Donnerstag, 22. Dezember 2016

Dünnes Eis



Die Festtagstische werden sich wieder biegen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute signalisieren Zuversicht. Alles paletti scheint es. Und doch: Das Eis ist dünn, auf dem wir in Europa Party machen und es uns gut gehen lassen. So dünn wie schon lange nicht mehr. Der Anschlag von Berlin führte das drastisch vor Augen.

Die Welt heute, zu Ende des Jahres, ist eine andere, als sie es noch zu Beginn 2016 war. Es ist das Jahr, an dem viel von dem zum Durchbruch kam, wovor seit Jahren gewarnt wurde, und viel von dem, was seit Jahren erwartet wurde.

Vieles von dem, was noch vor Jahresfrist als undenkbar galt, ist es heute nicht mehr. Vieles von dem, was für unmöglich gehalten wurde, ist auf einmal Wirklichkeit. Vieles, was man bewältigt glaubte, zeigt, dass es immer noch da ist. Die Tektonik der Macht scheint sich nachhaltig zu verschieben und die Ordnung, die in den vergangenen Jahrzehnte die Welt so recht und schlecht zusammenhielt, zum Auslaufmodell zu werden.

In den Vereinigten Staaten kommt ein Milliardär mit einem kruden Weltbild ins Weiße Haus, über den man noch vor Jahresfrist rund um den Globus wegen seiner Schrullen allenfalls schmunzelte. Russland kehrte in diesem Jahr mit Nachdruck auf die Weltbühne zurück, führte in Syrien die USA und Europa regelrecht vor und zeigte klar und unmissverständlich, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr, dass es zu allem bereit ist, um an Gewicht zurück zu gewinnen. An der südosteuropäischen Grenze baut ein Staatspräsident sein Land unter dem hilflosem Staunen Europas zur Diktatur um. Und in Europa sind Dinge in Bewegung geraten, die die Einheit der Europäischen Union nachhaltig bedrohen. Großbritannien hat sich für den Austritt aus der Europäischen Union entscheiden, deren tragende Säule es immer war. In Deutschland wird an Angela Merkel und der Mehrheit ihrer Koalition gerüttelt. In Österreich und in vielen anderen europäischen Staaten stellen populistische rechte Parteien deutlich wie nie den politischen Führungsanspruch. Und in Brüssel sitzt eine hilflose wie unbeholfene Führung, der nicht mehr einfällt als, wie erst kürzlich EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, zu lamentieren, dass es "an allen Ecken und Enden" brenne.

Aber nicht nur die Politik sorgt dafür, dass das Eis dünn ist, auf dem wir Party machen. Auch die Wirtschaft hat nicht die Kraft, jene Zuversicht zu nähren, dass es so weitergehen wird, wie bisher. In Europa zeigt sich längstens nach dem Scheitern von Renzis Referendum Anfang Dezember, dass die Eurokrise alles andere als bewältigt ist und jederzeit ihre Fratze wieder zeigen kann. Die Arbeitslosigkeit ist ein unbewältigtes Problem. Und weltweit wird vielen angesichts der Börsen mitunter schwindlig.

Es ist in diesem Jahr viel von dem in der Wirklichkeit angekommen, was sich lange angekündigt hat, was man falsch eingeschätzt hat, worauf man nicht reagiert hat und von dem man geglaubt hat, es aussitzen zu können. Der Populismus hat die Oberhand gewonnen und damit die postfaktische Politik, die auf Gefühle und Instinkte abzielt, aber nicht auf Fakten und Lösungen. Social Media wie Facebook und Twitter kamen zum Durchbruch und mit einem Mal wird über Eliten diskutiert, über eine gespaltene Gesellschaft und über das "System". Und das mit einer Macht und Intensität und oft auch mit einer Gehässigkeit, wie seit Jahrzehnten nicht. Verachtung, Hass und Geringschätzung blitzen durch. Und es werden Töne angeschlagen, die kaum je bisher zu hören waren. Sogar Worte wie "Bürgerkrieg" waren auf einmal in der innenpolitischen Diskussion.

Man staunte und musste lernen, wie schnell sich die Gesellschaft polarisieren kann. Man musste erkennen, wie schnell sich auch in einem Staat wie Österreich die Dinge drehen könnten, wenn jemand ans Ruder geriete, der sich nicht an die Gepflogenheiten hält, die bisher den Staat zusammenhielten. Man staunte, wie schnell man inzwischen darüber nachdenkt, das Bundesheer für polizeiliche Aufgaben einzusetzen. Früher hätte das eine breite Diskussion ausgelöst und wäre Österreichs unselige Vergangenheit beschworen worden, heute denkt man sich vielerorts, wie etwa bei den ÖBB, nichts dabei.

Es ist wohl so, dass der Populismus weltweit seinen Durchbruch geschafft hat. Für jene, die überzeugt sind, dass damit noch schwierigere Zeiten kommen, ist das schlimm. Lange werden sie nicht alleine sein. Denn auch für jene, die sich derzeit darüber freuen, wird es schlimm werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Dezember 2016

Donnerstag, 15. Dezember 2016

Das gute Österreich



Im Frühsommer, als klar war, dass die Bundespräsidenten-Stichwahl wiederholt werden musste, gab es für die zahllosen Ehrenamtlichen, die sich als Wahlbeisitzer um eine korrekte Abwicklung kümmerten, keinen Dank, aber jede Menge Häme. Bei der Wiederholung der missglückten Wahl Anfang Dezember war das anders. Da gab es von allen Seiten Dankesbekundungen dafür, dass sie sich Zeit genommen haben und dafür, dass sie die Aufgabe im öffentlichen Interesse übernommen hatten.

Gott sei Dank, denn allzu oft wird vergessen, dass ohne die ehrenamtliche Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land sehr viel nicht funktionieren würde -ganz abgesehen davon, dass sehr vieles sehr viel teurer wäre.

In kaum einem anderen Land setzt man bei der Bewältigung von Aufgaben, die eigentlich dem Staat zustünden, so sehr auf freiwillige Helfer wie in Österreich. Das gilt für das Feuerwehrwesen, das gilt für den Katastrophenschutz, für das Rettungswesen, für die Jugendarbeit und für viele soziale Bereiche bis hin zur Hilfe für die Flüchtlinge, die trotz aller Probleme und Anfeindungen von zahllosen Bürgerinnen und Bürgern unverdrossen als Dienst an der Menschlichkeit aufrechterhalten wird.

Es ist nur schwer auszumalen, wenn es all dieses Engagement in diesem Land nicht gäbe. In Österreich mag vieles nichts funktionieren wie es sollte und könnte, die ehrenamtliche Tätigkeit, die Übernahme von Hilfeleistungen und anderem funktioniert wie sonst nur wenig.

Mehr als 3,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher über 15, wurde erst kürzlich aus Anlass des jährlichen UN-Tages der Ehrenamtlichen von allen Seiten betont, engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich. Viele in eher gesellschaftlich orientierten Vereinen, in politischen und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, viele aber auch in Organisationen, die konkrete Hilfe anbieten. Sie bringen es auf rund 14 Millionen Arbeitsstunden pro Woche und sind im Schnitt gut 30 Tage pro Jahr fürs Ehrenamt tätig. Etwas Sinnvolles zu tun, zu helfen, Anerkennung zu bekommen - das sind in einer Gesellschaft, in der sich viele viel zu wenig beachtet fühlen, in der die Arbeit oft als sinnentleert und wenig wertgeschätzt empfunden wird, für viele Menschen die Triebfedern, sich ehrenamtlich zu engagieren.

"Ein wirklich wertvoller Schatz", nannte das der Vorarlberger Landeshauptmann einmal. Wie recht er hat. Es gibt nicht nur die raunzerische, die jammernde und die schimpfende Seite Österreichs und die, die nur auf sich und sonst aber wegschaut. Es gibt auch die gute, die, auf der geholfen wird, die, auf der man einander unter die Arme greift.

Das Engagement der Ehrenamtlichen zeigt die Kraft, die in diesem Land steckt und die man gerne öfters sehen und spüren würde. Sie zeigt, dass viele Menschen füreinander Verständnis haben und es vielen, viel mehr als man glauben mag, ein Anliegen ist, zu helfen, wo Hilfe notwendig ist. Und dass sie in der Tat bereit sind, dafür etwas zu tun.

Diese Seite der Österreicherinnen und Österreicher spiegelt sich übrigens auch in ihrem Spendenverhalten wider. Sonst schnell in heller Aufregung, wenn irgendwo die Preise und Gebühren antgehoben werden, bringen sie Jahr für Jahr fast schon zuverlässig immer neue Rekorde an Spenden, mit denen geholfen werden kann.

Das Interesse an ehrenamtlicher Tätigkeit ist dem Vernehmen nach im Wachsen. Vor allem junge Menschen zeigten sich vermehrt interessiert. Das ist gut so. Denn, auch das sagt im Umfeld des Tages des Ehrenamtes ein Verantwortlicher einer Hilfsorganisation, "es gibt ganz klar Bedarf an helfenden Händen".

Auch wenn sie hoch im Kurs stehen, in diesem Land brauchen die helfenden Hände Hilfe. Zu oft noch haben die Organisationen mit bürokratischen Hürden zu kämpfen, zu oft noch sind sie anderen Einrichtungen gegenüber benachteiligt. Und zu oft fehlt es ihnen auch an den nötigen Mitteln. Dabei wäre es oft einfach, den Helfern zu helfen. Die Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen wird da und dort gefordert, die steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen im Zusammenhang mit der Freiwilligenarbeit, die Anrechnung freiwilliger Tätigkeiten im Rahmen von Berufsausbildungen und Ähnliches.

Die Fortschritte könnten größer sein. Aber es gibt sie. Für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren ist in Hinkunft die Hepatitis-Impfung kostenlos.

Das lässt hoffen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Dezember 2016

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Sieger und Gewinner



Die Bundespräsidentenwahl hat einen Sieger. Was dennoch bleibt, ist die Frage: Wer hat gewonnen? Allzu blauäugig urteilt wohl ein Kommentator, der gleich nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses vollmundig davon schrieb, Österreich habe den weltweiten Siegeszug der Rechtspopulisten gestoppt. Da unterschätzt der gute Mann nicht nur die internationale Bedeutung Österreichs. Er unterschätzt wohl auch die rechten Kräfte in diesem Land und die FPÖ.

Darum ist man wohl gut beraten, die Kirche im Dorf zu lassen. Alexander Van der Bellen wird nun zwar Bundespräsident, was viele freut und vielen einen Stein vom Herzen fallen ließ. Aber anders geworden ist in diesem Land dadurch nichts. Die Probleme -von der Arbeitslosigkeit, über das Sozialsystem bis hin zu den Budgetsorgen -sind dieselben, wie sie auch am Freitag vor dem Wahlsonntag waren. Auch die gesellschaftlichen Gräben wurden nicht kleiner, an der Diskussion um Eliten und System ändert sich nichts, nichts an der Verrohung der Kommunikation und auch nicht am Phänomen der Wutbürger, die sich zunehmend in Schattengesellschaften heimisch fühlen, weil sie sich von der Politik übersehen und nur geringgeschätzt wähnen.

Festzuhalten ist, dass das, was da seit Sonntag von vielen als Sieg gegen Rechts, für Europa und weiß Gott was noch gefeiert wird, der größte Erfolg ist, den die Freiheitlichen je in Österreich erreicht haben. Denn so, wie sich Van der Bellen freuen darf, zwei Mal gewählt worden zu sein, können die Freiheitlichen darauf verweisen, zwei Mal fast fünfzig Prozent der Stimmen für ihren Kandidaten errungen zu haben.

Noch nie war in diesem Land der Unmut und die Unzufriedenheit so sehr in einem Wahlergebnis fokussiert. 46,7 Prozent der Stimmen für Hofer messen genau das Potenzial der FPÖ und ihres Obmanns HC Strache in diesem Land ab. Und je schwächer die beiden Regierungsparteien, desto größer ist der Anteil, den sie sich davon auch bei Nationalratswahlen oder in den Landtagen holen können.

Aber nicht nur das. Diese 46,7 Prozent stecken das Potenzial ab für politische Ziele und Inhalte, deren Umsetzung für Österreich weitreichende Folgen haben kann. Die Abwendung von der Europäischen Union und Skepsis gegenüber dem Euro gehören dazu, die Abschottung der Grenzen, eine Verschärfung des sozialen Klimas, ein weiteres Niederreißen der Hemmschwellen im Umgang miteinander und vieles andere mehr.

Die 46,7 Prozent zeigen, dass die Menschen für diese Themen ansprechbar sind, dass sie bereit sind, dafür ihr Wahlverhalten zu ändern und auch ihre angestammten Parteien im Stich zu lassen.

Was schlummert da unter der Decke der Gemütlichkeit und der Wein-und Bierseligkeit in diesem Land? Die 46,7 Prozent irritieren und werfen die Frage auf, ob diese Menschen vorher, als die Stimmen auch auf SP und VP verteilt waren, anders dachten und die Einstellungen andere waren. Und sie lassen einen fragen, ob dann wirklich alles besser ist, wenn sie bei den nächsten Wahlen wieder anders wählen, wenn sie nicht wie diesem einem FP-Kandidaten die Stimme geben, sondern sie sich aufteilen auf SP, VP und Freiheitliche -so wie in den vergangenen Jahren. Ist Österreich nur dann ein Land, in dem der Rechtspopulismus blüht und auf das ganz Europa schaut, wenn hier der freiheitliche Kandidat 46,7 Prozent der Stimmen auf sich vereinen kann? Oder auch dann, wenn die Leute, die diesmal Hofer wählten, demnächst bei der SP oder der VP das Kreuzerl machen? Sind die dann wirklich anders?

Gelöst ist mit diesem Sieg Van der Bellens in diesem Land wohl gar nichts. Allenfalls gibt es eine Verschnaufpause. Die Lösung aller Probleme dem Bundespräsidenten aufzubürden, wäre wohl allzu viel der Erwartung. Viele, die den politischen Diskurs und das gesellschaftliche Klima in diesem Land bestimmen, müssen von ihren hohen Rössern herunter und die Menschen, für die einzusetzen sie vorgeben, ernst nehmen.

Weil zu befürchten ist, dass das nicht so schnell der Fall ist, gilt wohl der Spruch "Nach den Wahlen ist vor den Wahlen". Die FPÖ hat bereits am sonntäglichen Wahlabend damit begonnen, die nächsten Wahlen aufzubereiten. Dass sie dabei starke Karten hat, zeigt nicht nur das Ergebnis der sonntäglichen Wahl in Österreich. Das zeigt auch das Ergebnis des Referendums in Italien, das bestätigte, dass der Unmut der Wähler kaum bezähmbar ist. Und dass damit gefährliche Politik gemacht werden kann. Von wem, ist gleich.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Dezember 2016

Freitag, 2. Dezember 2016

"Mit einer vollen Hose ist gut stinken"



In Österreich gibt es eine besondere Form der industriellen Landwirtschaft. Sie hat freilich nichts mit dem zu tun, wie man industrielle Landwirtschaft gemeinhin versteht. Hauptkennzeichen der österreichischen Variante ist, dass sie von landwirtschaftsfremden Industriellen und Wirtschaftskapitänen betrieben wird. Die eingesessenen Bauern ärgert das zunehmend.

In den vergangenen Jahren sorgten die branchenfremden Agrar-Investoren aus der Wirtschaft oft für Verärgerung, weil sie Grundstückspreise in für normale Bauern unerschwingliche Höhen trieben, um ihre Träume zu erfüllen. Genossen die Ihren Besitz möglichst diskret und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, so sind es nun immer öfter Investoren, die meinen, sie müssten der Öffentlichkeit und der eingesessenen Landwirtschaft zeigen, wie man es macht und wie es geht. Über eine perfekte Marketing-Maschinerie präsentieren und inszenieren sie sich in oft missionarischem Eifer als Vorzeigebauern, die alles besser wissen und machen und die damit die eingesessene Bauernschaft oft als nichts denn dumm und unfähig aussehen lassen.

"Mit einer vollen Hose ist gut stinken", heißt es am Land gerne in solchen Fällen.

 Die Familie Dichand macht das seit langem mit dem Csardahof im Burgenland, bei dem nach wie vor ein gewisser Werner Lampert als Geschäftsführer im Firmenbuch steht. Im oberösterreichischen fühlt sich ein Großfleischhauer aus dem Alpenvorland seit einiger Zeit berufen, den Bauern auf seinem "Musterhof" , einem riesigen und teuer renovierten Vierkanter, zu zeigen, wie "Hofkultur" geht. "Artgerecht Haltung ist uns nicht genug", heißt es werbewirksam auf der Homepage und "Wir geben jedem Tier deutlich mehr Zeit zum Heranwachsen". In stylischen Bildern wird vom Metzgersohn und seiner Freundin eine Landwirtschaft gezeigt, die sich nur leisten kann, wer einige Millionen auf der Seite hat. Das ist zwar durchaus beeindruckend, dass sie auf Kosten der Bauern Image machen, ficht sie wohl nicht an.

Auch eine Salzburger  Brauerei hat die Landwirtschaft als Image-Vehikel entdeckt, sich im Innviertel ein Gut zugelegt und macht in Bio. "Durch diese Form der Landwirtschaft können sich die Böden erholen und die Humusschicht wieder aufgebaut werden", lässt man in ganzseitigen Zeitungs-Inseraten wissen, ganz so, als ob anderen Bauern das nicht auch ein Anliegen wäre.

Die normalen Bauern in diesem Land, die keine Millionen auf der Seite haben, die mit der Agrarpolitik und Preisen hadern, mit der Allmacht des Handels und mit all den Vorschriften und Auflagen, die für sie oft nicht denn Qual sind, stößt das zunehmend sauer auf. Da wird auf ihre Kosten der breiten Öffentlichkeit vorgegaukelt, was in der Realität, zumal in jener eine durchschnittlichen österreichischen Landwirts, nicht umsetzbar ist. Da ist kein Wunder, dass für sie in der Öffentlichkeit der Rechtfertigungsdruck immer größer wird.

Da ist den Bauern die Schadenfreude nicht zu verargen, wenn einer dieser selbsternannten Millionenschweren Superbauern einen Super-Flop hinlegt. Geschehen kürzlich im Mühlviertel, wo ein Bauindustrieller um dem Vernehmen nach mehr als zehn Millionen Euro einen Musterhof hinstellte der alle Stückerl spielt. Er haute ganz groß auf die Pauke. "Ethisch ist das neue Bio", tönte er.

Jetzt ist legte sein Bauunternehmen die größte Pleite des Jahres in Oberösterreich hin. Schuld könnten, vermuten manche, die Millionen-Kosten für den Bauernhof sein.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 2. Dezember 2016

Bauern denken wieder an Investitionen



Die Erholung der Milch- und Fleischpreise lässt die seit Jahren krisengebeutelte Landtechnikbranche hoffen. Nach dem Tief mit kräftigen Einbußen keimt wieder Zuversicht.

Hans Gmeiner

Wels. „Es sind spannende Tage“, sagt Karl-Heinz Denk, Verkaufschef von Schauer Agrotronic, dem größten heimischen Stall-Hersteller. Er betrachtet die landwirtschaftliche Fachmesse Agraria, die noch bis zum Samstag in Wels stattfindet, für die Landtechnikbranche als Stimmungsbarometer. „Danach werden wir mehr wissen.“

Die Branche steckt in einem hartnäckigen Tief. Die Krise in der Landwirtschaft und die seit fünf Jahren in Folge nicht nur in Österreich rückläufigen Bauerneinkommen machen den Herstellern zu schaffen. Denn angesichts leerer Kassen stehen die Bauern bei Investitionen auf der Bremse. Die Ausgaben für Landtechnik und landwirtschaftliche Bauten lagen schon im Vorjahr mit rund 1,86 Mrd. Euro um fast 20 Prozent niedriger als noch drei Jahre zuvor. Heuer hat sich die Entwicklung fortgesetzt. „Von einer Juhu-Stimmung ist derzeit nichts zu spüren“, sagt Hubert Huber, in Oberösterreich für die Abwicklung der landwirtschaftlichen Investitionsförderungen zuständig.

In der Landtechnikbranche hat diese Entwicklung tiefe Spuren hinterlassen. Im Sommer schlitterte der Pflughersteller Vogel&Noot in die Insolvenz. Bei Schauer Agrotronic etwa schrumpfte der Umsatz in den vergangenen vier Jahren von rund 50 auf 35 Mill. Euro. Der Landtechnikhersteller Pöttinger musste bei Grünlandmaschinen für die Milchbauern, dem wichtigsten Standbein in der Produktion, Einbußen von zwölf Prozent hinnehmen. Und die Traktorenhersteller müssen sich auf einem Markt zurechtfinden, der binnen vier Jahren um ein Drittel geschrumpft ist.

In vielen Unternehmen produziert man seit Jahren nur mehr gebremst, manche Betriebe mussten sogar Mitarbeiter abbauen. Dabei ist die Branche alles andere als verschlafen. Unternehmen wie Pöttinger, Steyr-Case, Schauer Agrotronic, aber auch Einböck oder Reform erzielen einen Großteil ihres Umsatzes im Export und zählen international zu den Trendsettern.

An die 50 Unternehmen mit mehr als 5600 Mitarbeitern sind in Österreich in der Produktion von Landtechnik aktiv. Der gesamte Jahresumsatz der Branche liegt bei rund zwei Mrd. Euro. Die Nerven wirft man trotz der angespannten Lage nicht weg. „Für uns sind solche Entwicklungen nicht neu“, sagt Branchensprecher Heinz Pöttinger. Er erwartet, dass die Abwärtsentwicklung den Boden erreicht hat. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet er für sein Unternehmen keinen weiteren Umsatzrückgang.

Pöttinger ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Die Milchpreiserhöhungen der vergangenen Monate und die Erholung der Schweinepreise nähren die Hoffnung auf eine Wende. „Wir sind zuversichtlich, dass der Traktorenmarkt nicht mehr weiter schrumpft“, sagen Andreas Klauser und Rudolf Hinterberger von Case-Steyr. „Wir haben das Tal der Tränen hinter uns“, sagt auch Karl-Heinz Denk. Und auch Karl Deschberger, als Landtechnik-Händler im Innviertel direkt an der bäuerlichen Front, ortet nun ein „wieder erwachendes Interesse“.

Die Zuversicht hat freilich längst noch nicht alle erfasst. Stefan Mayerhofer, Technik-Vorstand der RWA, glaubt nicht, dass die Talsohle bereits erreicht ist. Nach einem Rückgang von fünf Prozent in seiner Lagerhaus-Gruppe im Technikbereich rechnet er auch 2017 mit einem Minus in dieser Größe.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Dezember 2016

Donnerstag, 1. Dezember 2016

Die Kugel ist aus dem Lauf



Nach elf Monaten und drei Wahlkämpfen ist wohl alles geschrieben und gesagt worden. Man hat vieles erfahren, was man gar nicht erfahren wollte. Vieles, vor dem man sich fürchten kann und manches, das Sorgen macht. Und man hat vieles gesehen und gehört, was man für unmöglich gehalten hätte. Etwa, dass jemals ein Kandidat für die Position des Bundespräsidenten von Österreich, der schon einmal eine Pistole trägt, wenn ihm danach ist, in einem Interview ausdrücklich sagt, dass er im Amt, so er denn gewählt wird, auf das Tragen von Waffen verzichten will. Oder, dass man einen Alexander van der Bellen jemals in einem Trachtenanzug sieht. Nichts, aber schon gar nichts wurde ausgelassen.

Alles vorbei, am kommenden Sonntag wird gewählt. Die Dinge nehmen ihren Lauf, ohne jetzt noch großartig beeinflusst werden zu können. Die Kugel ist, sozusagen, aus dem Lauf. Aber auch, wenn alles gesagt worden ist, was wirklich kommt, weiß man dennoch nicht, wie der Wahlsieger -all der Ankündigungen und Versprechen zum Trotz -das Amt auslegen wird.

Wie noch keiner ihrer Vorgänger je zuvor haben beide Kandidaten davon geredet, starke Bundespräsidenten sein zu wollen und sind damit auf Stimmenfang gegangen, sich als Korrektiv zur Regierung positionieren und auch ins Tagesgeschäft eingreifen zu wollen. Was von diesen Versprechungen Wirklichkeit wird, ist schwer abzuschätzen, wenn sie auf die Anforderungen der Realpolitik treffen.

Fix ist nur, dass am Montag das Land ein anderes sein wird. Groß ist die Gefahr, dass Dämme brechen. Und das ganz gleich, welcher der beiden Kandidaten mehr Stimmen bekommt. Nach dem nicht nur längsten, sondern auch wohl hässlichsten Wahlkampf in der Geschichte des Landes scheint die Gefahr in der Tat groß, dass es im Land zu einer Zerreißprobe kommt. Weniger in der Politik, viel eher aber in der Gesellschaft. Quer gehen die Gräben durchs Land zwischen den Hofer-Befürwortern und denen, die mehr auf Van der Bellen halten, zwischen Stadt und Land, zwischen oben und unten.

Die Stimmung wurde in den vergangenen Wochen und Monaten oft unverantwortlich angeheizt. Grenzen des Anstands wurden gesprengt. Schon jetzt ist die Polarisierung nicht zu übersehen. Sie in den Griff zu bekommen, mit ihr umzugehen, ist wohl die größte Herausforderung, der sich nicht nur die Politik, sondern alle gesellschaftlich relevanten Kräfte in diesem Land und jeder Einzelne stellen muss.

Das gilt in erster Linie für jene, die auf der Verliererseite stehen werden. Für sie gilt es, wie für ihren Kandidaten, auch wenn es ihnen noch so schwer fällt, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Das gilt aber, vielmehr möglicherweise sogar, auch für den Sieger und sein Gefolge. Alles zertrampelndes Triumphgeheul, das Begleichen offener Rechnungen und das Niederreißen der letzten Scham- und Anstandsgrenzen im Umgang mit politisch Andersdenkenden ist das Letzte, was dieses Land braucht. Es muss dabei immer um die Verantwortung für das Ganze gehen und nicht um Teilinteressen. Es muss immer Wege und Brücken geben, damit es weder Land noch Gesellschaft zerreißt. Angesichts dessen, wie sich die Stimmung in den vergangenen Wochen und Monaten aufgeheizt hat, wie sie Rückenwind bekam von internationalen Entwicklungen, vom Brexit, über das Erstarken der Rechten in Europa bis hin zu den US-Präsidentschaftswahlen, ist das wohl die größte Herausforderung.

Der Kampf um das Bundespräsidentenamt, dessen Sinn und Bedeutung kaum jemand in diesem Land schlüssig zu erklären vermag, zwischen zwei Männern, die seinerzeit monatelang zur Kandidatur für dieses Amt gedrängt werden mussten, hinterlässt viele Fragen und viele Spuren. Es gibt die Einschätzung, dass all die Untergriffe, die Wahlanfechtung und zahlloses andere mehr, das wir erleben und ertragen mussten, das Ansehen der Politik in diesem Land beschädigt und geschwächt haben. Mag sein, stärker wird die Politik damit wohl wirklich nicht gewesen sein. Es hat aber kaum einen Wahlgang gegeben, der die Bedeutung der Politik so drastisch vor Augen geführt hat, wie diesen. Kaum je war so klar zu erkennen, wo die gesellschaftlichen Linien gehen und auf welcher Seite die eine Hälfte des Landes steht und was sie anstrebt und auf welcher Seite die andere.

Was bleibt ist Unsicherheit. Was verlangt ist, ist Umsicht und Gelassenheit. In jedem Fall und von jeder der beiden Seiten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. Dezember 2016
 
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