Montag, 16. Januar 2017

Die Bauern suchen ihren Platz auf dem Markt



Die Landwirtschaft sieht sich existenziell bedroht. Die Preise sind trotz leichter Anstiege in den vergangenen Monaten unter Druck.

Hans Gmeiner

Salzburg. Die österreichische Abgeordnete Elisabeth Köstinger fuhr dieser Tage bei der Debatte im Agrarausschuss des EU-Parlaments über die Vorschläge der Taskforce Agrarmärkte zur Stärkung der Position der Bauern auf den Märkten schwere Geschütze auf. Sie kritisierte die „ungerechte Marktaufteilung“, warf Handelsketten vor, keine Gelegenheit auszulassen, „Druck auf die Landwirtschaft auszuüben“, und malte für die Bauern ein düsteres Zukunftsbild. „Die Schieflage geht an die bäuerlichen Existenzen.“

Ins gleiche Horn stieß Josef Plank, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, der als Experte geladen war. „Die Struktur der Landwirtschaft ist nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa massiv gefährdet“, sagte er. Auf der einen Seite stehe man beim Zukauf von Betriebsmitteln wie Saatgut, Dünger oder Landtechnik wenigen großen Konzernen gegenüber, auf der anderen Seite einer geballten Handelsmacht. „Es geht darum, Regeln zu schaffen, damit Bauern auf Augenhöhe mit Lebensmittelherstellern und Händlern verhandeln können“, sagt Plank.

Der Druck auf die Bauern ist nach wie vor groß. Die Preise für Milch, Fleisch und Getreide sind zwar in den vergangenen Monaten nicht mehr weiter gesunken, von einer Wende auf den Märkten ist aber keine Rede. Die Preiserhöhungen bewegen sich bei Milch im Cent-Bereich und sind nach wie vor weit von den 40 Cent pro Kilogramm entfernt, die die Bauern anpeilen. Bei Schweinefleisch gab es nach einer Erholung im Herbst seit Weihnachten Rückschläge und die Preise für Ackerfrüchte stecken nach wie vor in einem hartnäckigen Tief.

Weil die milliardenschweren EU-Hilfspakete der vergangenen Jahre den Bauern kaum halfen, versucht man neue Wege zu gehen, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Es gehe darum „mit strukturellen Verbesserungen die Widerstandsfähigkeit des landwirtschaftlichen Sektors zu stärken“, sagt EU-Agrarkommissar Phil Hogan.

Im Zentrum stehen die Forderung nach mehr Markttransparenz und Stärkung der Position im Wettbewerb sowie der Kampf gegen unfaire Handelspraktiken und die Konzentration im Handel. „Es ist fast Erpressung, wie die mit einem umgehen“, sagt der deutsche Europa-Abgeordnete Albert Deß (CSU), der die Usancen im Handel als Landwirt und Chef der Bayernland-Molkerei kennt. Für ihn und viele andere könnten die Vorschläge noch weiter gehen. Da ist der Ruf nach einem Agrarmarktregulator genauso zu hören wie der nach Zerschlagung von marktbeherrschenden Unternehmen und der Wunsch nach vereinfachten Auflagen für regionale Produkte.

Was von den Vorschlägen Wirklichkeit wird, ist freilich noch völlig ungewiss. „Wenn in der aktuellen Periode bis 2020 etwas geschehen soll, müsste es heuer konkrete Beschlüsse geben“, sagt Deß. Offen ist auch, ob die Bauern davon in Form besserer Preise profitieren oder eher die Verarbeiter, wie die Molkereien oder Fleischbetriebe, die als direkte Partner des Handels das Geld als Erste in der Hand haben.

Die Taskforce-Vorschläge sind nur ein Mosaikstein im Ringen um Verbesserungen für die Bauern. Wie man die Märkte und das große Angebot – Hauptursache für den Preisdruck – in den Griff bekommen könnte, wird nur inoffiziell diskutiert. Da Kontingentierungen nicht infrage kommen, denkt man über vorübergehende Produktionsrücknahmen nach, wie jüngst bei der Milch. Oder wie bei Getreide und Ölsaaten über das vorübergehende Umleiten von der Nahrungsmittel- in die Energieerzeugung.

Vor diesem Hintergrund laufen die Vorbereitungen auf die nächste siebenjährige Budgetperiode und die Agrarpolitik für die Zeit ab 2020 an. Im Februar startet die EU-Kommission mit einem Onlinefragebogen für Interessierte und einem öffentlichen Hearing den Prozess. Im Herbst ist eine erste Mitteilung über die künftige Gestaltung geplant. Die Gemeinsame Agrarpolitik müsse den Landwirten auch künftig als Sicherheitsnetz zur Verfügung stehen, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Dezember.

Was das konkret heißt, ist offen. In Brüssel erwartet man, dass Brexit und eine mögliche EU-weite Finanzierung der Flüchtlingsversorgung das Agrarbudget stark unter Druck bringen werden. Köstinger schwant nichts Gutes: „Was da auf uns zukommt, geht ans Eingemachte.“

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