Mittwoch, 4. Mai 2016

Vollmundig in den Super-Gau



Es war das, was wohl als nichts, denn als ein agrarpolitischer Super-Gau zu bezeichnen ist. "Wir reden sicher in der Größenordnung von 100 Millionen Euro, die da notwendig sind für Österreich", tönte Österreichs Landwirtschaftsminister nach einem Gespräch mit dem EU-Agrarkommissar vor dem EU-Milchgipfel im vergangenen September. "Der Kommissar war sehr offen unseren Vorstellungen gegenüber". Zwei Wochen später war gewiss, dass es nicht einmal die Hälfte der 100 Millionen als Hilfe für die heimischen Milchbauern gibt, sondern nur sieben Millionen. Und seit Ende März ist klar, wie wenig das wirklich ist.
 
Nicht viel mehr als 100 Euro bekommt bei uns ein durchschnittlicher Milchbauer mit 18 Kühen und 100.000 Kilogramm Jahreslieferung, dem im vergangenen Jahr ein Viertel der Einnahmen, rund 10.000 Euro, wegen des Preisverfalls weggebrochen sind. 54 Euro Basisprämie je Milcherzeuger, dazu pro Kuh rund 3,30 Euro.
 
Es ist bisher die einzige Hilfsmaßnahme, die unmittelbar bei den Milchbauern angekommen ist. Dass es nicht mehr ist, ist nicht die Schuld des Landwirtschaftsministers. Die EU-Vorschriften ließen es nicht anders zu. Was freilich verwundert ist, dass just er, der wie kein heimischer Agrarpolitiker die EU von innen kennt und wissen müsste, was möglich ist und was nicht, die Möglichkeiten so falsch einschätzte. Denn möglich ist offenbar nicht viel. Es gab viele Initiativen, darunter auch welche, die von Rupprechter kamen oder bei denen er dabei war. Aber es gab kein Durchkommen. Die finanzielle Situation der Gemeinschaft ist angespannt, die agrarpolitischen Interessen der Länder driften immer weiter auseinander und an der Schaltstelle sitzt ein Kommissar, dessen Verständnis für Bedürfnisse der Bauern in Österreich sehr überschaubar ist.
 
Das alles macht eine wirksame Hilfe gegen die Krise auf den Agrarmärkten, die ja auch die Schweine- und die Ackerbauern in ähnlicher Wucht trifft, so schwierig. Rupprechter hat es schwer in diesem Umfeld, das sei konzediert. Mehr politisches Gewicht in der Europäischen Agrarpolitik hätte man ihm aber als früherem Spitzenbeamten in Brüssel freilich zugetraut.
 
Viele Beobachter sehen inzwischen die EU insgesamt bedroht. Die Lage ist angespannt wie noch nie und wohl auch die Gefahr, dass die Union auseinanderbricht, wie das von immer mehr, auch Landwirten, nachgerade herbeigesehnt wird. Davor sei freilich eindringlich gewarnt, auch wenn man mit der europäischen Agrarpolitik alles andere als zufrieden sein kann. Österreich hätte vom Ende des gemeinsamen Marktes und der gemeinsamen Agrarpolitik wohl viel mehr Nachteile zu befürchten, als es Vorteile gäbe. Ganz besonders gälte das für die Milchbauern, die derzeit so sauer sind auf die EU. Sie produzieren um rund 50 Prozent mehr, als in Österreich gebraucht wird und sind daher wie kein anderer Agrarzweig auf Exporte angewiesen.
 
Auch wenn es derzeit finster ausschaut, bei Licht betrachtet gibt es keine Alternative zur EU. Auch für die Bauern. Realitätssinn ist von ihnen genauso gefordert, wie von Agrarpolitikern mit oft großspurigen Ankündigungen und bei den Bauern bei ihrer Position auf den Märkten. Sonst droht der nächste Super-Gau.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land Mai 2016, 4. Mai 2016

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