Dienstag, 28. März 2017

Die Kraft auf dem Land zieht es in die Stadt



Die RWA-Lagerhaus-Gruppe entdeckt die Digitalisierung. Mit der starken Präsenz auf dem Land steigt die Lust, die Städte zu erobern.

Hans Gmeiner Wien. Reinhard Wolf, Chef der Raiffeisen Ware Austria, war überrascht. Als die eigens dafür gegründete Tochtergesellschaft im Vorjahr Start-ups aus der Agrar- und Ernährungsbranche suchte, um mit ihnen Projekte zu entwickeln, meldeten sich nicht weniger als 160 junge Unternehmen aus 50 Staaten. Vier von ihnen, aus Österreich, der Slowakei, Italien und Israel, gab man die Möglichkeit, ihre Ideen weiterzuentwickeln. Nun verhandelt man über mögliche Kooperationen.

Dem Generaldirektor der Dachgesellschaft der Lagerhäuser in Oberösterreich, Niederösterreich, der Steiermark und im Burgenland gefällt das. „Da ist uns etwas gelungen.“ Mit Nachdruck arbeitet er auf allen Ebenen an der Modernisierung der Lagerhaus-Gruppe. Hightech und Lagerhaus schließen einander längst nicht mehr aus.

Man ist stolz darauf, bei neuen Technologien die Nase vorn zu haben. Sogar mit Drohnen für den Einsatz bei Pflanzenschutz und Düngung experimentiert man. In vielen Lagerhäusern gibt es Hightech-Düngermischanlagen und Leihtraktoren für die Bauern und stolz präsentiert man sich als Spezialist in Sachen GPS-Technik.

Rund 30 Mill. Euro investierten die RWA und die Lagerhäuser in den vergangenen Jahren zudem in den Ausbau einer Saatgutaufbereitungsanlage in Lannach und in den Landtechnik-Standort Korneuburg. In Oberösterreichisch wurde das Getreidegeschäft in Aschach konzentriert und die Lager um 50 Prozent vergrößert. 160.000 Tonnen Mais können dort ab heuer jährlich umgeschlagen werden.

Die Bauern scheinen das zu honorieren. In einer von Keyquest durchgeführten Umfrage sprechen zwei von drei Landwirten der Lagerhaus-Gruppe ein modernes und innovatives Image zu. Daran will Wolf weiter arbeiten. „In den kommenden Jahren wollen wir insgesamt rund 25 Mill. Euro in die Digitalisierung und in IT investieren“, sagt er im SN-Gespräch.

„Wir wollen die Lagerhäuser so rasch wie möglich als Geschäftspartner für Bauern und Konsumenten auch ins Netz bringen. Die Kunden sollen über eine Einkaufsplattform alle Möglichkeiten haben, mit uns in Kontakt treten und kaufen zu können“, sagt Wolf. Auch die Warenwirtschaftssysteme in der RWA sowie in den Lagerhäusern sollen komplett erneuert werden.

Der Druck ist groß. Die Landwirtschaft, mit der die RWA rund 50 Prozent des Umsatzes macht, steckt nach wie vor in Schwierigkeiten. Vor allem die niedrigen Getreide- und Treibstoffpreise und die Zurückhaltung der Bauern beim Kauf von Landmaschinen drückten auf die Umsätze. Im nicht agrarischen Bereich habe hingegen die Steuerreform des Vorjahres „gutgetan“, sagt Wolf. Zudem habe man bei Baustoffen von der Baumax-Schließung indirekt profitieren und drei Prozent zulegen können, obwohl man keinen der Märkte übernommen habe.

Auch mit dem rund 200 Mill. Euro schweren Osteuropa-Geschäft, in dem sich die RWA ausschließlich auf den Handel mit Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Getreide konzentriert, habe es „vernünftiges Wachstum“ gegeben. Detaillierte Zahlen sollen im April veröffentlicht werden. Auch wenn der Gesamtumsatz (2015: 2,41 Mrd. Euro) im Vorjahr neuerlich um drei bis vier Prozent zurückging, ist Wolf nicht unzufrieden, „wir sind ganz gut weggekommen“, mengenmäßig habe es Zuwächse gegeben.

Für das heurige Jahr ist der Chef der Lagerhaus-Gruppe durchaus optimistisch, die Stimmung habe die Talsohle durchschritten. „Die Konsumenten haben wieder mehr Vertrauen in die wirtschaftliche Situation und im Agrarbereich haben die Preise bei Milch, Fleisch und Getreide angezogen“, sagt Wolf.

Während Wolf bei Baustoffen und in der Sparte Haus und Garten von weiteren Zuwächsen ausgeht, rechnet er damit, dass der Bereich Landtechnik schwierig bleibt. „Da spüren wir den Strukturwandel in der Landwirtschaft am stärksten.“ Darum soll das Vertriebsnetz gestrafft und neu strukturiert werden. „Der Traktormarkt wird weiter auf weniger als 4000 Stück pro Jahr schrumpfen“, ist Wolf überzeugt. Vor wenigen Jahren waren es noch 8000, heuer sind es gut 5000. Das regt den RWA-Chef nicht auf, „wertmäßig trifft uns das nicht sehr, weil die verkauften Traktoren größer und damit teurer sind“.

Auch wenn die Lagerhaus-Gruppe in Zukunft getreu ihrer Werbelinie weiter „Die Kraft am Land“ sein will, verhehlt Wolf nicht seine Lust an der Stadt. „Wir decken das Land fast komplett ab, sind aber im städtischen Bereich nicht präsent.“ Die großen Städte Wien, Linz, Graz sind weiße Flecken auf der Lagerhaus-Karte, das soll in den nächsten Jahren anders werden. Der Versuch, die Städte zu erobern, startet heuer mit einem Probestandort in Wien, „mal schauen, wie das wird“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. März 2017

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