Donnerstag, 23. März 2017

Die Angst vor den falschen Dingen



Das Leben ist lebensgefährlich. Man weiß es. Und man kommt mit dem Fürchten schon gar nicht mehr zurande. Von früh bis spät, draußen, drinnen, beim Essen, im Straßenverkehr, wegen der Luft sowieso und dem Wasser, wegen der Asylsuchenden, wegen möglicher Terroranschläge, wegen des Euro, wegen Ceta und wegen TTIP und wegen der Chemie erst recht.

Nachgerade hysterisch geworden sind wir vom Trommelfeuer in Medien und Politik, das uns tagaus, tagein warnt vor Gefahren, die uns bedrohen und die dunkle Szenarien malen, die einen glatt verzweifeln lassen könnten.

Wir sind zu einer Angstgesellschaft geworden. Gemacht worden, wie immer mehr Menschen meinen. Oft aus wirtschaftlichen Interessen und aus politischen, aber viel seltener aus ernsthafter Sorge. Immer mehr beschleicht das Gefühl, dass oft maßlos übertrieben wird, dass man nicht selten den Blick auf das Gesamte verloren hat und dass es dabei oft um ganz etwas anderes geht als um ernsthafte und wirksame Lösungen von Problemen.

Risikoforscher bestätigen das. Sie sagen, "viele Menschen fürchten sich vor den falschen Dingen". Der Chef des deutschen Institutes für Risikoforschung nannte kürzlich ein sehr eindrückliches Beispiel. "2016 wurden zwölf Menschen in Deutschland Opfer eines Terroranschlages, im gleichen Zeitraum gab es über 3.000 Verkehrstote. Trotzdem fürchtet sich kaum jemand davor, in ein Auto zu steigen."

Ähnlich verhält es sich dem Wissenschaftler zufolge mit der Hysterie, die mitunter ums Essen gemacht wird, mit der Furcht vor Pflanzenschutzmittelrückständen in der Nahrung oder vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Dabei sei unser Essen sicherer als jemals zuvor.

Weitaus größer als die Gefahr, durch Pflanzenschutzmittel in der Nahrung Schaden zu nehmen, sei die Gefahr, Opfer mangelnder Hygiene in der eigenen Küche zu werden. "Die deutsche Toilette ist vergleichsweise sauber, Kühlschrank und Spüle sind es nicht, hier liegen die größten Bakterienherde" und damit die größten Gefahren, sich etwas Ernsthaftes einzufangen, sagt der Risikoforscher. In Österreich wird es wohl nicht anders sein.

Solch nüchterne Betrachtungen passen nicht in das Klima, das von NGO, Medien und Politik geschürt wird. Denn die leben ganz passabel von der Angst der Menschen. NGOs, wie Greenpeace oder Global 2000 und wie sie alle heißen, sind längst zu millionenschweren Unternehmungen geworden, die nur überleben können, wenn die Sorge der Bürger und ihre Angst auch ihren Geldbeutel öffnen, um zu spenden. Denn, bleibt die Angst nicht am Leben und die Furcht, ist möglicherweise bald Ebbe in den Kassen.

Ähnliches gilt für manche Medien oder Unternehmen, wie manche der heimischen Handelskonzerne, die nichts und niemanden und schon gar keine reißerischen Schlagzeilen scheuen, um die Ängste ihrer Leser und Kunden zu schüren und sie mit ihrer vorgeblichen Hilfsbereitschaft zu beeindrucken, in der Hoffnung mehr Auflage und Geschäft zu machen. Und das gilt natürlich auch für viele in der Politik, die in der Verbreitung von Ängsten ihre Geschäftsgrundlage und Chance sehen, deswegen gewählt zu werden.

Nichts dagegen, dass man sich Sorgen macht. Und jede Unterstützung, wenn es darum geht, Gefahren in den Griff zu kriegen. Aber der zuweilen religiöse Eifer und der zuweilen Angst machende Fanatismus, mit dem da Dinge vorangetrieben werden, stehen oft in keiner Relation mehr zu den Gefahren, um die es vorgeblich geht. Nicht was die wirtschaftlichen Folgen angeht. Und oft auch nicht, was die Gefahren angeht, die man abwenden will. Für die Betroffenen wird es meist teurer, für die Sache selbst selten besser. Der Wirbel um die Neonics und die Bienen vor Jahren war so etwas, oder zuletzt der ums Glyphosat. Gar nicht zu reden von der Gentechnik.

Dass die Dinge zuweilen so aus dem Lot gekommen sind, hat auch damit zu tun, dass die Wissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten ihre Glaubwürdigkeit verloren hat. Die Menschen sind verunsichert. Sie wissen nicht mehr, wem sie glauben können und vertrauen im Zweifelsfall meist denjenigen, die warnen und Angst machen.

Das ist nicht ungefährlich, weil der Fokus der Angst oft auf falsche Bereiche und Themen gelenkt wird, und echte Gefahren, die oft weit größer sind, aber übersehen werden. Aber das ist ja nicht nur bei einem Thema wie diesem der Fall. Hauptsache, die Kassa stimmt, die Auflage, oder das Wahlergebnis.

Die Sache selbst? Egal.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. März 2017

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