Donnerstag, 24. August 2017

Alles Promi oder was?



Die Inszenierung war perfekt. Live-Übertragungen auf Facebook, Handshake-Bilder, der obligate Tweet, dass er sich "sehr freut" und jede Menge Medienpräsenz. Fast kein Tag verging zuletzt mehr, dass Sebastian Kurz nicht eine Kandidatin oder einen Kandidaten für seine Liste vorstellte. Dönmez, Großbauer, Taschner, Grünberg, Mahrer, Schwarz und zuletzt der ehemalige Rechnungshofpräsident Moser, der an der Seite von Jörg Haider groß wurde. Society-Menschen, Sportler, Wissenschaftler, Beamte. Quereinsteiger allesamt durch die Bank. Nur manchmal mit politischem Hintergrund, meist aber ohne politische Erfahrung.

Kurz ist stolz darauf. Anderen wird freilich zusehends bange. Das Land braucht doch Profis in der Politik, sagen sie und ätzen, Dilettanten gebe es genug. Die Auswahl des Polit-Jungstars kann nämlich durchaus Sorgen machen. Zumal dann, wenn es sich bei manchen um nichts anderes als Promis handelt, die Aufsehen und allenfalls Interesse versprechen, deren politisches Verständnis und gar Eignung für die Aufgaben in der Politik zwar nicht fragwürdig, aber doch hinterfragenswert sind. Und da muss man nicht gleich, wie SP-Bundesgeschäftsführer Niedermühlbichler, in die frauenfeindliche unterste Schublade greifen.

In der Politik können ohne Frage auch Promis sein und Quereinsteiger, aber zuallererst müssen sie gute Politiker sein. Leute, die weltanschaulich fest verankert sind und auch im täglichen Leben, die eine Vision haben von der Gesellschaft und die darüber auch reden können, die wissen, wie der Apparat arbeitet, weil sie ihn von innen kennen, die die nötige Ausdauer aufbringen, um eine Idee durchzutragen, die die Winkelzüge der Macht kennen und die das Kreuz haben, gerade ihren Weg zu gehen. Und vor allem solche, die mit den Menschen reden können und die es schaffen, möglichst viel von dem auch umzusetzen - ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren und auch nicht die Menschen, die weltanschaulich anders denken.

Das Argument, dass Leute von außen, Leute, die nicht im Politgetriebe groß geworden sind und die das Leben auch von anderer Seite und aus der Praxis kennen gelernt haben, viel in den politischen Betrieb in diesem Land und in die politischen Entscheidungsfindung einbringen können, klingt zumindest aufs erste Hinsehen plausibel. Die Wirklichkeit ist freilich -wie oft hat man das erfahren müssen -zumeist eine ganz andere. Beispiele dafür gab es in den vergangenen Jahren im Dutzend -vom Top-Journalisten und Aufdecker der Nation, Alfred Worm, über Ski-Abfahrtsweltmeister Patrick Ortlieb bis hin zu Frank Stronach. Und bald könnte, wie derzeit die Dinge liegen, ein weiterer prominenter Quereinsteiger, der derzeit empfiehlt, sich zu "holen, was einem zusteht", auf dieser Liste landen.

Es sei gar nicht daran gezweifelt, dass all die von Kurz Erwählten in ihren Leben Überdurchschnittliches geleistet haben, und auch daran, dass sie etwas aus ihrem Erfahrungsschatz in die Politik einbringen können. Aber Politik ist etwas anderes, als ein Unternehmen zu führen, gescheite Bücher zu schreiben oder sein Schicksal auf bemerkenswerte Weise zu meistern. Politik ist ein eigenes Geschäft und ein Handwerk, das man können muss. Da scheitert man schnell am Apparat in der Partei oder in der Verwaltung, an Sachzwängen oder am fehlenden Fachwissen und an falschen Einschätzungen. Oder ganz einfach, weil die Haut nicht dick genug ist, um all das auszuhalten, was einem zugemutet wird, sei es die üble Zeitungsschlagzeile oder die Vortragstouren durch Vereinslokale, Seniorenheime oder Parteiversammlungen. Man darf gespannt sein, wie sich die Dinge entwickeln werden. Und vor allem, ob sie die Erwartungen erfüllen werden und ob das Konzept von Kurz nicht nur für Schlagzeilen sorgt, sondern, ob es wirklich auch von den Wählern so honoriert wird, wie er sich das vorstellt. Und: Man darf auch gespannt sein, wie lange die gestandenen Politikerinnen und Politiker in der Volkspartei das aushalten, wenn ihnen Promis vor die Nase gesetzt werden. Bisher gab es lediglich in Tirol Proteste und einen enttäuschten Minister wegen der Spitzenkandidatin, die den gestandenen Politikern vorgesetzt wurde.

Letzterer hatte freilich keine Alternative und "freut sich sehr", jetzt im Tiroler Unterland die Liste Kurz anführen zu dürfen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. August 2014

Mittwoch, 16. August 2017

Federführend beim Gütesiegel



Ein Rechnungshofbericht brachte die AMA-Marketing im vergangenen Herbst in die Schlagzeilen. „Alles bereinigt“, sagt AMA-Chef Michael Blass heute. Es gilt zumindest für das, was den Rechnungshofbericht anlangt.

Hans Gmeiner

Österreichs Landwirtschaft ist stolz auf ihre Produkte. Sie erfolgreich zu vermarkten ist oft ein schwieriges Unterfangen. Die SN sprachen darüber mit Michael Blass, Geschäftsführer der AMA-Marketing, für die genau das die zentrale Aufgabe ist.

SN: Beim Netzwerk Kulinarik, der gemeinsamen Gesellschaft von AMA-Marketing und Werner Lamperts Fair und Gut, die die vielfältigen agrarischen Initiativen in der Direktvermarktung und in der Gastronomie bündeln soll, ist offenbar Sand im Getriebe?

Michael Blass: Dass es rundherum und immer wieder auch zu Recht Kritik gab, ist Faktum. Manche meinen, bei einem Projekt dieser Komplexität ist die Chance zu reüssieren geringer als das Risiko zu scheitern. Es gibt aber Situationen, da muss man gerade solche Chancen ergreifen. Die AMA-Marketing handelt daher richtig, wenn sie an dem Projekt festhält. Was das Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat, ist eine sehr gute Sache für die Bauern und alle, die mit ihnen zusammenarbeiten.

Es gibt Gerüchte um einen Wechsel in der Geschäftsführung und eine Neuordnung der Gesellschaftsverhältnisse. Fakt ist: Eineinhalb Jahre nach der Gründung gibt es noch nichts Vorzeigbares, aber den Eindruck, das Projekt sei eine einzige Großbaustelle.

Großbaustelle ist ein gutes Bild. Eine Baustelle, für die wir Strategie-, Ablauf- und Finanzierungspläne entwickelt haben, aber – um beim Bild zu bleiben – die Arbeitsmaschinen sind noch nicht da. Das wäre freilich die Voraussetzung, dass man solide Strukturen errichtet. Alle haben ihr Bestes getan, um zügig in die Umsetzung zu kommen. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo einiges darauf hindeutet, dass viel neuer Schub kommt.

Im Vorjahr sorgte ein Rechnungshofbericht für Aufsehen und rückte die AMA-Marketing in den Fokus der Politik. Der politische Einfluss wurde kritisiert, von einem Selbstbedienungsladen und von politisch motivierter Inseratenvergabe war die Rede und vielem mehr.

Diese Vorwürfe weise ich entschieden zurück. Sie sind ohne Substanz, pauschal und in keinem Fall belegbar. Was der Rechnungshof kritisierte, etwa die Vergabe von Marketingaufgaben an Agenturen außer Haus, hat Brüssel im Zuge der Notifizierung bei der AMA-Gründung untersagt. Jetzt signalisiert man, dass man auch anderes für vertretbar hält. Daher setzen wir bereits jetzt verstärkt auf Eigenleistungen.

Kritisiert wurden auch Parallelstrukturen zu Einrichtungen im Umfeld der Landwirtschaft und AMA-Marketing.

In den vergangenen Jahrzehnten entstanden Vereine, die ähnliche Ziele wie die AMA-Marketing, aber andere Finanzierungsformen hatten. Wir haben das in der Zwischenzeit bereinigt, soweit es nicht ohnehin bereits erledigt war.

Ist alles ausgeräumt, was der Rechnungshof kritisierte?

Wir haben in einem ersten Durchlauf an die 80 Prozent der Empfehlungen umgesetzt. Jetzt geht es vor allem noch um das Thema Verschriftlichung und Dokumentation, um Bürokratiethemen also. Über unsere Bitte wird sich zudem die interne AMA-Revision der Umsetzung des Rechnungshofberichts widmen. Auch eine externe Institution soll diesen Prozess begleiten.

Milchbauern aus Oberösterreich und Salzburg, die nach Bayern liefern, wollen keine Marketingbeiträge mehr für Milch zahlen, die gar nicht im Land vermarktet wird.

Zuständig für Einhebung der Marketingbeiträge ist die AMA als unsere Eigentümerin. Wenn es aber heißt, ein österreichischer Bauer, der nach Bayern liefert, hat nichts vom Marketing, das wir machen, dann sehe ich das anders. Gute Marketingmaßnahmen und eine gute Konsumenteninformation machen heute nicht an Landesgrenzen halt. Ganz abgesehen davon werden mit den Marketingbeiträgen auch Maßnahmen zu Qualitätssicherung finanziert, für die unsere Bauern Fördergelder erhalten. Davon profitieren auch jene Bauern, die nach Bayern liefern. Wir haben zwei Mal Gespräche angeboten, es gab aber keinerlei Reaktion.

Das AMA-Gütesiegel hat einen ausgezeichneten Ruf. Aber geht es nicht unter zwischen all den Siegeln, die immer noch wie wild in den Lebensmittelregalen wuchern?

Das AMA-Gütesiegel ist seit 20 Jahren auf dem Markt und hat Bekanntheits- und Vertrauenswerte, die in der Topliga sind. Bei Markenkraft und Markenstärke sind wir vergleichbar mit Marken wie Ikea oder Mercedes. Potenzial gibt es noch, wenn es darum geht, uns von Handels- und Erzeugermarken zu differenzieren. Während bei Milch und Milchprodukten praktisch überall das Gütesiegel zu finden ist, gibt es bei Fleisch und Fleischwaren noch Luft nach oben.

Seit dem Vorjahr gibt es sogar ein eigenes Tierwohl-Siegel. Es liegt aber noch hinter den Erwartungen?

Das „Modul Tierwohl“ des Gütesiegels ist noch in einer Anlaufphase. Aber wir sind bei diesem Thema schon heute stark. Hinter den Tierwohl-Programmen der Handelsketten liegen auf Lieferanten-Ebene häufig AMA-Systeme. Zudem haben wir die „Federführend“-Kampagne bei Hühnern und Puten laufen. In allen Fällen geht es darum, die Uralt-Dogmen endlich aufzubrechen, dass Fleisch ein Billigartikel ist, den man verschleudern kann.

Überfordert die Vielfalt der Kennzeichen nicht alle?

Was wir tun können, ist, in der Siegel-Familie der AMA mehr Ordnung zu schaffen. Das habe ich vor. Wir können und wollen aber das Tun der Handelskonzerne und Erzeuger nicht steuern, wir können nur versuchen, sie zu überzeugen, dass auch bei Logos weniger oft mehr ist. Sich über Siegel zu informieren ist im Übrigen auch Holschuld der Konsumenten und Konsumentinnen. Wer ein Smartphone oder Auto kauft oder ein Haus baut, informiert sich ja auch eingehend.

Letztes Thema: Der Lebensmittelhandel wird von den Bauern oft für ihre schwierige Situation verantwortlich gemacht. Das Verhältnis ist nicht einfach. Wenige große Ketten stehen Tausenden Erzeugern gegenüber. Wie ist Ihr Eindruck?

Im Handel ist inzwischen eine neue Generation von Managern an den Schaltstellen. Damit sind nicht nur neue Ideen, sondern, wie mir scheint, auch ein neues Bewusstsein für den Wert der Kooperation eingekehrt. Wir stellen bei den Handelsketten zunehmend Gesprächsbereitschaft für Themen der Bauernschaft fest. Wir sehen auch, dass der Handel in Österreich eine zentrale Institution ist, wenn’s darum geht, Lebensmittelsicherheit und Qualitätsprogramme umzusetzen.

Zur Person Michael Blass: Der Jurist war zunächst in der Wirtschaftskammer tätig, 1998 wurde er Geschäftsführer des Fachverbands der Lebensmittelindustrie. Seit Anfang 2013 ist er Geschäftsführer der AMA-Marketing.

Freitag, 11. August 2017

Das sprechende Schweinderl frisst die Bauern



Kein Sonntag, sondern ein Dienstag im Hochsommer war es. Und dennoch regte sich die Frau mächtig auf. Wild gestikulierend deutete sie in Richtung des Drescherfahrers, der neben ihrem Garten das Weizenfeld aberntete. Dass sie auch wild schimpfte war deutlich zu sehen. Dabei ging kein Wind, der den Staub in ihre Richtung getrieben hätte, der Drescher war nicht lauter als üblich, eigentlich war alles, so, wie es sein sollte. Aber dennoch schien sich die Dame, erst vor wenigen Jahren ins Dorf zugegezogen, nicht einzukriegen.

Schon ein paar Tage zuvor kursierte auf Facebook ein Foto von Kindern, die den Mittelfinger in Richtung ein Mähdreschers streckten. Angestiftet waren sie angeblich vom Moderator einer Doku-Reihe im heimischen Privatfernsehen.

Gar nicht zu reden von all den Schwierigkeiten und Feindseligkeiten, denen sich Bauern im ganzen Land gegenübersehen, die Ställe planen oder andere größere bauliche Investitionen. Da ist die Stimmung oft so vergiftet, dass sich Bürgermeister und Gemeindevertreter auch dann nicht getrauen ihre Zustimmung zu geben, wenn alle Vorschriften und Auflagen auf Punkt und Beistrich erfüllt sind.

Es scheint ganz so, als sei das sprechende Schweinderl aus der Werbung dabei, die Bauern zu fressen. Als sei Bauer zu sein in Österreich nur mehr in der Kitschversion erwünscht. Gefügig, anbiedernd, immer fröhlich und ganz bescheiden. Aber jedenfalls meist weitab von der Wirklichkeit und ihren Erfordernissen, und von Wirtschaftlichkeit auch - aber gefälligst nur ja kein Geruch, kein Staub, kein Lärm und schon gar keine großen Geräte oder gar Stallungen. Und am besten gleich gar nicht im Dorf oder auch nur in der Nähe davon oder als fahrendes Hindernis auf der Straße.

Bauer zu sein wird einem hierzulande immer öfter verleidet. Auch, wenn es dutzende Umfrage geben soll, die das hohe Lied auf die Landwirtschaft singen - die Realität, wie sie von den Bauern erlebt wird, ist oft ein ganz andere. Da müssen sie Verständnis vermissen und Anerkennung. Da wird schnell mit der Gift-, Tierquäler- und Umweltverschmutzer-Keule auf sie eingeschlagen und werden sie als Subventionsschnorrer und Jammerer verunglimpft, die nie genug kriegen können.

Konventionelle Landwirte sind es inzwischen gewohnt, sich allerorten für ihr Tun rechtfertigen zu müssen, ganz oft so, als würden sie etwas verbrechen. Auch den Biobauern geht es oft nur in der Zeitung und Umfragen besser. Wenn aber der Misthaufen hinterm Haus zu hoch wird und die Gülle, die auch sie ausbringen, zu sehr stinkt, oder sie gar zu groß werden für den auf fünf Hektar, 20 Hühner, und ein paar Schweine und Kühe konditionierten Geschmack der Leute, ist es auch dort das Verständnis schnell enden wollend.

Die Landwirtschaft und ihre Vertretung versucht seit Jahren diese Entwicklung in den Griff zu kriegen. Sie schafft es nicht. Oft regelrecht rührend, aber auch oft auch sehr hanebüchern, sind die Bemühungen von offizieller Seite, von privaten Initiativen und bäuerlichen Einrichtungen und von Bäuerinnen und Bauern selbst, sich dagegen zu stemmen.

Bewirkt haben sie bisher nur wenig. Die Bauern erreichen die andere Seite meist nicht. Der Eindruck, den sie machen, ist oft ein hilfloser. Die Strömungen in der Gesellschaft verändern sich schneller, als die Landwirtschaft dem nachkommen kann. Wenn die Bauern versuchen als Reaktion darauf neue Wege zu gehen, stehen die anderen längst wo anders - wieder mit gestrecktem Mittelfinger.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 11. August 2017

Donnerstag, 10. August 2017

Gesellschafts-Sprengmeister



Es gab Zeiten, da wurde alles heruntergespielt. Häuften sich wo Überfälle, waren schnell die zur Stelle, die alles klein redeten. Machten sich die Leute Sorgen wegen des Zustroms an Flüchtlingen, waren die Beschwichtiger schnell mit Erklärungen da. Und wurde über Einbrüche und Belästigungen geklagt, bekam man schnell zu hören, dass man den falschen Eindruck hat. Da hatte man keine Scheu, Statistiken zu verbergen, Fakten zu verdrehen und Zahlen möglichst zu unterdrücken.

Dabei erzählte der örtliche Polizeichef oft ganz andere Geschichten. Hinter vorgehaltener Hand. Was er sagte, passte oft so gar nicht zu dem, was die Verantwortlichen in der Politik sagten. Und an die Öffentlichkeit gelangte es nur selten.

Heute ist das ganz anders. Jetzt neigt man eher zum Gegenteil und zur Überreaktion. Heute wird, so scheint es, mit Inbrunst aus jeder Mücke ein Elefant gemacht. Man hat keine Scheu, alles aufzublasen. Und man sieht oft Probleme, wo bei Licht betrachtet keine sind. Man hat zuweilen das Maß völlig verloren. Im Burgenland, dem sichersten Bundesland Österreichs, patrouillieren in manchen Gemeinden seit Monaten sogenannte "Sicherheitspartner". Es wird über Panzer am Brenner geredet, und mancher hätte wohl gerne, dass die Wände in jedem Schlafzimmer Ohren haben.

Schier ohne Scheu, so drängt sich mitunter der Eindruck auf, versuchen viele Verantwortliche in der Politik die ganze Gesellschaft zu kriminalisieren. Meist tun sie das unter dem Vorwand die Menschen zu schützen und für Sicherheit zu sorgen.

Doch statt sie wirklich zu schützen und dazu beizutragen, Probleme zu lösen, erzeugen sie oft nichts anderes als Ängste, wo bisher keine Ängste waren und Unsicherheit, wo keine war, wenn es nur -in Zeiten wie diesen kann man diesen Leuten den Vorwurf meist nicht ersparen -dem Stimmenfang dient.

Der Wandel im Umgang vor allem mit dem Thema Sicherheit und das Spiel mit den Ängsten der Menschen hat inzwischen bedenkliche Formen angenommen. Der schrille Ton, der sich breit gemacht hat, ist dabei, die Gesellschaft und die rechtlichen und demokratischen Grundsätze, die ihr Halt geben, zu destabilisieren. Da ist kaum mehr Vernünftiges zu hören, nichts mehr von Solidarität und nichts mehr von Vertrauen. Das Trennende ist das Thema geworden und nicht mehr das Gemeinsame. Und man hat immer weniger Scheu, dabei über Grenzen zu gehen.

Die Wahlkampflinie der SPÖ ist, wohl ungewollt, zum Ausdruck dieses Wandels geworden. Eine Destabilisierung der Gesellschaft und ihres Zusammenhaltes nimmt man auch dort zumindest billigend, wenn schon nicht aus Kalkül, in Kauf.

"Geiz ist geil", war gestern, jetzt heißt es "Hol dir, was dir zusteht". Da ist nichts mehr von der Solidarität und Vertrauen, die seit jeher eine der Wurzeln der Sozialdemokratie waren, und schon gar nicht von Vernunft. Das klingt viel eher nach Aufruf, sich im Ausverkauf von Staat und Gesellschaft einen Restposten zu sichern. Da hat man keine Scheu, in die Gesellschaft große Keile hineinzutreiben, ganze Schichten schlecht zu machen als Nehmer und Abstauber. Da geht es nicht darum, Leistungen und Verantwortung und ihre Zusammenhänge aufzuzeigen, sondern nur mehr darum, alles daran zu setzen, nur ja nicht zu kurz zu kommen. Und auch da scheint die Bereitschaft zu wachsen, über Grenzen zu gehen.

Irgendwann in diesen Tagen wurde, wohl nicht ganz ernsthaft, aber voller Häme spekuliert, dass wohl Haiders seinerzeitiger Adlatus Stefan Petzner -er wurde tatsächlich ein paar Tage lang als Retter der SP-Wahlkampflinie gehandelt -bei der Formulierung dieses Slogans seine Finger im Spiel gehabt haben muss.

Bei den Sozialdemokraten klingen Slogans, wie "Hol dir, was dir zusteht", freilich verwunderlich. Denn bei den Sozialdemokraten wirft das immer die Frage auf, was sie in all den Jahrzehnten, die sie dieses Land regiert oder mitregiert haben, zusammengebracht haben. Nicht einmal, dass die Menschen haben, was ihnen zusteht?

Die Wirklichkeit ist ohnedies anders. Das Land und die Gesellschaft stehen besser da, als viele wahrhaben wollen. Es gab etwa noch nie so viele Arbeitsplätze in Österreich wie heute, und im internationalen Vergleich liegt die Alpenrepublik ganz vorne, was den Wohlstand und seine Verteilung angeht.

Das wohl deswegen, weil in diesem Land nicht nur die Sozialdemokratie regiert. Und wohl auch deswegen, weil die Gesellschaft stabil ist und zusammenhält.

Meine Meinung - Raifffeisenzeitung, 10. August 2017
 
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