Freitag, 7. Oktober 2016

Zukunft im wirtschaftlichen Biedermeier?



Das Glück in den eigenen vier Wänden, die zum Rückzugsort wurden, stand im Vordergrund. Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit, Treue und Pflichtgefühl wurden hochgehalten. Die bürgerliche Familienstruktur war patriarchalisch. Man beschäftigte Personal für die Arbeiten im Haus. Und man vermutet, dass damals der Ausdruck Gemütlichkeit eingeführt wurde. Mit diesen Worten und Begriffen beschreibt Wikipedia das Biedermeier, die Zeit des Vormärz zwischen 1815 und dem Revolutionsjahr 1848.

Klein, selbstzufrieden, überschaubar und übersichtlich - das war es, was damals das Leben prägte.

Nun scheint es wieder soweit sein. Zumindest in der Wirtschaftspolitik, zumindest, wenn es wenn es danach geht, was sich immer mehr Menschen, aber auch immer mehr Politiker wünschen. Klein, überschaubar, übersichtlich und abgeschottet. Und sehr selbstzufrieden.

Und das nicht nur in Österreich, wo der Widerstand gegen die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA mittlerweile kaum mehr verhüllt regierungspolitische Linie geworden ist. Auch international ist die Globalisierung ins Gerede gekommen. Da und dort wird bereits ihr Ende ausgerufen. Protektionistische Strömungen werden immer stärker. Allerorten will man die Grenzen hochziehen. Weltweit sinkt die Offenheit gegenüber dem Freihandel, weltweit wächst die Skepsis, weltweit wächst die Wut. Man fühlt sich überrollt von der Entwicklung, man versteht die Zusammenhänge nicht, man fühlt sich als Verlierer, auf dessen Rücken andere Geld und Profit machen, während man selbst nicht mehr zurande kommt. Man glaubt an dunkle Mächte und böse Geister, die den Gang der Weltwirtschaft in finsteren Kammern ausbaldowern.

Man sehnt sich nach Übersichtlichkeit und nach Überschaubarkeit, man will die böse Konkurrenz am liebsten aussperren auf den Märkten für Waren und Dienstleistungen und auf dem Arbeitsmarkt und man will sich im eigenen Land nicht dreinreden lassen. Alle Eigenschaften, die  seinerzeit die Lebenskultur des Biedermaier kennzeichneten, scheinen nun vielen als Eckpunkte der künftigen wirtschaftlichen und politischen Kultur zu gelten. Dass im Biedermaier der Mann das uneingeschränkte Familienoberhaupt war und man sich ein paar Beschäftigte für die Verrichtung der täglichen Arbeit hielt, passt zur Sehnsucht, die heute viele Menschen nach einer starken poltischen Führungsfigur haben und dazu, dass man Ausländer allenfalls als Arbeitskräfte sieht.

Es sind die populistischen Führer rund um den Globus, die diese Sehnsüchte bedienen und mit ihnen immer offener und immer dreister ihr politisches Spiel spielen. Von unserem HC Strache, über die deutsche Frauke Petry, über Frankreichs Marine LePen und Hollands Geert Wilders bis hin zu Donald Trump.

Und es sind die Führer der westlichen Welt, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten am Ruder waren, die es verabsäumt oder nicht verstanden haben, den Menschen den Wert der Globalisierung zu erklären, sie für dieses Konzept zu gewinnen und die sie wohl viel zu oft auch nicht ernst genommen haben. Stattdessen ist man lieber allzu oft den leichteren Weg gegangen und hat sie mit Entscheidungen einfach überfahren, ohne auf Einwände ,wie die unterschiedliche Verteilung des Nutzens, einzugehen und hat damit alles Vertrauen verspielt.

Genau das macht rechts- wie linkspopulistischen Führer jetzt so sehr zur Bedrohung für die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsene Weltordnung. Erst diese Ignoranz und dieses Versagen gibt ihnen den Rückenwind, die Macht an sich zu ziehen. Schon jetzt warnt die OECD, dass der Welthandel immer schwächer wächst und der Widerstand gegen die Globalsierung zunimmt.

Dabei könnte sich die Bilanz der Globalisierung durchaus sehen lassen. Aber da ist keine Rede davon, dass die Weltbevölkerung ernährt werden kann, obwohl sie sich seit 1950 verdreifacht hat, dass der Anteil der Armen kontinuierlich sinkt oder dass in Europa nicht von einem Sozialabbau geredet werden. Und auch nicht davon, dass Österreich zu den ganz großen Profiteuren zählt und der Globalsierung hundertausende Arbeitsplätze zu verdanken hat.

Aber es gibt eben auch Verlierer und Ängste. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern mitten unter uns. Dass sie sich nach einen Wirtschafts-Biedermaier sehnen, ist verständlich. Es sollte daher alles getan werden, ihnen diese Ängste zu nehmen, indem man sie ernst nimmt. Schon einmal haben sich die Werte des Biedermeiers als untauglich erwiesen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Oktober 2016

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