt sich an der Regierung. Man arbeitet sich an Kanzler Kurz ab, an Strache und an Kickl. Der ehemalige Bundeskanzler scheint sich gar nicht mehr einzukriegen und auch nicht Matthias Strolz. Von den Grünen und den Pilzen kann man die Aufregung nur vermuten, weil sie nicht einmal mehr schaffen die öffentlich zu artikulieren. Man malt die Zukunft in düsteren Farben, fürchtet um die soziale Gerechtigkeit und zeigt sich vorzugsweise in ernster Sorge. Das alles steht ihnen zu und über vieles, das da befürchtet und vor dem gewarnt wird, kann und muss man ohne Frage diskutieren. Und freilich ist es jetzt notwendig aufzupassen und wachsam zu sein. Der Fall Landbauer zeigt es besonders eindrücklich. Aber dass in diesem Land nunmehr mit einem Mal Leute wie Strache, Kickl, Gudenus oder eben Landbauer etwas zu sagen haben und wenn man darüber klagt, dass Sebastian Kurz am Ballhausplatz sitzt, hat man sich dies zu einem guten Teil, zu einem sehr guten sogar, selbst zuzuschreiben.

All jene, die sich jetzt so wortreich als Gegner und Warner gerieren, sollten daher in sich gehen und Selbstkritik üben. Und sie sollten sich auch ihrer Verantwortung stellen. Denn auch wenn es viele Erklärungen geben mag, im Kern ist ihnen allen vorzuhalten: Hätten sie gute Politik gemacht und den Großteil der Wähler mit ihrer Politik, mit ihren Ideen und mit ihren Konzepten überzeugt, wäre wohl nicht gekommen, was sie jetzt so heftig beklagen zu müssen meinen.

Davon freilich ist derweilen so gut wie nichts zu erkennen. Man schreitet mit erhobenem Zeigefinger durchs Land, fühlt sich im Besitz von Moral und Richtigkeit und weiß, wie immer möchte man sagen, was besser gemacht zu werden hätte und was die Leute tun und denken sollten. Man ist selbstgerecht wie immer und weit weg von dem, was die Menschen wollen und brauchen.

Verdrängt und ausgeblendet wird, dass die neuen Machtverhältnisse auf demokratischem Weg zustande kamen. Da hat sich niemand etwas ergaunert, da hat sich niemand an die Staatsspitze geputscht, da ist alles mit rechten Dingen zugegangen. Gekommen ist es gar nicht so sehr, weil die Neuen so gut sind, sondern wohl sehr viel eher, weil es genau jene, die jetzt als Kritiker vorne stehen, nicht schafften, den richtigen Draht zu den Wählern zu finden, sie zu überzeugen und wohl auch, weil das Vertrauen verloren gegangen war.

Man hat es nicht verstanden, Konzepte zu entwickeln, die die eigenen Ideen mit den Bedürfnissen und Wünschen der Bevölkerung in Einklang bringen. Die SPÖ etwa war immer zu bequem sich von der Vergangenheit zu lösen und schaffte es nie, sich einen Zuschnitt zu verpassen, der ihre Grundideen mit den Bedürfnissen der Menschen im 21. Jahrhundert in Deckung brachte. Obwohl man alle Zeit dieser Welt gehabt hätte und sogar die Macht. Und es war der Wiener Bürgermeister Häupl, der mehrmals meinte "Meine Wiener san net deppert" und damit wohl Bauern und andere schwarze Wähler verächtlich machen wollte, aber übersah, dass er damit auch zahllosen SP-Wählern auf dem Land seine Geringschätzung ausdrückte.

Noch schlimmer ist es nur bei den Grünen. Haben sie es sich nicht zu bequem gemacht in ihren Elfenbeintürmen? Haben sie es nicht verabsäumt, den Leuten wirklich zuzuhören und für sie Lösungen zu finden? Haben sie sich nicht viel zu sehr darauf verlegt, ihnen mit erhoben Zeigefinger zu zeigen, was man tun und denken sollte? Und dabei aus den Augen verloren, wie man mit dieser Selbstgerechtigkeit viele derer verärgerte und überforderte, die sie eigentlich wählen sollten?

Es ist immer schwer, einbekennen zu müssen, dass man nicht gut genug ist oder war. Die deutsche SPD, in ihrer Krise den österreichischen Sozialdemokraten voraus, hat schon etwas begriffen, was die SPÖ offenbar noch nicht begriffen hat und auch nicht die Grünen. "Offensichtlich ist es uns bisher nicht gelungen, genügend Antworten auf die Zukunft zu geben, den Leuten die Ängste zu nehmen und mehr Vertrauen zu erzeugen", donnerte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles am Sonderparteitag am vergangenen Sonntag, als es um den Wiedereinstieg in eine große Koalition ging, vom Rednerpult und fragte: "Aber was hat das mit dem blöden Dobrindt, der Merkel und den anderen zu tun? Das ist ausschließlich unser Problem, das wir lösen müssen, und zwar jetzt."

Verdrängt und ausgeblendet wird, dass die neuen Machtverhältnisse auf demokratischem Weg zustande kamen."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Jänner 2018

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1