Donnerstag, 27. April 2017

Ein Rücktritt als Menetekel



"Es ist keine Bewegung zu erwarten. Es sind keine sachorientierten Lösungen zu erwarten." Ulrike Rabmer-Koller, Vorstandsvorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, hatte nach etwas mehr als einem Jahr genug. Ihre Pläne, ihre Vorstellungen, ihre Vorhaben sind am Beton, zu dem so vieles in Österreichs Institutionen erstarrt ist, zerschellt. Dabei wäre gerade sie eine von denen gewesen, die man sich seit Jahren immer wünscht, um diesen Beton aufzubrechen, um Altes und Überkommenes zu überwinden. Sie ist Unternehmerin, sie hat jahrelange praktische Erfahrungen, sie hat die Kompetenz und die Qualifikationen, die in der Politik und in öffentlichen Ämtern so oft vermisst werden. Sie kennt die Anforderungen und sie weiß auch, wo anzusetzen ist.

Der Rücktritt der Mühlviertler Unternehmerin führte wieder einmal vor Augen, warum es sich so viele Menschen in diesem Land, zumal solche aus der Wirtschaft oder aus anderen verantwortungsvollen Positionen, nicht mehr antun wollen, öffentliche Aufgaben zu übernehmen. Es ist ihnen nicht zu verdenken, dass sie sich nicht in ein Umfeld begeben wollen, dessen markantes Kennzeichen Winkelzüge und Intrigen sind, in dem es meist vornehmlich darum geht, Besitzstände zu wahren und zu verteidigen und selten darum, Dinge voranzubringen, sondern vornehmlich darum, Neues zu verhindern.

"Es ist keine Bewegung zu erwarten. Es sind keine sachorientierten Lösungen zu erwarten." Was Rabmer-Koller als Gründe für ihren Rücktritt nannte, ist der Nährboden, auf dem in diesem Land die Probleme wuchern können. Der Nährboden dafür, dass nichts weitergeht bei Themen wie der Entbürokratisierung, dass sich die Schulund Bildungsreform seit Jahren spießt, auch dass die dritte Startbahn am Wiener Flughafen nicht gebaut werden darf, oder dass der Beginn des Baus des Westringes in Linz immer wieder aufgeschoben werden muss.

Die Gründe, die Rabmer-Koller nannte, spielen wohl auch eine Rolle bei der Sehnsucht nach einem starken Mann, die in der Vorwoche für so viele Diskussionen sorgte, und dafür, dass auch in Österreich immer mehr Menschen mit der Demokratie hadern. Die Menschen haben genug von den erstarrten Strukturen in dieser Republik, davon dass nichts weitergeht und davon, dass selbst die Lösung offensichtlicher und außer Diskussion stehender Probleme zumeist nicht vorankommt. Im Wunsch der Menschen nach einem starken Mann an der Spitze des Landes steckt nicht die Sehnsucht nach einem "kleinen Hitler", wie es nach der Veröffentlichung solcher Umfragen, wie in der Vorwoche, in der Regel heißt, sondern die Sehnsucht nach Klarheit und Orientierung. Das ist, was vermisst wird, was aber heute nötiger wäre denn je. Im Dauerstakkato, in dem Gefahren heraufbeschworen werden und Bedrohungen, sucht man Halt. In einer Welt, die unübersichtlich geworden ist, wie kaum je zu vor, sucht man Sicherheit.

Die heutige Generation der Politikerinnen und Politiker kann das offenbar zu wenig bieten. Da wird kaum einer oder eine als stark genug empfunden, die Erwartungen und die Sehnsüchte zu erfüllen. Da ist kaum einer oder eine, denen die Menschen zutrauen würden, dass sie das Land sicher durch die Zeiten geleiten. Da fehlt es an charismatischen Persönlichkeiten, die das nötige Vertrauen geben könnten.

Zuzuschreiben hat sich die Politik das zu einem guten Teil auch selbst. Gerade die österreichische, deren Inhalt über weite Strecken darin zu bestehen scheint, sich gegenseitig zu beschädigen und nicht darin, alles zu tun, um das Land voranzubringen, um seinen Menschen Sicherheit und Zukunft zu geben.

Das hat auch die Zweifel an der Demokratie wachsen lassen. Deren Wert ist in dem Getümmel, als das sich die heimische Politik und ihre Entscheidungsfindungen zuweilen darstellen, oft nicht mehr zu erkennen. Demokratie wird kaum gepflegt und nicht gewürdigt. Im Gegenteil, sie wird oft missbraucht, um Entscheidungen zu blockieren, hinauszuzögern oder zu verhindern. Gerade in diesen Tagen lieferten ein paar wenige Grüne in Wien mit dem Nein zu einem Bauprojekt ein eindrückliches Beispiel dafür.

"Es ist keine Bewegung zu erwarten. Es sind keine sachorientierten Lösungen zu erwarten." Diese Sätze von einer, die angetreten war, um etwas zu bewegen, die dann aber das Feld räumte wegen der Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens, sollten nicht schulterzuckend abgetan werden. Sie bringen auf den Punkt, woran es krankt in diesem Land.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. April 2017

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