Donnerstag, 27. Oktober 2016

Wir Armen wir



Geld kann man nie genug haben. Schon gar nicht in der Konsumgesellschaft, in der wir leben. Da steht, für die meisten Menschen zumindest, nicht mehr die Finanzierung der nötigsten Bedürfnisse im Vordergrund, sondern da geht es zumeist oft viel mehr darum, mit dem zur Verfügung stehenden Geld so viele Bedürfnisse und Gelüste wie nur irgend möglich zu befriedigen. Nicht zuletzt deshalb ist Geiz so geil geworden, wie uns die Werbung suggeriert, schafft man sich damit doch Spielraum, um vom Konsumangebot noch ein etwas größeres Stückerl leisten zu können. Der kleine Urlaub zwischendurch soll sich noch ausgehen, noch eine Jeans, der vierte Fernseher und das neues Handy auch. Wird ja gerade zum Diskonttarif angeboten.

Mitunter drängt sich der Eindruck auf, die ganze Gesellschaft sei auf Schnäppchenjagd. Hauptsache billig muss es sein, Hauptsache man kann noch etwas in den Einkaufskorb hineinstopfen. Und dennoch weiß jeder beredt darüber Klage zu führen, dass die Zeiten schlechte seien und der Euro alles teurer gemacht habe. Und das sind meist nicht jene, die wirklich jeden Cent umdrehen müssen, die so reden.

Die Aufregung ist schnell groß, wenn sich etwas bewegt in diesem Gefüge, das die Erfüllung der Träume bedrohen könnte. Erst in der Vorwoche präsentierte die Statistik Austria die jüngste Konsumerhebung. Da wurde in den Medien über die überproportional steigenden Ausgaben fürs Wohnen berichtet und darüber Klage geführt, dass sich die Österreicher "immer weniger leisten" könnten. Es wird wohl auch so sein. Die Aufregung verwundert dennoch oft, wenn man sich vor Augen führt, was man sich so alles leistet in diesem Land und wofür trotz allen Jammerns Geld da ist.

In einer Zeitung war just auf derselben Seite, wo sich der Bericht über die Konsumerhebung der Statistik Austria fand, eine Meldung zu lesen, derzufolge in Österreich trotz der Schockbilder auf den Packungen, ganz im Gegensatz zu Deutschland, nicht weniger Zigaretten verkauft würden. Im Sommer erst wurde bekannt, dass Österreichs Haushalte mehr Geld für Erotikartikel ausgeben als für berufliche Weiterbildung. Als bezeichnend für den Zustand der Republik und ihrer Bewohner kann man auch interpretieren, dass für Grabpflege und Beerdigungen von privaten Haushalten hierzulande mehr Geld ausgegeben wird als für Bildung. Zudem klingen die Berichte über hohe Glücksspielumsätze, über übervolle Schuhregale und über überquellende Kleiderkästen im Ohr, vollgestopft oft mit Stücken, die kaum mehr als ein, zwei Mal getragen wurden.

Viel Raum zur Interpretation lässt auch, dass die Ausgaben für Urlaub und Freizeit in Österreich über den Aufwendungen für Lebensmitteleinkäufe liegen. Die Bauern leiden darunter, wenn sie zuschauen müssen, wie ihre Produkte schier permanent im Aktionsmodus verramscht werden und jede Preiserhöhung etwa bei Milch oder Fleisch, und seien es nur um ein paar Cent, im Handumdrehen in Zeitungsschlagzeilen oder von Konsumentenschützern thematisiert und oft sogar skandalisiert wird. Und da reden sie noch gar nicht darüber, dass ein Drittel der Waren, die so vielen Konsumenten als zu teuer gelten, ohnehin im Müll landen. Aber vielleicht müssen sie genau deswegen so billig sein.

Die Gewichte haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschobenen. In all dem "Geiz ist geil"-Furor ist die Diskussion über den Umgang mit Geld, über dessen nachhaltige Verwendung, über die Wertigkeit von Produkten und Dienstleistungen und über das Sparen unter die Räder gekommen.

Aber nicht nur da ist jede Mühe vergebens, wenn man versucht die Folgen des billigen Konsums zu thematisieren. Auch in der Politik ist das kein Thema mehr. Wer spart, wird nicht belohnt. Im Gegenteil. Auf den wird zugegriffen. Und das nicht nur, wenn es um die Kapitalertragsbesteuerung geht oder wenn Pläne von einer Vermögenssteuer ventiliert werden. Da werden etwa im Sozialbereich die, die sich um nichts kümmern, genauso behandelt, wie jene, die Zeit ihres Lebens sparten. Im Gegenteil sogar. Wer etwas auf die Seite gelegt hat, zahlt eher drauf, während der, der ohne Not alles durchgebracht hat, genau dasselbe bekommt.

Das fügt sich in die Anspruchsmentalität, die sich in den vergangenen Jahren so rasant verbreitet hat und mit der man gelernt hat, alle Möglichkeiten auszunutzen. Das Motto dafür kommt aus der gleichen Ecke wie "Geiz ist geil" - "Ich bin doch nicht blöd, Mann!"

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 27. Oktober 2016

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