Samstag, 2. Dezember 2017

Verloren im Dickicht der Kammern



Es gibt Unternehmen, in denen die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern kuriose Blüten treibt. Die Saatbau Linz ist so eines.

Hans Gmeiner

Linz. In der intensiven Debatte über die Pflichtmitgliedschaft bei Kammern sind Gegner und Befürworter tief gespalten. Das Beispiel Saatbau Linz zeigt, warum das so ist. „Welche und vor allem wie unsere Interessen von all den Kammern vertreten werden, an die wir Pflichtbeiträge entrichten müssen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, sagt deren Chef Karl Fischer. Kein Wunder, die Genossenschaft, die er leitet, muss Pflichtbeiträge an nicht weniger als vier Kammern abführen.

An die Wirtschaftskammer zahlt die Saatbau Linz, die rund 180 Millionen Euro Jahresumsatz im In- und vor allem im Ausland erzielt und 445 Mitarbeiter (davon 230 in Österreich) beschäftigt, jährlich rund 81.000 Euro. „Je Betriebsstätte zahlen wir eine Grundumlage, dazu kommen die Kammerumlage eins und ein Betrag, der sich aus unserem Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds ableitet“, sagt Fischer. An die Landarbeiterkammern in Oberösterreich und Niederösterreich, die für die Genossenschaftsmitarbeiter zuständig sind, hat die Saatbau jährlich knapp 50.000 Euro zu zahlen. Fischer: „Grundlage dafür sind die Sozialversicherungsbeiträge unserer Mitarbeiter.“ Weil es im Burgenland, wo die Saatbau auch Betriebsstätten hat, keine Landarbeiterkammer gibt, steht man dort bei der Arbeiterkammer in der Pflicht, mit knapp 6000 Euro pro Jahr. Und dann sind da noch die Landwirtschaftskammern der Länder, in denen die Saatbau landwirtschaftliche Betriebe hat, wo sie der Pflanzenzucht nachgeht, dem eigentlichen Geschäftszweck. Ausgehend vom steuerpflichtigen Umsatz gibt es einen Grundbetrag pro Betrieb und eine Umlage für leitende Angestellte, macht noch einmal knapp 4000 Euro. „In Summe zahlen wir pro Jahr also rund 140.000 Euro“, rechnet der Saatbau-Chef vor. „Das ist nicht wenig und für uns ein echter Wettbewerbsnachteil gegenüber der internationalen Konkurrenz, die keine solchen Beiträge kennt.“

Fischer versteht sich trotzdem nicht als Kammer-Gegner. Die derzeitige Form der gesetzlich festgeschriebenen Pflichtmitgliedschaft bei Kammern, für die der Staat über das Finanzamt, an das alle Kammerbeiträge überwiesen werden müssen, sogar das Inkasso macht, hält Fischer aber für „vollkommen überholt. Ich will mir selbst aussuchen können, wer mich vertritt.“ Das klingt angesichts seiner Erfahrungen verständlich. „Die einen kümmern sich mehr um uns und sind für unsere Arbeit auch wichtig, andere nehmen nur das Geld, ohne sich je anschauen zu lassen.“

Dazu kommt, dass die Konstellation der Saatbau nur schwer ins System passt, weil sich die Interessen aller Beteiligten überlagern und das oft gleich mehrfach. Weil die Mitarbeiter des Unternehmens über ein Beteiligungsmodell auch Miteigentümer sind, stehen sie mehrmals in der Pflicht – direkt bei der Landarbeiterkammer und indirekt als Miteigentümer auch bei der Wirtschaftskammer sowie bei der Landwirtschaftskammer.

Für die Nebenerwerbsbauern unter den Saatbau-Mitarbeitern gilt das in einer verschärften Version, sind sie doch neben den indirekten Beiträgen und dem Beitrag zur Landarbeiterkammer als Landwirte auch verpflichtet, den Landwirtschaftskammerbeitrag zu entrichten. Damit nicht genug. Sind die Nebenerwerbsbauern nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Mitglied der Saatbau-Genossenschaft, trifft sie die Beitragspflicht gleich noch einmal. Aber immerhin wieder nur indirekt. Dass sie dabei den Überblick verlieren, wer wo und wie welche Interessen vertritt, nimmt da nicht Wunder.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Dezember 2017

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