Donnerstag, 5. Oktober 2017

"Alle durchgeknallt oder was?"



Das Land schüttelt den Kopf. Ob der Dreistigkeit, ob der Chuzpe und ob der der Unfähigkeit der Sozialdemokraten und ihrer Führung. Was in den vergangenen Tagen rund um die Fake-Seiten auf Facebook zu Tage kam, rund um den einstigen Kern-Berater Tal Silberstein und seine Rolle im Wahlkampf und rund um die Zustände, die in der SPÖ herrschen müssen, mag viele diebisch freuen und für viele Bestätigung ihrer Meinung sein. In erster Linie aber ist es eine Katastrophe für die Demokratie und für die Politik in diesem Land. "Die haben es geschafft, in wenigen Wochen  die wichtigste politische Bewegung seit dem 19. Jahrhundert zur Lachnummer zu machen" war auf Twitter zu lesen. Auch wenn man die Einschätzung von der "wichtigsten politischen Bewegung" vielleicht nicht teilen mag, trifft sie doch sehr genau.

Der Schaden ist beträchtlich. Man muss gar nicht von den vielen von der Politik ohnehin Frustrierten reden, man denke sich nur in junge Leute hinein, die diese Wahlen und den Wahlkampf zum ersten Mal bewusst wahrnehmen, für die er vielleicht die erste Begegnung mit Politik ist, die zum ersten Mal wählen gehen dürfen. Wie sich für sie Politik darstellt, wie sie den Wahlkampf erleben, wie sie Politik, Politikerinnen und Politiker kennenlernen und welche Seiten von ihnen. Man stelle sich vor, was in diesem Umfeld und angesichts dessen, was sie sie erleben, ihr Politikbewusstsein beeinflusst, wie sie in Zukunft und in ihrem späteren Leben zur Politik stehen werden.

Es kann kaum anderes, als eine schwere Hypothek sein, die ihr politisches Bewusstsein prägt. Es nähme nicht Wunder, wenn die Politikverdrossenheit unter den jungen, die schon in der Vergangenheit heftig beklagt wurde, noch deutlich größer würde, sie sich mit Grauen abwenden und dem politischen Geschehen mit noch mehr Desinteresse begegnen würden.

Dafür freilich ist nicht allein der jüngste Skandal der Sozialdemokraten verantwortlich. Da sind auch viele andere, die sich in der Politik und im aktuellen Wahlkampf umtun, in die Verantwortung zu nehmen. Denn Wahlkampf ist nicht nur die Zeit "fokussierter Unintelligenz", wie der Wiener Bürgermeister das zu nennen pflegt. Wahlkampf ist, wir erleben es zuweilen schmerzhaft und hautnah, auch die Zeit fokussierter Lächerlichkeit und fokussierter Zumutungen. All diese Streiterien, all die lächerlichen Posen, all diese Künstlichkeit und diese Aufgedrehtheit. Wie sollen sie junge Leute gewinnen, sich für Politik, ihre Aufgaben und ihre Möglichkeiten und ihre Grenzen zu interessieren? Die sie meist sehr viel eher als Dauerstreit erleben, denn als gestaltende Kraft, die das beste fürs Land und seine Bürgerinnen und Bürger will, die getragen ist vom gegenseitigen Respekt und vom Willen gemeinsam etwas voranzubringen. Wie sollen da Verständnis entwickelt werden und Verantwortungsbewusstsein?

Was den jungen Leuten geboten wird, ist durch die Bank erbärmlich. Kanzlerbilder im Sportdress und mit Kindern am Arm und ein Kanzler in Lederhose, wo doch alle im Land wissen, dass das für den ehemaligen Manager nichts ist, denn Pose. Was sollen junge von dröhnenden und schunkelnden Wahlkampfveranstaltungen halten, mit Einpeitschern und geifernden Rednern an den Pulten? Was von untergriffigen Fernsehdiskussionen? Was müssen sie sich von der Politik denken, wenn mit einem Mal gestandene Leute und Politiker mit türkisen Sonnenbrillen herumlaufen, türkisfarbene Trachtenanzüge tragen und Wahlveranstaltungen zuweilen an Faschingssitzungen gemahnen? Oder wenn sie zu einer Strache-Homestory wenige Woche vor der Wahl den Titel "Im Bett bin ich der Linke" samt Schmusefoto des rechten Reckens aufgetischt bekommen? Oder einen bitzelnden Strolz oder eine sekkant-süffisante Lunacek?

Will man wirklich, dass sie "Alle durchgeknallt oder was?" denken. Zu verdenken wäre es wäre ihnen nicht. Haben es die jungen wirklich verdient, die Politik so kennenlernen zu müssen, wie es ihnen in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten zugemutet worden ist. Die Verantwortlichen sollten sich diese Frage stellen. Ernsthaft.

Denn so einen Wahlkampf, wie vor diesen Nationalratswahlen, sollte es nicht mehr geben. So einer ist nichts denn ein Nährboden für die Politikverdrossenheit, zumal jener der jungen Generation, die auf eine Art und Weise Politik kennen lernen muss, die ganz sicher nicht geeignet ist, Interesse zu erwecken.

Und das nicht nur wegen der Kabalen der Sozialdemokraten.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Oktober 2017

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