Donnerstag, 25. Februar 2016

Und was ist mit der Integration?



Österreich kocht. Das Land scheint sich nur mehr mit einer Frage zu beschäftigen - wie hoch sollen die Zäune sein, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen und wo sollen sie noch überall gebaut werden? Die Vorschläge überschlagen sich, die Töne werden zusehends schriller und das Verhalten der Menschen auch. Selbstverteidigungskurse boomen, Waffenverkäufe auch und auch die von Pfefferspray.

In diesem Furor, in den sich Politik, Medien und immer größere Teile der Gesellschaft hineinsteigern, ist die noch viel größere Herausforderung völlig aus dem Fokus geraten. Die Integration der knapp 80.000 Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten in Österreich aufgenommen wurden, wird in einer Weise vernachlässigt, die nichts denn fahrlässig zu nennen ist.

Die Muster gleichen jenen, die bei der Bewältigung des Flüchtlingsstromes in den vergangenen Monaten in Chaos und Überforderung mündeten. Man lässt die Dinge schleifen und schaut zu, anstatt mit Hochdruck am Aufbau entsprechender leistungsfähiger, effizienter, professioneller und tragfähiger Strukturen zu arbeiten.

Wie schon bei der Aufnahme der Flüchtlinge in der Anfangsphase verlässt man sich auch bei der Integration auf privates Engagement. Das offizielle Österreich verweigert sich ganz offensichtlich der Dimension, die Integration hat, und es wiederholen sich die Fehler vom vergangenen Sommer.

Es wird zwar da und dort von Wertekursen berichtet und von Sprachunterricht der angeboten wird, es werden Integrationsvereinbarungen medial abgefeiert und der Integrationsfonds berichtet freudig von 6.000 Stipendien für Flüchtlinge. Und man beruhigt sich mit Berichten von Einzelschicksalen, die sich gut entwickeln. "Was ich im Augenblick besonders furchtbar finde, ist dieses ständige 'mein Syrer' auf Facebook", ätzte kürzlich Kilian Kleinschmidt, der für die UNHCR in Jordanien ein riesiges Flüchtlingslager organisierte. "Das ist ein bisschen so wie ein Meerschweinchen zu halten."

Die Realität aber ist eine andere, will Kleinschmidt wohl sagen. Und nicht nur er. Das Angebot ist viel zu gering und die Bemühungen sind es auch. Denn dem Großteil der Menschen, die in Österreich aufgenommen wurden, wird seit Monaten kaum etwas geboten, was eine Integration fördern würde. Sie müssen seit Monaten in Containern, Hallen und oft überfüllten Wohnungen sitzen, herumgeschoben, zumeist ohne Privatsphäre und voller Unsicherheit über ihre Zukunft. Sie können kaum mehr tun, als auf die kahlen Wände zu schauen und vor der Unterkunft auf- und abzugehen. Und warten, warten, warten. Und das seit Monaten und möglicherweise noch jahrelang.

Bezahlte Sprachkurse und Zugang zum Arbeitsmarkt gibt es nur für jene, die bereits den Asylstatus haben. Für die große Mehrheit aber, deren Asylansuchen in den Mühlen der heimischen Bürokratie steckt, gibt es hingegen praktisch nichts. Sie sind auf private Initiativen angewiesen. Auf die Behörden könne man sich da nicht verlassen, klagten kürzlich in Oberösterreich private Helfer. Unterrichtsmaterialien etwa müssen sie sich selbst zusammensuchen und oft aus eigener Tasche bezahlen. Auch nach Monaten gibt es keine Unterlagen oder Leitfäden, die den privaten Helfern zur Verfügung gestellt werden. Es gibt kaum Plattformen für den Erfahrungstausch, schon gar nicht vom offiziellen Österreich. Und es gibt auch kaum wo ein professionelles psychologisches Angebot für die vielen zum Teil schwer traumatisierten Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan, die mit ihren Problemen alleine fertig werden müssen.

Die Flüchtlinge müssen nicht nur damit fertig werden. Sie spüren, dass ihnen zunehmend Reserviertheit und immer öfter auch offene Ablehnung entgegenschlagen. Sie spüren, dass sie zunehmend alleine sind in diesem Land und sie leiden darunter, dass es für sie weder ein vor noch ein zurück zu geben scheint.

Genau darin liegt der soziale Sprengstoff. Und genau darin liegt auch die Herausforderung, die Integration dieser Menschen endlich ernsthaft in Angriff zu nehmen. Es ist daher hoch an der Zeit, sich dieser Aufgabe zu stellen. Sie ist langfristig viel brisanter, als die Suche nach Möglichkeiten, den Zuzug zu begrenzen. Denn immer drängender wird die Frage, wie alle diese Männer und Frauen und Kinder in das österreichische Leben und in unsere Gesellschaft und Arbeitswelt so integriert werden können, dass sie dem Staat nicht, wie jetzt so viele befürchten, nur Last sind. Davon ist man weit entfernt. Sehr weit.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Februar 2016

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