Donnerstag, 28. April 2016

Überzeugung oder Verlegenheit?



Es war, als ob alle inklusive der staatlichen Rundfunkanstalt mit allem Nachdruck noch einmal im Schnelldurchlauf vor Augen führen wollten, warum die Bevölkerung so genug hat von ihnen. Von der SPÖ und von der ÖVP und von den Politikerinnen und Politikern, die sie repräsentieren. Und warum die Privatsender in diesem Land erfolgreich sind. Sie haben sich regelrecht selbst vorgeführt, als wollten sie die Entscheidung, die die Wählerinnen und Wähler tagsüber getroffen haben, nachgerade bestätigen.

Die wohl größte Chuzpe legte der Parteisekretär der Sozialdemokraten an den Tag, der das Wählervolk ohne allzu große Umschweife und kaum versteckt für dumm erklärte. "Die Wählerinnen und Wähler sind unseren Argumenten nicht gefolgt", sagte er mit einem Anflug von Überheblichkeit in die Kameras. Der Klubobmann der nicht weniger geschlagenen Volkspartei stand ihm um nichts nach, als er die Meinungsforschung als erste nannte, als er gebeten wurde zu erklären, warum es zu dem kam, was spiegel.de "Volksparteien zerlegten sich" nannte. Und man wollte sich die Ohren zuhalten, als all die anderen Granden der Verliererparteien versicherten, jetzt aber wirklich arbeiten zu wollen, zusammenzurücken und neu zu starten.

Nur folgerichtig für diesen Sonntagabend im April 2016, der wohl eine Zäsur in der österreichischen Geschichte markieren wird, war da die Performance des staatlichen Rundfunks, der über Jahrzehnte die Berichterstattung an Wahlabenden so dominierte wie Rot und Schwarz das Land und selbst Teil des Systems. Wie diese Parteien und ihre Kandidaten schauten auch die Staatsfunker aus wie aus der Zeit gefallen. Der Puls der Zeit war anderswo zu spüren. Während die ORF-Seher mit Sekretär-Interviews aus den Parteizentralen abgespeist wurden, gab Griss das erste Interview einem Privatsender. Und während der ORF-Moderator noch das "erste Aufeinandertreffen" von Hofer und Van der Bellen "in wenigen Minuten bei uns" ankündigte, standen die beiden schon längst bei den Privaten Rede und Antwort.

Aber, so wie die privaten Sender erst beweisen müssen, dass sie nicht nur schneller, sondern auch besser sind als der ORF, müssen auch die Kandidaten, respektive die Parteien, die hinter ihnen stehen, erst zeigen, ob sie es wirklich besser können. Ob sie wirklich die Wende für dieses Land schaffen, die offenbar von vielen gewünscht wird. Ob sie einen anderen Stil und eine andere politische Kultur bringen können, ob sie die auch durchsetzen können und ob sie die Erwartungen erfüllen können und die Hoffnungen.

Das Ergebnis des ersten Wahlgangs am Sonntag wird gemeinhin als Absage an die seit Jahrzehnten das Land beherrschenden SPÖ und ÖVP gewertet. Es wird aber kaum gefragt, warum es aber zu diesem Ergebnis gekommen ist. Wählten die Österreicherinnen und Österreicher am vergangenen Sonntag Hofer und Van der Bellen und auch Griss tatsächlich aus Überzeugung, weil sie ihnen zutrauen, das zu tun, was Österreich braucht und was das Land voranbringt? Oder wählten sie sie doch nur aus purer Verzweiflung und Verlegenheit, weil sie in die SPÖ und in die ÖVP endgültig jedes Vertrauen verloren haben?

Vorsicht scheint angebracht. Und Zweifel auch. Denn auch die, von denen man jetzt einen Neuanfang erwartet, sind Produkte des Systems, das von so vielen Wählerinnen und Wählern inzwischen so vehement abgelehnt wird. Allenfalls unterscheidet sie von der SPÖ und der ÖVP, dass sie bisher noch kaum etwas zu sagen hatten in diesem Land, dass sie kaum je Verantwortung übernehmen mussten und dass sie ungeniert und mit mehr oder weniger lauten und rüden Tönen Opposition spielen und so Stimmen sammeln konnten.

Die FPÖ ist eine traditionelle Partei und seit sechs Jahrzehnten im politischen Wettbewerb und hat trotzdem in vielen Regionen mit strukturellen Problemen und mit Personalmangel zu kämpfen. Es gibt wenige Leute, die die Partei führen und die anschaffen und die das nötige Rüstzeug mitbringen. Dahinter aber klafft eine riesige Lücke.

Und auch die Grünen gehören, auch wenn sie das selbstverliebt anders sehen, längst zum Partei-Establishment in diesem Land. Und man redet längst so wie jene, die man gerne kritisiert. Eva Glawischnig lieferte am Sonntagabend eindrückliche Beispiele dafür.

Ist das Einzige, was die Grünen von SPÖ und ÖVP unterscheidet, dass sie, respektive die Kandidaten, gerade in der Gunst der Wählerschaft stehen?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. April 2016

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