Donnerstag, 17. März 2016

Schuss ins Knie



Es geht gerade ein Aufschrei durch das Land. Wieder einmal. Diesmal sind es die Vereine, die lautstark ihren Unmut kundtun. "Trachtler im Schwitzkasten der Bürokraten", heißt es da. Oder: "Man ruiniert die Vereine." Oder: "Wir verlieren jede Menge an freiwilligen Helfern, die ehrenamtlich mitarbeiten und sich die Zettelwirtschaft nicht mehr antun wollen."

Die Registrierkassenpflicht war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Längst sind die Vorschriften und die Bürokratie auch für die Vereine und Freiwilligen-Organisationen zu einem schier undurchdringlichen Dschungel geworden. Überzogene Hygiene- und Sicherheitsauflagen, Finanzstrafen und viele andere Untergriffe zerren an Nerven und Geduld der Verantwortlichen. Finanz und Krankenkassen fahnden nach Beitragszahlern, Berufsvereinigungen wittern verdeckte Schwarzarbeit, die Gerichte urteilen streng bei Schadenersatz und strafrechtlicher Haftung. Reihenweise werden derzeit Veranstaltungen abgesagt, weil es den Verantwortlichen und allen anderen, die sich freiwillig für einen gute Sache engagieren wollen, reicht.

Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, als wolle man vorsätzlich jede Eigeninitiative ausradieren. Da ist nichts mehr von der "Ehrensache Ehrenamt". Das Maß scheint verloren gegangen zu sein. Freilich sind in den vergangenen Jahren mitunter Missstände eingerissen. Und freilich sind die Klagen vor allem der Gastwirte verständlich, die, selbst von der Bürokratie geknechtet, in den Aktivitäten von Vereinen oder anderen Gemeinnützigen Organisationen zuweilen eine unlautere Konkurrenz sehen. Aber statt auch dort für Entlastung zu sorgen, tut man alles, um auf der anderen Seite den Bogen zu überspannen.

Es ist nicht viel geblieben von den Reden, die man noch vor fünf Jahren aus Anlass des Jahres der Freiwilligenarbeit geschwungen hat. Da gilt eher der Satz: "Der bürokratische Drang, alles bis ins kleinste Detail zu regeln, verhindert oft vernünftige und menschliche Lösungen."

Das verwundert nicht in einem Land wie Österreich, das aus Tradition zu einem übergroßen Maß an Bürokratismus neigt. Das verwundert aber in einem Land wie Österreich, in dem so viele zentrale Aufgaben des öffentlichen Lebens auf Freiwilligen-Organisationen verteilt sind. Das beginnt bei der Feuerwehr, geht übers Rettungswesen, in viele Bereiche der sozialen Hilfe und reicht bis hin zu den vielen Festen und Veranstaltungen, an denen in vielen Landstrichen der Tourismus hängt, und mit denen viele der ehrenamtlichen Gruppen selbst Geld für die Erfüllung ihrer Aufgaben und Ziele auftreiben.

Dass man genau diesen Gruppen und Organisationen das Leben immer schwerer macht, ist nur schwer verständlich. Es verhält sich wie mit dem sprichwörtlichen Schuss ins Knie. Denn dass sie mit ihrer Arbeit dem Staat viel Geld ersparen, wird genauso ausgeblendet, wie man die Bemühungen, sich zumindest zu einem Teil selbst zu finanzieren, ganz offensichtlich nur sehr gering schätzt.

Das ist schade, aber das fügt sich ins Bild. Denn diese Diskrepanz zwischen den öffentlichen Bekundungen und dem tatsächlichen Handeln tut sich nicht nur beim Ehrenamt auf. Sie gilt bei allem, was in diesem Land mit Eigeninitiative zu tun hat. "Geht nicht", heißt es da zuallererst, "gibt's nicht" und "Vorschrift ist Vorschrift". Alles scheint allein darauf angelegt, etwas zu verhindern und nur wenig darauf, unterstützend und helfend für die Umsetzung eines Vorhabens oder Anliegens zu wirken.

Nicht viel anders ist es mit der Leistungsbereitschaft, die immer wieder eingefordert wird. Leistung zählt dennoch wenig in diesem Land. Wir wissen es. Besonders eindrücklich beschreibt ein Beispiel einer jungen Maturantin, was schief läuft, das dieser Tage in einer Zeitung zitiert wurde. Dass sie das Maturajahr mit ausschließlich "Sehr gut" abschloss, wird hierzulande nicht honoriert. Auch für sie führte kein Weg am Aufnahmetest für das Medizinstudium vorbei, der nicht zuletzt deswegen notwendig wurde, weil es zahllose deutsche Numerus-Clausus-Flüchtlinge wegen ihres schlechten Noten-Durchschnitts einfach in Österreich probieren, doch noch zu einem Studienplatz zu kommen.

Die junge Wienerin wollte das nicht akzeptieren. Sie drehte den Spieß um und bewarb sich in Düsseldorf. Dort wurde sie sofort genommen. In Österreich wird sie später wohl kaum arbeiten.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 17. März 2016

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1