Donnerstag, 20. April 2017

Wenn das gut Gemeinte allzuviel wird



Keine Woche vergeht, in der nicht irgendein Vertreter der Landwirtschaft die p. t. Damen und Herren Konsumentinnen und Konsumenten mahnt, unbedingt heimische Produkte zu kaufen. Am besten "Aus der Region", wie es so schön heißt. Das sichere Arbeitsplätze, das schone das Klima, kurzum, das gehöre sich einfach. Ganz abgesehen davon, dass es ohnehin das Beste sei.

Die Angesprochenen erweisen sich dabei auch durchaus als willig. Sie folgen den Argumenten gerne. Sie kennen das Gütesiegel der AMA. Sie suchen nach den Buchstaben AT auf den Verpackungen, weil sie gelernt haben, dass das für Österreich steht. Sie wissen, dass sie nicht jedem rot-weiß-roten Fähnchen einfach vertrauen können, dass da der Lebensmittelhersteller aufs Etikett gedruckt hat, weil das oft nicht viel mehr als heiße österreichische Marketing-Luft ist und noch lange nicht heißt, dass wirklich auf heimischen Feldern oder in heimischen Ställen gewachsen ist, was im Packerl steckt.

Die heimischen Konsumentinnen und Konsumenten greifen nicht einfach ins Supermarktregal, sondern wissen, dass man auf die Herkunft schauen muss. Das freilich ist allen Bemühungen zum Trotz immer noch nicht alles andere als einfach. Und das, obwohl es für die Kennzeichnung heimischer Produkte längst Gütesiegel gibt und eine Fülle von Vorschriften, die festhalten, was erlaubt ist und was verboten. Auf zig Seiten und in zahllosen Paragrafen.

Genau das aber scheint zu einem immer größeren Problem zu werden. Denn inzwischen ist die Vielzahl an Vorschriften und Regeln, die von den Herstellern und Vermarktern auf den Etiketten unterzubringen sind, so groß geworden, dass sie mehr zur Irreführung beitragen als zur Klarheit. Und immer öfter muss man dreimal hinschauen, um sicher sein zu können, das im Einkaufswagen zu haben, nach dem man gesucht hat, weil die Gütezeichen, die Buchstabenkombinationen und die Abkürzungen so verwirrend geworden sind.

Da stehen österreichische Adressen neben ausländischen und heimische Logos neben europäischen. "AT-BIO" samt einer Nummer steht da dann -um ein Beispiel zu nennen - auf dem Sackerl Äpfel zu lesen, das "OHNE gen"-Logo der heimischen Arge Gentechnikfrei ist drauf, das EU-Bio-Logo und die Adresse des österreichischen Vertreibers. "Müsste passen" denken sich da wohl 99 von 100 heimischen Konsumenten, die aus Überzeugung und aus gutem Willen den heimischen Apfelbauern unter die Arme greifen wollen.

Erst daheim merken sie, dass neben der Sortenbezeichnung "Ursprung: Deutschland" steht und unter der AT-Bio-Nummer "Deutschland-Landwirtschaft". Und so liegen unversehens und gänzlich unbeabsichtigt statt heimischer Äpfel mit einem Mal Äpfel aus deutschen Landen in der Obstschüssel auf dem Familientisch.

Da nimmt nicht Wunder, dass das dann an der Glaubwürdigkeit der Lebensmittelkennzeichnung knabbert, dass man sich hinters Licht geführt fühlt, und dass man es sich beim nächsten Mal lieber gar nicht mehr antut, genau hinzuschauen, wenn man Österreichisches kaufen will.

Dabei war auf der Verpackung alles korrekt angegeben, niemand wollte etwas Böses und alles hatte seine Richtigkeit. Die Buchstaben samt Nummer freilich geben Auskunft über die österreichische Bio-Kontrollstelle, die den Handelsbetrieb kontrolliert und sind kein Hinweis auf die Herkunft. Und dass unmittelbar unter der "AT-BIO-Nummer" der Kontrollstelle "Deutschland-Landwirtschaft" steht, hat auch seine Richtigkeit - im Sinne der Vorschriften.

Im Sinn der Konsumentinnen und Konsumenten ist das wohl nicht der Fall. Und ob es im Sinn der Bäuerinnen und Bauern ist, muss auch bezweifelt werden. So etwas frustriert über kurz oder lang den gutwilligsten Konsumenten.

Gut gemeint, man weiß es, ist noch lange nicht gut gemacht. Weniger wäre bei der Kennzeichnung der Herkunft der Lebensmittel wohl mehr. Die Konsumentin, respektive der Konsument, würde es danken.

Das freilich wird wohl ein frommer Wunsch bleiben. Denn allen Beteuerungen zum Trotz läuft es eher in die entgegengesetzte Richtung. In den Lebensmittelregalen sprießen allerorten immer neue Kennzeichnungen, Siegel und Fantasiebezeichnungen. Klarheit und Transparenz, denen sie vorgeben zu dienen, fördern sie kaum. Eher den Frust der Konsumentinnen und Konsumenten, die sich zunehmend gepflanzt fühlen -und sich das genaue Hinschauen auf Herkunft und Regionalität dann lieber gleich ersparen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. April 2017

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