Donnerstag, 28. Januar 2016

Kopf bleibt im Sand



Allerorten, zumal in konservativen Kreisen, die sich ansonsten einem christlichen Weltbild verpflichtet fühlen und die das bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gerne auch einem Aushängeschild gleich vor sich hertragen, ist man zur Überzeugung gekommen, dass es jetzt genug ist mit den Flüchtlingen. Die "Willkommenskultur" sei ein Irrweg gewesen, die "Einladungspolitik absolut falsch", wie Außenminister Kurz meinte.

Es so zu sehen, sei jedem unbenommen, das eigentliche Thema ist aber wohl einer anderes. Dass Österreich nicht mit dem Flüchtlingsstrom zurande kommt, ist in erster Linie ein Versagen der Politik. Und nicht alleine der europäischen Politik, hinter der man sich hierzulande so gerne versteckt. Dass sich in diesem Land Verunsicherung, Sorge und zuweilen Angst breitmachen konnten und das Vertrauen schwindet, ist zu einem guten Teil auch auf das Versagen der österreichischen Politik und der hiesigen Institutionen zurückzuführen.

Über Monate hat man es nicht geschafft entsprechende Strukturen aufzubauen, die staatliche Souveränität zu sichern und damit auch die Sicherheit zu gewährleisten. Statt dessen steckte man lieber den Kopf in den Sand. Zuerst schaute man in Traiskirchen wochenlang weg, als von dort Alarmrufe kamen. Dann schoben Länder und Bund die Verantwortung hin und her, dann war man heilfroh, dass man alle nach Deutschland durchwinken konnte und schließlich stritt man wochenlang um einen Zaun und wie der heißen sollte.

Und nun hat man sich zu einer Beschränkung des Zuzugs durchgerungen und weiß wieder nicht damit umzugehen. Obergrenze? Richtwert? Geht das überhaupt und lässt es sich mit dem Asylrecht vereinbaren? Und was ist, wenn mehr kommen? Die Antworten darauf gibt es nicht. Gelernt scheint man nichts zu haben. Schon am Abend des Tages, an dem das verkündet wurde, breiteten zwei Minister der gleichen Regierung, wiewohl unterschiedlicher Parteizugehörigkeit, im Fernsehstudio bereits zwei völlig verschiedene Auffassungen aus.

Diese Negieren von Problemen, dieses Vor-Sich-Herschieben, dieses Hoffen darauf, dass sich alles irgendwie von selbst löst, dieses Wegschauen und die vielen halbherzigen Lösungen, die dann nicht vorbereitet und überlegt, sondern immer nur unter größten Druck zustande kamen, sind die eigentlichen Wurzeln der Probleme, in denen jetzt Österreich steckt.

Es ist eine Chronologie des Wegschauens , der Fehleinschätzungen und des Versagens. Nie stellte man sich der Aufgabe, mit den Flüchtlingen adäquat und dem internationalen Recht entsprechend und gar dem, was der menschliche Anstand gebot, umzugehen. Nie nutzte man die Zeit, die die offenen deutschen Grenzen geboten hätten, Strukturen aufzubauen, um den Flüchtlingsstrom in geordnete Bahnen zu lenken. Statt dessen freute man sich, dass man die Flüchtlinge einfach und schnell durchwinken konnte. Blauäugig glaubte man sich damit Probleme sparen zu können.

Uns es ist immer noch nicht anders geworden. Man staunt, wie dürftig die Antworten auf Fragen zur Zuzugsbegrenzung kommen und wie wenig durchdacht auch dieses Konzept ist. Man staunt, wie leichtfertig man mit den Meldungen umgeht, dass die Deutschen jeden Tag ein paar hundert Flüchtlinge nach Österreich zurückschicken, die dann, immerhin diesmal nach erkennungsdienstlicher Behandlung, hier einfach ausgesetzt werden. "Die versuchen ohnehin am nächsten Tag gleich wieder nach Deutschland zu kommen", heißt es lapidar. Und wer vor einer möglichen fatalen Entwicklung warnt, wird einfach nicht gehört.

Man staunt, wie man mit dem Thema Rückweisung in die Heimat umgeht, das vor allem Politikern sehr leicht über die Lippen kommt. Dass das praktisch unmöglich ist, davon will man nicht reden.

Und ins Bild passt auch, dass man wenige Tage nach dem Start mit den verschärften Zuzugsmaßnahmen im eigens dafür ausgebauten Grenzübergang Spielfeld auf einmal draufkommt, dass wohl auch in Kärnten eine ähnliche Einrichtung nötig ist. Als ob das nicht längst abzusehen gewesen wäre.

Alleine das zeigt: Da geht es nicht um "Willkommenskultur" oder um "Einladungspolitik". Da geht es um Fehler und Versäumnisse in der Politik, die nie versuchte das Problem zu lösen und in geordnete Bahnen zu leiten, sondern immer nur versuchte das Problem einfach abzublocken und zu negieren und so von den Ereignissen getrieben wird.

Was besonders schlimm ist -eine Änderung ist nicht in Sicht. Wie denn auch, bleibt doch der Kopf im Sand.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Jänner 2016

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