Donnerstag, 28. September 2017

Wahlkampf und Wirklichkeit



Wahlkampf ist auch, manche meinen sogar vor allem, Blendwerk. Wortreich wird viel versprochen, was - die Erfahrung lehrt es - nach Wahlen in der Realität nicht hält. Das sollte man gerade in der jetzigen Phase des Wahlkampfes nicht vergessen. Vor allem dann nicht, wenn -und das tun alle Parteien in seltener Eintracht -von der Meinung der Menschen die Rede ist, die man so sehr schätze, davon, dass man nichts als die Interessen der Bürger im Auge habe und von Ähnlichem, mit dem man sich gerne beim Wahlvolk anbiedert.

Denn gerade bei solchen Themen zeigt sich, dass sich im richtigen Leben die Begegnung mit der Politik meist ganz anders darstellt als das Wunschkonzert, wie jenes, das in diesen Tagen alle versprechen zu erfüllen. Denn, wenn man in diesem Land wirklich etwas will, oder wenn man wirklich gehört werden will, mit einem Anliegen, mit einer Meinung, mit einem Wunsch - dann ist alles meist ganz anders. Zumal dann, wenn sie nicht ins Konzept passen. Dann lernt man als Bürger respektive als Bürgerin sehr schnell den Unterschied kennen zwischen Ankündigung und Wirklichkeit. Da erweist sich oft schnell als Makulatur, was versprochen wurde.

Da wird man am Telefon endlos im Kreis geschickt, da ist plötzlich niemand zu erreichen, da wird man mit dürren Statements abgespeist, mit einem Achselzucken und mit einem schmallippigen "das müssen sie verstehen". Gerade Bürgerinformation, Bürgerbeteiligung und angekündigte Mitsprache dienen der Politik und ihren Vertretern oft zu nichts anderem, als vor allem dazu, die eigenen Pläne möglichst rasch, möglichst friktionsfrei, ohne großes Aufsehen und vor allem möglichst ohne Änderungen über die Bühne zu bringen.

Der vierspurige Ausbau der Westbahn und die Anbindung des Linzer Flughafens im Oberösterreichischen ist ein Musterbeispiel dafür. Dort werden Bauern, die den Neubau der ÖBB-Trasse quer durch wertvolles Ackerland verhindern wollen, seit Jahren zwischen Landesregierung, Bundesregierung, Ämtern, Behörden und ÖBB im Kreis geschickt. Von Bürgernähe, vom Einsetzen für sie und ihre Anliegen gar, spüren sie nichts. Und das, obwohl sich die Voraussetzungen für das Projekt in den 15 Jahren, in denen geplant wird, grundlegend geändert haben. Obwohl sich die Flughafen-Passagierzahlen in keiner Weise so entwickelt haben, wie seinerzeit berechnet, obwohl kein Schnellzug am Flughafen stehen bleiben wird, obwohl es deutlich billigere Lösungen gäbe und obwohl inzwischen tausende Bürger gegen die Pläne unterschrieben haben, weil sie um Nahverkehr und Landschaft fürchten.

Und weil wir schon im Land ob der Enns sind - bei anderen Projekten sind die Muster (wohl nicht nur in Oberösterreich sei angemerkt) ähnlich . Die allerorten herbeigesehnte Breitbandoffensive etwa ist so etwas. Dieser Tage klagte erst die Wirtschaft wieder darüber, dass nichts weitergehe. Wer sich für so einen Anschluss ans schnelle Internet interessiert, weiß, warum das so ist. Im Land ob der Enns etwa scheint es mancherorts Bürgermeistern und Breitband-Anbietern, wie einer Tochtergesellschaft des landeseigenen Energieunternehmens, das sich sinnigerweise "Powerspeed" nennt, nachgerade Vergnügen zu bereiten, Interessenten hin-und herzuschicken. Da verspricht der Bürgermeister in einer Landgemeinde auf Nachfrage in einer öffentlichen Versammlung, weil doch gerade wegen des Ausbaues der öffentlichen Wasserversorgung ohnehin die Straßen aufgerissen werden sollen, sich für die Verlegung eines Glasfaserkabels einzusetzen. "Mach ich", sagt er generös. Wohl um Ruhe zu haben und sich lästiges Nachbohren zu ersparen -und tut, erraten, nichts. Zwei Monate lang. Nach einem weiteren Monat heißt es dann, es werde geprüft. Vom Anbieter indes erhält der Interessent die Nachricht, dass just in seiner Ortschaft als eine von ganz wenigen in der Umgebung noch gar nichts geplant ist. Und dazu die Aufforderung, doch schriftlich sein Interesse per angefügtem Formular schriftlich zu bekunden. Dass er das bereits dreimal über das auf der Homepage angebotene Formular getan hat, und auf Grund dessen er auch die wenig befriedigende Antwort bekommen hat, scheint dem Unternehmen völlig egal zu sein, passt aber ins Bild.

Es sind die schönen Worte die zählen, und nicht die Taten. So wie jetzt im Wahlkampf. Nicht zuletzt darum tut man gut daran, das gerade in diesen Wochen nicht zu vergessen. Auch wenn noch so viel versprochen wird. Denn die Versprechen sind nicht das Problem. Das Problem ist die Wirklichkeit.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. September 2017

Donnerstag, 21. September 2017

Der ganz normale Wahnsinn und eine fromme Hoffnung



Kurz? Kern? Wahlkampf? Das ist alles nichts - der Butterpreis ist zu hoch, das ist der wahre Aufreger in diesem Land. "Alles in Butter bei der Butter?" fragt der Boulevard und weiß wie immer die Antwort "Von wegen! Butter ist so teuer wie nie". Man tut, als ginge die Welt unter und breche deswegen in Österreichs Haushalten die Armut aus.

Man kennt das. Immer wenn sich die Bauern gerade ein bisserl erholen und die Preise anziehen, geht das Geschrei los.

Die Bauern kennen dieses Spiel inzwischen. Sie wissen, dass es ein Kampf gegen Windmühlen ist, sich zu wehren. Dass niemand hören will, wenn sie zu erklären versuchen, dass der aktuelle Anstieg der Butterpreise bei einem durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von gut fünf Kilogramm keinen Euro pro Monat ausmacht. Ihnen bleibt nur trockener Sarkasmus. Facebook-Postings wie "Das neue iPhone kostet fast 1200 Euro, aber die Welt geht unter, weil ein Viertel Butter mehr als zwei Euro kostet. Und wenn die Milch um fünf Cent mehr kostet, rasten alle aus", werden geteilt, wo immer es geht, um dem Wahnsinn nicht ganz untätig zuzusehen.

Nirgendwo tut man so aufgeregt, wie in Österreich. Und nicht nur die Bauern fragen sich, warum stehen bei uns ausgerechnet die Lebensmittelpreise so im Fokus? Wo doch alle immer von der angeblich so hoch geschätzten Bauernarbeit reden, davon, dass die Bauern einen gerechten Preis verdienen und wo man so schnell Krokodilstränen wegen des Bauernsterbens vergießt.

Lebensmittelpreise werden hierzulande ganz offensichtlich nicht ernst genommen. Jeder nutzt sie nach seinen eigenen Bedürfnissen. Die Konsumenten, um zu klagen und die Gefahr der Verarmung auszurufen, wenn sie hoch sind. Der Handel, um sich als Retter der Konsumenten zu profilieren. Die Industrie, wie kürzlich erst die Brauer, um Preiserhöhungen zu rechtfertigen. "Geringe Getreideernte und Preisanstieg bei Gerste macht Bier bald teurer", ließ der Brauunion-Chef Anfang September via Medien wissen. Gedankenlos und achselzuckend aber werden solche Erklärungen zur Kenntnis genommen und weiterverbreitet. Dabei werden pro Hektoliter Bier gerade einmal ein paar Kilo Gerste gebraucht. Entsprechend gering ist der Anteil an den Erzeugungskosten.

Mit den Lebensmittelpreisen geht immer etwas. Nur dann nicht, wenn sie niedrig sind. Dann spielen sie keine Rolle und sind unwichtig. Dabei könnte man der Logik der Brauer zufolge auch fragen, warum das Bier in den vergangenen Jahren des Getreidepreisverfalls nie billiger wurde. Das freilich ist nie zu hören. Die Bierpreise steigen immer. Wenn es nicht der Getreidepreis ist, dann sind es Lohnkosten, Energie, Steuern.

Der tatsächlichen Bedeutung, die sie haben, werden die Lebensmittelpreise in diesem Umfeld, das in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist, nur selten gerecht. Man spielt damit politische Spiele, sieht sie als Marketing-Gag und biegt sie sich zurecht, wofür immer man sie braucht. Mit der Wirklichkeit, und schon gar nicht mit dem, was die Landwirtschaft bräuchte, und verdienen würde, haben sie meist wenig zu tun.

Das Spiel ist übel. Scheinheilig ist nicht nur das der Medien, die sonst so gerne die Bauern mit allerlei grünen Thesen und Forderungen vor sich her treiben. Scheinheilig ist vor allem auch das Spiel des Handels und oft auch das der Industrie. Überall hängt man sich gerne das grüne und nachhaltige Mäntelchen um und lässt sich als Umweltretter und Bauernförderer beweihräuchern.

Das indes ist meist nichts als hohle Mache. Schnell vergessen und völlig wertlos in der täglichen Realität. Der Preis muss in Wahrheit möglichst niedrig sein. Das ist es. Und sonst nichts. Allen treuherzigen Beteuerungen zum Trotz.

Den Bauern bleibt immerhin so etwas wie Schadenfreude. Mit einem Mal haben auch die Konsumenten mit dem zu kämpfen, mit dem sie selbst nach der sukzessiven Öffnung vieler Märkte Jahr für Jahr mehr zu kämpfen haben - mit dem unberechenbaren Auf und Ab der Preise, der Volatilität.

Abbeißen können sie sich freilich davon nichts. Geholfen wäre Ihnen - und den Konsumenten - nur, wenn diese oft schamlosen Spiele mit den Agrar- und Lebensmittelpreisen und der Unterschied zwischen dem Schein der PR- und Werbewelt, in der sich alle als einzig um Bauern und Konsumenten bemüht geben, und der Realität unterbunden werden würde.

Aber das freilich ist nicht mehr als eine fromme Hoffnung. 
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. September 2017

Donnerstag, 14. September 2017

Österreichs Betonklötze



Anfang August. Der Bundeskanzler eilt, die Ärmel aufgekrempelt, von seinem Schreibtisch hinunter auf den Ballhausplatz, um Wurstsemmeln und Mineralwasser an die hitzegeplagten Bauarbeiter zu verteilen. Macht sich ja gut vor Wahlen, zumal für einen sozialdemokratischen Spitzenkandidaten. Die Krone schrieb noch von Arbeiten an einer neuen Straßenführung und an neuen Gehsteigen. "Die Überraschung ist ihm gelungen", stand tags darauf in der Zeitung, "Danke für Euren Einsatz!" auf Kerns Facebook-Seite. Da war die Welt noch in Ordnung.

Wenige Wochen später war sie es nicht mehr. Da tobte mit einem Mal der Boulevard, als ruchbar wurde, dass "die Arbeiten an einer neuen Straßenführung und an neuen Gehsteigen" nichts anderes waren als die Arbeiten an einer Schutzmauer rund um den Regierungssitz in der Wiener Innenstadt. Im Handumdrehen fand sich das Land mit einem Mal inmitten einer Posse, die österreichischer und wienerischer nicht hätte sein können.

Die Fakten sind bekannt. Das Regierungsviertel sollte geschützt werden mit einer Mauer. Das verleitet natürlich zu Plattheiten, in denen man sich ergehen könnte. "Bunkerstimmung am Ballhausplatz","Angst vor dem eigenen Volk wegen der Politik, die man macht" und so. Darum Beton. Hoch und dick. Niemand wusste von nichts, große Aufregung, dann die Notbremsung von oberster Stelle.

So weit, so billig die Empörung. Verblüffend hingegen sind die Parallelen zwischen der Geschichte dieses Baustellenprojektes und der heimischen Politik. Ein Spiegelbild nachgerade. Sozusagen der Betonstein-Baustelle gewordene Zustand des Landes.

"Bereits 2014 wurde ein Sicherheitskonzept ausgearbeitet", heißt es in einer Chronologie, die der Kurier veröffentlicht hat. Im Frühjahr 2015 dann seien Innenministerium, Verfassungsschutz und die Wiener MA 48 konkreter geworden. "Granitelemente waren geplant." Man kennt das, zahlreiche Projekte in diesem Land beginnen so. Viele Stellen, die mitreden, einigermaßen schnelle Einigung, aber wenig konkrete Termine. Hauptsache, man kann etwas herzeigen. Und dann einmal Pause. Österreich halt.

"Im Oktober 2016" war dann von Granitmauern in der Höhe von 60 Zentimetern die Rede. Auch das ist Österreich. Fast eineinhalb Jahre Pause und dann immer neue Vorschläge. Ohne dass freilich etwas geschieht. Aber immer neue Stellen, die mitreden. Längst ist der Frühling 2017 ins Land gezogen. Von "fünf Mauer-Teilen mit jeweils acht Metern Länge" ist mittlerweile die Rede, bis zu 50 verschiedene Stellen sitzen zeitweise am Tisch. Magistratsabteilungen, Kammern, Firmen, Bundsimmobiliengesellschaft, Innenministerium, Kanzleramt. Wer je in Österreich mit Straßenverhandlungen oder Ähnlichem zu tun hatte, weiß, dass das nichts Besonderes ist. Dutzendschaften von Beamten und Interessenten rücken schnell einmal an in diesem Land, um mitzureden.

Und, auch das ist Österreich, wenn es schief geht, will's dennoch keiner gewesen sein. Und wenn's ganz schief geht, gelten dann auch keine Vorschriften mehr. Man weiß dann von nichts. Schon gar nichts von Verantwortlichkeiten. Mantel drüber, Drüberfahren, Aussitzen. Und aus. Je nach Möglichkeit und Position.

Im konkreten Fall verfügten der Bundeskanzler und sein Kanzleramtsminister die Einstellung der Arbeiten. Ganz so, als ob sie in Wien die oberste Baubehörde wären. Man wünscht sich, man könnte sich das selbst herausnehmen, weil einem nicht passt, was da vor der Haustür gebaut wird.

Alles ganz österreichisch. Kakanisch. Undurchsichtig. Aufgeblasen. Voller Bürokratie. Voller Pannen. Oft am Rande von Vorschriften oder gleich jenseits. Und langsam vor allem. Sehr langsam. Nicht nur, wenn es um eine prominente Baustelle geht, sondern überall in diesem Land ist es so. Und nicht nur in der Bürokratie. Vor allem auch in der Politik. Auch da gibt es überall diese Baustellen. Pensionsreform, Sozialwesen, Bildung, Steuersystem. Man weiß um die Liste. Betonklötze für die Entwicklung des Landes allesamt.

Aber jetzt wird ohnehin alles anders. Ist ja Wahlkampf, in dem alle versprechen alles besser zu machen. Und dann braucht man ohnehin keine Mauern mehr. Wenn man niemand mehr nach Österreich hereinlässt, braucht man sich nicht mehr vor dem Terror zu fürchten. Und wenn die Politik so gut wird, wie man verspricht, auch nicht mehr vor den eigenen Landsleuten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. September 2017

Dienstag, 12. September 2017

"Panik um Butterpreis unangebracht"



Der Preis für ein Kilo Butter legte im ersten Halbjahr um gut 25 Prozent zu. Die Handelsketten Billa und Spar warnen davor, dass die Versorgung mit allen Marken eng werden könnte, bei Hofer hingegen gibt es Butter zu Aktionspreisen. Die Bauern, die nach der Preiskrise vergangener Jahre die Produktion einschränkten, halten die Aufregung für überzogen. „Panikmache ist völlig fehl am Platz“, sagte Franz Reisecker, Präsident der Bauernkammer Oberösterreich, Österreichs Milchland Nummer eins. Er vermutet hinter den Aussagen geschäftliche Interessen und versucht die Relationen zurechtzurücken. „Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Butter liegt bei fünf Kilogramm, eine Preissteigerung von 50 Cent pro Viertelkilo macht also nicht mehr als zehn Euro pro Kopf und Jahr aus.“ Laut Experten werden die Preise kaum mehr steigen.  - gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. September 2017

Samstag, 9. September 2017

Neue Millionen für Landwirte



Der Bauernbund will eine Prämie für gentechnikfreie Produktion. Die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger geht nach Wien und nennt einen Südtiroler als ihren Nachfolger in Agrarfragen.

Hans Gmeiner

Ried/Innkreis. So schaut eine perfekte Kulisse für einen Wahlkampf aus. Vor dem „Keine Sorgen“-Saal auf dem Messegelände spielte die Blasmusik auf, im Saal drängten sich Hunderte Bauern. Auf der Rieder Messe machten am Freitag die Liste Kurz und der ÖVP-Bauernbund die Landwirtschaft zum Thema. Zwei Zuckerl stachen dabei heraus. ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter präsentierte ein 40 Millionen Euro umfassendes Förderungspaket, mit dem insbesondere die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte, aber auch das bäuerliche Bildungssystem gestärkt werden sollen. Das Geld dafür komme aus Rücklagen, sagte Rupprechter. „Wir wollen damit die Wende auf den Agrarmärkten nutzen, um den Bauern eine positive Perspektive zu geben.“ Das Geld wird in erster Linie Verarbeitern und Organisationen zukommen. Was davon direkt auf die Bauernhöfe fließen soll, blieb offen. Der Landwirtschaftsminister geht davon aus, dass das Förderungspaket Gesamtinvestitionen von rund 200 Mill. Euro auslöst.

Punkten bei der bäuerlichen Wählerschaft wollen die Türkis-Schwarzen auch mit ihrer Forderung nach einem Bonus für die gentechnikfreie (GVO-freie) Produktion, der sich die heimische Landwirtschaft in den vergangenen Jahren verschrieben hat. Die Vorstellungen sind freilich noch wenig konkret. „Wir wollen damit Verhandlungsmasse für die Gespräche zur EU-Agrarreform und zum EU-Finanzrahmen aufbauen“, sagt die EU-Parlamentarierin und ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger. „Länder, die auf den GVO-freien Anbau setzen, sollen mehr Geld bekommen.“ Denkbar ist auch ein Rabatt bei den Zahlungen an Brüssel. Abgegolten werden sollen damit vor allem die höheren Produktionskosten, die der Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel verursacht. Die Krux des Plans liegt möglicherweise im Detail. In Österreich wird zwar im Ackerbau, in der Milch-, Geflügel- und Eierproduktion GVO-frei produziert, in der Schweinefleischproduktion kommt man aber ohne gentechnisch verändertes Soja in der Fütterung nicht aus. Dafür gibt es in Europa, aber auch international zu wenig GVO-freie Ware.

Köstinger wird sich wohl auch in Zukunft kaum damit beschäftigen, ob das in Brüssel durchgesetzt wird. Nach der Wahl werde sie als Abgeordnete vom EU-Parlament in den Nationalrat nach Wien übersiedeln, sagte sie am Freitag.

Damit verlieren die heimischen Bauern just in der heißen Phase der Verhandlungen um die nächste Agrarreform und den EU-Finanzrahmen ihre wichtigste Vertreterin im EU-Parlament. Nachfolgen wird ihr bis zur nächsten Europawahl 2019 entweder Ex-Justizministerin Beatrix Karl, die zum ÖAAB zählt, oder der nö. ÖAAB-Obmann Lukas Mandl. Als ihren „Nachfolger“ in Agrarfragen in Brüssel nannte Köstinger keinen Österreicher, sondern den Südtiroler EU-Abgeordneten Herbert Dorfmann. Der ist immerhin auch Mitglied des Tiroler Bauernbundes. „Schon bisher arbeiteten wir eng zusammen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 9. September 2017

Donnerstag, 7. September 2017

Echoraumleben auf höchster Stufe



Mit Staunen schaut man dem Einen zu, wie er immer höher und höher zu fliegen scheint und wie ihn nichts aus der Bahn werfen kann in seiner türkisen Wunderwelt. Der andere hingegen muss sich in Interviews fragen lassen, ob er Stimmen will oder Mitleid.

Ein Land gerät in den Bann eines Wahlkampfes, den es so noch nie zuvor gegeben hat. Von den Kandidaten her, von den Inhalten her, von den Umfragen und Prognosen her. Und vor allem von den Medien her, über die das alles transportiert wird. Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Radio - das ist bekannt und einigermaßen berechenbar. Aber erstmals in diesem Umfang spielen bei Nationalratswahlen die neuen Medien eine Rolle - Twitter, Facebook, Instagram. Und genau Letztere sind der Stoff, aus dem etwas entsteht, was man bisher in dieser Form kaum kannte. Blasen, in denen man die Wirklichkeit und die Vorgänge und Veränderungen dort, nicht mehr wahrnimmt, und Echoräume, in denen man nur mehr hört, was man auch selbst sagen und hören will, aber nichts mehr von dem, was außerhalb geredet, gemeint, gefordert und getan wird.

Die Volkspartei, respektive die Parteigänger der Liste Kurz, scheinen sich in diesen Blasen und Echoräumen besonders wohl zu fühlen. Erfolgssicher ergeht man sich in Selbstlob, wohlig hat man sich die türkise Welt zum Lebens-und Hoffnungsraum gemacht und sieht die Zukunft ausschließlich und vorzugsweise in der Farbe, die nicht blau und nicht grün ist. Es tut offenbar gut, sich auf der Siegerseite zu fühlen. Der "Sebastian", und alles was er tut und sagt, wird mit Entzückung aufgenommen und weitergetragen und man erfreut sich daran, wenn es von denen bestätigt wird, die es ebenfalls weitertragen. Echoraum-Leben auf höchster Stufe sozusagen.

Man wundert sich und beobachtet das Treiben und das Verhalten mit immer größerem Staunen. Man registriert, wie in der türkisen Blase die Sensibilität fürs Umfeld abhanden kommt, für Themen auch und vor allem für die eigene Situation. Das Leben in solchen Echoräumen ist kommod und bequem, man erspart sich das Fragen und das Nachdenken. Und man erspart sich auch Argumente und die Auseinandersetzung damit. Man staunt, wie sehr selbst Menschen, deren Kritikfähigkeit man kennt, in einer solchen Blase abschalten und das politische Leben nur mehr durch einen engen Tunnelblick wahrnehmen. In einem Tunnel, an dessen Ende das Licht türkis leuchtet. Die Volksparteigänger neigten schon in der Vergangenheit immer wieder zu einem solchen Verhalten, selbst wenn die Parteiobmänner im Jahrestakt ausgetauscht wurden. So wie diesmal aber ist es noch nie gewesen.

Dabei könnten sich Parteigänger angesichts dieses blind-türkisen Hypes, der da grassiert, Sorgen machen. Das Gespür für die Realität und die Strömungen in diesem Land erodiert zusehends. Typisch dafür ist, dass völlig untergegangen ist, dass laut einer Umfrage im Profil Sebastian Kurz in der Kanzlerfrage -Für wen würden Sie stimmen, wenn man den Bundeskanzler direkt wählen könnte? - fünf Prozentpunkte verlor, während Kern drei Prozentpunkte zulegen konnte. Kurz 32 Prozent, Kern 28 Prozent lautet der Stand Ende August. Das mag man immer noch für komfortabel halten, man kann es aber auch als Zeichen sehen, dass die Welt doch nicht so türkis ist, wie man sie einschätzt. Und dass die Wahlen nicht so entschieden sind, wie man das in der türkisen Wunderwelt gerne glaubt. Und auch, dass "der Sebastian" nicht unverwundbar ist. Letzteres auch, weil Kanzler Kern kämpft - während Kurz immer glatter wird und Gefahr läuft, dass seine Auftritte und Statements nur mehr als Posen wahrgenommen werden. Kern hingegen hat seinen Slimfit-Anzug längst ausgezogen, um bei den Leuten anzukommen. Nach anfänglichen Patzern scheint ihm das zusehends zu gelingen. Er gewinnt an Glaubwürdigkeit und ist ganz offensichtlich nicht Willens, seinen Platz freiwillig zu räumen. Er hat nichts zu verlieren. Darin liegt seine Stärke.

Wer auf Kurz setzt, der könnte sich hingegen Sorgen machen, wie sehr es sich die Schwarzen in ihren türkisen Echoräumen und Blasen selbstzufrieden bequem machen und kaum mehr wahrzunehmen scheinen, was rund um sie in diesem Land läuft. Denn dort ist ihr Jungstar kein Heiliger. Dort wird mit zunehmender Vehemenz daran gearbeitet, ihm den ihm von seinen Fans verpassten Heiligenschein abzumontieren. Und das könnte Folgen haben, die so gar nicht in die Echoräume passen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. September 2017

Freitag, 1. September 2017

Agrarpolitische Blähungen



Landwirtschaft im Wahlkampf? Als Thema? Forderungen gar? Ist nicht. Der Landwirtschaftsminister ist damit beschäftigt sich als Spitzenkandidat für die Liste Kurz im Tiroler Unterland einen Platz im Parlament zu sichern, weil er es nicht auf die Bundesliste schaffte. Der Bauernbund ist mit sich selbst und dem Präsidentenwechsel beschäftigt. Und von den anderen hört man wie immer gar nichts.

Die Frage ist, ob das jetzt wirklich schlecht ist. Mit einem eindeutigen Ja ist sie jedenfalls nicht zu beantworten, wenn man nur an all die Aussendungen, die Ankündigungen und die Auftritte von Agrarpolitikern, Ministern, Landesräten und Präsidenten denkt, die meistens von nichts anderem getragen sind, als dem dringenden Wunsch "in die Zeitung" zu kommen - mit Blumenschmuck-Aktionen, Speck-Auszeichnungen, Gratulationen und Bienen. Da nimmt nicht Wunder, dass sich zuweilen der Eindruck aufdrängt, dass manche abseits der wenigen Phasen, wo es, wie bei einer EU-Agrarreform und ihren Folgen, ums Geld geht, nicht recht wissen, was sie mit ihrem Amt und ihrer Zeit anfangen sollen.

Und wenn doch ernsthafte Themen wie Bioökonomie, Pflanzenschutz oder Herkunftskennzeichnung lanciert werden, fehlt meist ein Konzept. Und Ausdauer. Da eine Pressekonferenz, dort eine und dazu ein paar Artikel in den eigenen Agrarzeitungen. Aber dann? Nichts, meistens nichts. Bioökonomie, vor wenigen Jahren etwa vom Präsidenten der Landwirtschaftskammer Österreich zum Lieblingsthema erkoren, ist genauso als Thema verschwunden, wie das Engagement um Aufklärung im Pflanzenschutz oder zur Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie.

Es sind nicht die einzigen Themen, mit denen so umgegangen wird, und der Kammerpräsident ist nicht der einzige, dem das vorzuhalten ist.

Forderungen in der Öffentlichkeit zu platzieren ist ein Leichtes, Politik freilich ist das keine. Sachliche Themen, Vorschläge mit Hand und Fuß, denen dann zählbare Resultate folgen, sind in der Regel wenig dabei. Und entsprechend miserabel fällt wohl auch die Kosten-Nutzen-Rechnung des agrarpolitischen Betriebes aus, stellt man den Aufwand den Ergebnissen und der Situation der Landwirtschaft gegenüber. Mit Verlaub, das müsste mit einem kleineren politischen Apparat in Bund und Ländern und Kammern auch zusammenzubringen sein.

Das agrarpolitische Geschäft ist fraglos schwierig. Gerade deswegen aber ist es an der Zeit die Frage nach der Effizienz zustellen und die Frage, ob der ganze politische Apparat - und nur von dem soll hier die Rede sein - nicht viel zu groß geworden ist. Und auch die, ob man sich nicht zu wichtig nimmt für das, was man wirklich vom Gesetz und von der Position her bewegen kann. Die Agrarlandesräte und all die Präsidenten und Obmänner in Ehren, aber wenn man verfolgt, mit welche Themen sie sich beschäftigen, muss die Frage nach der Sinnhaftigkeit vieler Ämter erlaubt sein. Nur bei Veranstaltungen in der ersten Reihe zu sitzen und Grüße des Landeshauptmannes, respektive der Landeshauptfrau oder eines anderen Oberen auszurichten ist dann wohl zu wenig.

Denn am Ende zählt, was herauskommt. Das wird meist vergessen. Und erst recht, dass es nicht viel ist. In den vergangenen drei Jahren sperrten pro Tag gut fünf Bauernhöfe zu. Das sind mehr als 1700 pro Jahr. Und geht man davon aus, dass ein Dorf 15 bis 20 Häuser hat, dann sind das jedes Jahr 100 Dörfer, die da verschwinden.

Und das ist wirklich nicht wenig.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 1. September 2017
 
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