Donnerstag, 10. August 2017

Gesellschafts-Sprengmeister



Es gab Zeiten, da wurde alles heruntergespielt. Häuften sich wo Überfälle, waren schnell die zur Stelle, die alles klein redeten. Machten sich die Leute Sorgen wegen des Zustroms an Flüchtlingen, waren die Beschwichtiger schnell mit Erklärungen da. Und wurde über Einbrüche und Belästigungen geklagt, bekam man schnell zu hören, dass man den falschen Eindruck hat. Da hatte man keine Scheu, Statistiken zu verbergen, Fakten zu verdrehen und Zahlen möglichst zu unterdrücken.

Dabei erzählte der örtliche Polizeichef oft ganz andere Geschichten. Hinter vorgehaltener Hand. Was er sagte, passte oft so gar nicht zu dem, was die Verantwortlichen in der Politik sagten. Und an die Öffentlichkeit gelangte es nur selten.

Heute ist das ganz anders. Jetzt neigt man eher zum Gegenteil und zur Überreaktion. Heute wird, so scheint es, mit Inbrunst aus jeder Mücke ein Elefant gemacht. Man hat keine Scheu, alles aufzublasen. Und man sieht oft Probleme, wo bei Licht betrachtet keine sind. Man hat zuweilen das Maß völlig verloren. Im Burgenland, dem sichersten Bundesland Österreichs, patrouillieren in manchen Gemeinden seit Monaten sogenannte "Sicherheitspartner". Es wird über Panzer am Brenner geredet, und mancher hätte wohl gerne, dass die Wände in jedem Schlafzimmer Ohren haben.

Schier ohne Scheu, so drängt sich mitunter der Eindruck auf, versuchen viele Verantwortliche in der Politik die ganze Gesellschaft zu kriminalisieren. Meist tun sie das unter dem Vorwand die Menschen zu schützen und für Sicherheit zu sorgen.

Doch statt sie wirklich zu schützen und dazu beizutragen, Probleme zu lösen, erzeugen sie oft nichts anderes als Ängste, wo bisher keine Ängste waren und Unsicherheit, wo keine war, wenn es nur -in Zeiten wie diesen kann man diesen Leuten den Vorwurf meist nicht ersparen -dem Stimmenfang dient.

Der Wandel im Umgang vor allem mit dem Thema Sicherheit und das Spiel mit den Ängsten der Menschen hat inzwischen bedenkliche Formen angenommen. Der schrille Ton, der sich breit gemacht hat, ist dabei, die Gesellschaft und die rechtlichen und demokratischen Grundsätze, die ihr Halt geben, zu destabilisieren. Da ist kaum mehr Vernünftiges zu hören, nichts mehr von Solidarität und nichts mehr von Vertrauen. Das Trennende ist das Thema geworden und nicht mehr das Gemeinsame. Und man hat immer weniger Scheu, dabei über Grenzen zu gehen.

Die Wahlkampflinie der SPÖ ist, wohl ungewollt, zum Ausdruck dieses Wandels geworden. Eine Destabilisierung der Gesellschaft und ihres Zusammenhaltes nimmt man auch dort zumindest billigend, wenn schon nicht aus Kalkül, in Kauf.

"Geiz ist geil", war gestern, jetzt heißt es "Hol dir, was dir zusteht". Da ist nichts mehr von der Solidarität und Vertrauen, die seit jeher eine der Wurzeln der Sozialdemokratie waren, und schon gar nicht von Vernunft. Das klingt viel eher nach Aufruf, sich im Ausverkauf von Staat und Gesellschaft einen Restposten zu sichern. Da hat man keine Scheu, in die Gesellschaft große Keile hineinzutreiben, ganze Schichten schlecht zu machen als Nehmer und Abstauber. Da geht es nicht darum, Leistungen und Verantwortung und ihre Zusammenhänge aufzuzeigen, sondern nur mehr darum, alles daran zu setzen, nur ja nicht zu kurz zu kommen. Und auch da scheint die Bereitschaft zu wachsen, über Grenzen zu gehen.

Irgendwann in diesen Tagen wurde, wohl nicht ganz ernsthaft, aber voller Häme spekuliert, dass wohl Haiders seinerzeitiger Adlatus Stefan Petzner -er wurde tatsächlich ein paar Tage lang als Retter der SP-Wahlkampflinie gehandelt -bei der Formulierung dieses Slogans seine Finger im Spiel gehabt haben muss.

Bei den Sozialdemokraten klingen Slogans, wie "Hol dir, was dir zusteht", freilich verwunderlich. Denn bei den Sozialdemokraten wirft das immer die Frage auf, was sie in all den Jahrzehnten, die sie dieses Land regiert oder mitregiert haben, zusammengebracht haben. Nicht einmal, dass die Menschen haben, was ihnen zusteht?

Die Wirklichkeit ist ohnedies anders. Das Land und die Gesellschaft stehen besser da, als viele wahrhaben wollen. Es gab etwa noch nie so viele Arbeitsplätze in Österreich wie heute, und im internationalen Vergleich liegt die Alpenrepublik ganz vorne, was den Wohlstand und seine Verteilung angeht.

Das wohl deswegen, weil in diesem Land nicht nur die Sozialdemokratie regiert. Und wohl auch deswegen, weil die Gesellschaft stabil ist und zusammenhält.

Meine Meinung - Raifffeisenzeitung, 10. August 2017

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