Donnerstag, 28. Januar 2016

Kopf bleibt im Sand



Allerorten, zumal in konservativen Kreisen, die sich ansonsten einem christlichen Weltbild verpflichtet fühlen und die das bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gerne auch einem Aushängeschild gleich vor sich hertragen, ist man zur Überzeugung gekommen, dass es jetzt genug ist mit den Flüchtlingen. Die "Willkommenskultur" sei ein Irrweg gewesen, die "Einladungspolitik absolut falsch", wie Außenminister Kurz meinte.

Es so zu sehen, sei jedem unbenommen, das eigentliche Thema ist aber wohl einer anderes. Dass Österreich nicht mit dem Flüchtlingsstrom zurande kommt, ist in erster Linie ein Versagen der Politik. Und nicht alleine der europäischen Politik, hinter der man sich hierzulande so gerne versteckt. Dass sich in diesem Land Verunsicherung, Sorge und zuweilen Angst breitmachen konnten und das Vertrauen schwindet, ist zu einem guten Teil auch auf das Versagen der österreichischen Politik und der hiesigen Institutionen zurückzuführen.

Über Monate hat man es nicht geschafft entsprechende Strukturen aufzubauen, die staatliche Souveränität zu sichern und damit auch die Sicherheit zu gewährleisten. Statt dessen steckte man lieber den Kopf in den Sand. Zuerst schaute man in Traiskirchen wochenlang weg, als von dort Alarmrufe kamen. Dann schoben Länder und Bund die Verantwortung hin und her, dann war man heilfroh, dass man alle nach Deutschland durchwinken konnte und schließlich stritt man wochenlang um einen Zaun und wie der heißen sollte.

Und nun hat man sich zu einer Beschränkung des Zuzugs durchgerungen und weiß wieder nicht damit umzugehen. Obergrenze? Richtwert? Geht das überhaupt und lässt es sich mit dem Asylrecht vereinbaren? Und was ist, wenn mehr kommen? Die Antworten darauf gibt es nicht. Gelernt scheint man nichts zu haben. Schon am Abend des Tages, an dem das verkündet wurde, breiteten zwei Minister der gleichen Regierung, wiewohl unterschiedlicher Parteizugehörigkeit, im Fernsehstudio bereits zwei völlig verschiedene Auffassungen aus.

Diese Negieren von Problemen, dieses Vor-Sich-Herschieben, dieses Hoffen darauf, dass sich alles irgendwie von selbst löst, dieses Wegschauen und die vielen halbherzigen Lösungen, die dann nicht vorbereitet und überlegt, sondern immer nur unter größten Druck zustande kamen, sind die eigentlichen Wurzeln der Probleme, in denen jetzt Österreich steckt.

Es ist eine Chronologie des Wegschauens , der Fehleinschätzungen und des Versagens. Nie stellte man sich der Aufgabe, mit den Flüchtlingen adäquat und dem internationalen Recht entsprechend und gar dem, was der menschliche Anstand gebot, umzugehen. Nie nutzte man die Zeit, die die offenen deutschen Grenzen geboten hätten, Strukturen aufzubauen, um den Flüchtlingsstrom in geordnete Bahnen zu lenken. Statt dessen freute man sich, dass man die Flüchtlinge einfach und schnell durchwinken konnte. Blauäugig glaubte man sich damit Probleme sparen zu können.

Uns es ist immer noch nicht anders geworden. Man staunt, wie dürftig die Antworten auf Fragen zur Zuzugsbegrenzung kommen und wie wenig durchdacht auch dieses Konzept ist. Man staunt, wie leichtfertig man mit den Meldungen umgeht, dass die Deutschen jeden Tag ein paar hundert Flüchtlinge nach Österreich zurückschicken, die dann, immerhin diesmal nach erkennungsdienstlicher Behandlung, hier einfach ausgesetzt werden. "Die versuchen ohnehin am nächsten Tag gleich wieder nach Deutschland zu kommen", heißt es lapidar. Und wer vor einer möglichen fatalen Entwicklung warnt, wird einfach nicht gehört.

Man staunt, wie man mit dem Thema Rückweisung in die Heimat umgeht, das vor allem Politikern sehr leicht über die Lippen kommt. Dass das praktisch unmöglich ist, davon will man nicht reden.

Und ins Bild passt auch, dass man wenige Tage nach dem Start mit den verschärften Zuzugsmaßnahmen im eigens dafür ausgebauten Grenzübergang Spielfeld auf einmal draufkommt, dass wohl auch in Kärnten eine ähnliche Einrichtung nötig ist. Als ob das nicht längst abzusehen gewesen wäre.

Alleine das zeigt: Da geht es nicht um "Willkommenskultur" oder um "Einladungspolitik". Da geht es um Fehler und Versäumnisse in der Politik, die nie versuchte das Problem zu lösen und in geordnete Bahnen zu leiten, sondern immer nur versuchte das Problem einfach abzublocken und zu negieren und so von den Ereignissen getrieben wird.

Was besonders schlimm ist -eine Änderung ist nicht in Sicht. Wie denn auch, bleibt doch der Kopf im Sand.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Jänner 2016

Mittwoch, 27. Januar 2016

Wie die Agrarpolitik die Bauern gängelt



Puchberg bei Wels. Von der Verkündung von Maßnahmen und Verhandlungsergebnissen durch Politiker bis zur tatsächlichen Umsetzung, die auf den Höfen zu spüren ist, vergehen in der Agrarpolitik oft nicht nur Monate, sondern Jahre. Typisch dafür ist die EU-Bioverordnung. Sie wurde von der heimischen Agrarspitze schon 2015 als Erfolg gefeiert, weil einige der geplanten Veränderungen, von denen man eine Schwächung der heimischen Biobauern befürchtete, verhindert werden konnten.

Wann die Verordnung wirklich kommt, ist aber auch sieben Monate danach noch nicht abzusehen. „Es stehen in der Kommission noch sechs sogenannte Trilog-Gespräche auf dem Programm“, sagte Dienstag Gerti Grabmann, die Obfrau von Bio Austria. Dass sich das in der ersten Hälfte dieses Jahres noch ausgeht, bezweifelt sie. Und auch, ob alles so bleibt, wie vereinbart. „Inzwischen ist etwa die Evaluierung der Verordnung im Jahr 2020, die von uns abgelehnt wurde, wieder drinnen.“

Ähnlich ist es mit der im Herbst angekündigten Vereinfachung und Zusammenfassung der Kontrolle. „Da ist bisher nichts“, sagt Grabmann. Das sagen auch die unter dem Russland-Embargo leidenden Schweinebauern, denen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter schon Ende 2014 die Öffnung des chinesischen Marktes für Schweinefleisch zur Entlastung versprach. Sie wird frühestens zu Ende dieses Jahres, also zwei Jahre später, wirksam, weil erst die nötigen Strukturen aufgebaut werden müssen. gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. Jänner 2016

Donnerstag, 21. Januar 2016

Konsens des Achselzuckens



Eigentlich müsste es uns immer besser gehen. Allen zusammen. Zumindest wenn es nach den volkswirtschaftlichen Zahlen geht. Denn da gibt es immer noch, auch wenn sie zuletzt nur mehr klitzeklein waren, Zuwachsraten beim Bruttoinlandsprodukt. Mit den persönlichen Befindlichkeiten deckt sich das freilich kaum. Da beherrscht eher die Frage aus der seinerzeitigen Münchner Kultserie "Der ganz normale Wahnsinn" den Diskurs: "Wie kann es sein, dass sich der Einzelne nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut geht?" Die Kluft zwischen den Zahlen und dem persönlichen Befinden wird immer größer. Weil die Ansprüche wachsen, weil Wünsche nicht erfüllt werden können, weil alles nicht schnell genug gehen kann, weil das Leben anders ist, als man es in den Fernsehserien vorgegaukelt bekommt. Und weil es nicht so läuft, wie es die Politik gerne darstellt und verspricht. Man nimmt immer mehr in Kauf, um mithalten zu können. Um nicht zu den Verlierern zu zählen, auf die dann vielleicht auch noch mit den Fingern gezeigt wird. Als Einzelner hat man sich daran gewöhnt, und die Gesellschaft erst recht. Vieles, was aufmerken lassen, um nicht zu sagen aufregen sollte, tut das längst nicht mehr. Oft, weil alle nur mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein scheinen.

In viel zu vielen Dingen hat sich die Gesellschaft stillschweigend auf einen Konsens des Ignorierens und Achselzuckens verständigt. Und das selbst in ganz zentralen Bereichen des Lebens. Und das auch dann, wenn man selbst damit alles andere als glücklich ist. Vieles nimmt man inzwischen hin und hat es aus der öffentlichen Diskussion genommen.

Dazu gehört etwa, dass man nicht einmal mehr darüber klagt, dass man mit einer normal bezahlten Arbeit in Österreich in den meisten Fällen keine Familie erhalten kann. Man geht mittlerweile automatisch davon aus, dass zwei Einkommen nötig sind, wenn man einer Familie ein halbwegs anständiges Leben bieten will. Dass dem auch die Änderung des gesellschaftlichen Verständnisses, insbesondere der Rolle der Frauen, entgegenkommt, sollte freilich kein Grund sein, diese Entwicklung nicht zu hinterfragen.

Es geht aber nicht nur um zwei Einkommen für den Erhalt einer Familie. Es ist auch kaum ein Thema, dass mittlerweile rund 150.000 Österreicher einen Zweitjob haben und sich oft sogar in noch mehr Beschäftigungen verdingen müssen. Sei es, um über die Runden zu kommen, sei es, um etwas Butter aufs Brot zu bekommen, sei es, um sich etwas leisten zu können, was über die Grundansprüche hinausgeht.

Manche Berufsgruppen sind davon besonders betroffen. Im Vorjahr sorgte die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage für Schlagzeilen. Demnach gehen offiziell rund zehn Prozent der Polizisten, Heeresbediensteten und Spitalsärzte einer zweiten Beschäftigung nach. Und sie tun es nicht nur, weil es für sie so lukrative Nebenjobs gibt, sondern weil sie sie ganz einfach brauchen, um ihren Lebensstandard abzusichern.

Gewöhnt hat man sich selbst daran, dass ein so zentraler Wirtschaftszweig wie die Landwirtschaft, an der die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln hängt und die Pflege des Landes, von vielen nur mehr nebenher betrieben werden kann, weil das Geld hinten und vorne nicht reicht. Fast drei Viertel der heimischen Bauernhöfe werden mittlerweile im Nebenerwerb bewirtschaftet. Tendenz steigend. "Zweimal arbeiten, um einmal zu leben" nennt man das mit einem Anflug von Zynismus und Ironie. Das regt niemanden auf. Man hat sich daran gewöhnt. Wer darüber diskutieren will, wird belächelt. Als notorischer Jammerer.

Gewöhnt hat man sich auch daran, dass es in Österreich mittlerweile fast 500.000 Arbeitslose gibt. Das regt heute niemanden mehr groß auf. Davon ist, soferne man nicht selbst davon betroffen ist, in der Öffentlichkeit nicht viel zu sehen und zu spüren. Oder, gewöhnt hat man sich auch daran, dass Frauen nach wie vor schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen -auch wenn sie die gleichen Jobs wie Männer machen.

Man hat sich an so vieles gewöhnt. Oft, weil man frustriert ist, weil man abgestumpft ist, weil man mit sich selbst so sehr beschäftigt ist, weil man seine Ruhe haben möchte, weil man einfach müde ist und desillusioniert.

Schweigen sollte man dennoch nicht. Aber vielleicht öfter fragen - was ist das eigentlich für ein Land, was ist das eigentlich für eine Gesellschaft, in der wir leben?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Jänner 2016

Sonntag, 17. Januar 2016

Die Bauern kämpfen um ihren Platz



Die schlechte Stimmung sorgt für eine Verschärfung des Tons.

Hans Gmeiner

Berlin. SalzburgMilch-Chef Christian Leeb gehört zu den ersten, die Landwirtschaftminister Andrä Rupprechter im Rahmen der neuen Initiative „Best oft Austria“ auszeichnete. „Wir wollen mit dieser Initiative österreichischen Spitzenleistungen mehr Aufmerksamkeit geben“, sagte der Minister Donnerstagabend bei einem Festakt am Rande der Grünen Woche in Berlin. Und zu denen zählen für ihn Leebs Erfolge mit Milchspezialprodukten auf dem chinesischen Markt.

SalzburgMilch ist dort mit speziellen Milchprodukten für Kinder erfolgreich. „Wir haben schon einige Container geliefert“, sagt Leeb. Bald könnten es noch mehr und auch andere Produkte sein. „In Hongkong sind wir in Gesprächen mit einem sehr großen Veranstaltungs-Caterer“, sagt Leeb.

Die Initiative von Rupprechter ist einer der zentralen Schwerpunkte, mit denen die heimische Landwirtschaft auf schwierigen Auslandsmärkten ihren Platz behaupten will. Die niedrigen Preise in wichtigen Produktgruppen wie Milch, Fleisch und Getreide setzen den Bauern immer massiver zu. Seit Jahren gehen sie praktisch nur in eine Richtung: abwärts. Zum vierten Mal hintereinander mussten Österreichs Bauern im Vorjahr Einkommensrückgänge hinnehmen. Da sich keine Änderung der Entwicklung abzeichne, sei die Stimmung schlecht wie schon seit Jahren nicht, ist in Berlin zu hören.

Vor diesem Hintergrund kommen auch aus der Agrarpolitik schärfere Töne. So attackierte die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP) in Berlin die Handelsketten als „schamlos“ und warf ihnen vor, die Situation der Bauern auszunutzen. Überdies warf sie ihnen „unfaire Praktiken“ gegenüber ihren Lieferanten vor. Dazu zählen für sie Zahlungsziele von mehr als zwei Monaten, Listungsgebühren, nachträglich verlangte Werbekostenbeiträge und das Diktieren von Konditionen und Lieferbedingungen. Köstingers Forderung: „Landwirtschaftliche Produktion ist so wichtig wie die Verkehrs- und Stromnetze, daher brauchen wir einen unabhängigen Regulator, der für Transparenz und Objektivität sorgt.“

Hilfe vom Gesetzgeber bei der Durchsetzung von mehr Transparenz verlangt auch der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Hermann Schultes. Er ruft für die öffentlichen Küchen und die Gastronomie nach einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für Fleisch und Eier. „Es geht darum, dass Menschen mit gutem Willen die Chance bekommen, das Richtige zu tun und österreichische Produkte zu bestellen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. Jänner 2016

Und wieder ein Exportrekord



Agrar- und Lebensmittelausfuhren kratzen an Zehn-Mrd.-Euro-Grenze.

Hans Gmeiner

Berlin. Seit Jahren zählen die Agrar- und Lebensmittelexporte zu den Erfolgsstorys der heimischen Wirtschaft. Trotz jährlicher neuer Rekorde geht immer noch etwas. Auch im Vorjahr. Da legten die Ausfuhren von Fleisch, Milch, Milchprodukten, Gemüse, Backprodukten, Wein und alkoholfreien Getränken abermals um 2,5 Prozent zu. „Mit 9,93 Mrd. Euro kratzen wir mittlerweile bei den Ausfuhren an der Zehn-Milliarden-Grenze“, freuen sich AMA-Präsident Franz-Stefan Hautzinger und AMA-Marketing-Chef Michael Blass. „Das ist angesichts des sehr schwierigen Umfeldes ein ganz toller Erfolg.“ Weil die Importe um nur 2,3 Prozent auf 10,978 Mrd. Euro zulegten, konnte das Defizit stabil gehalten werden.

Die wichtigsten Märkte waren wie in den vergangenen Jahren Deutschland und Italien, in die zusammen fast 50 Prozent der Ausfuhren gingen. Dahinter folgen die USA, wo vor allem die Exporte von nicht alkoholischen Getränken, denen auch Red Bull zugerechnet wird, für ein Exportplus von 42,4 Prozent sorgten. Immerhin ein Plus von 25 Prozent gab es in den Staaten bei den Käseausfuhren.

Die Position, die sich die heimische Agrar- und Lebensmittelwirtschaft in Ländern wie Deutschland erarbeitet hat, ist beachtlich. „Dort sind wir hinter den Niederlanden und noch vor Polen zweitwichtigster ausländischer Rindfleischlieferant“, freut sich Blass. „Bei Käse sind wir hinter den Käsenationen Niederlande und Frankreich die Nummer drei.“

Die Erfolgszahlen spiegeln freilich nicht die ganze Wahrheit. Bei den agrarischen Rohstoffen und wenig verarbeiteten Produkten wie Fleisch, Milch oder Getreide, auf die knapp fünfzig Prozent der Exporte entfallen, gab es deutliche Rückgänge. „Das Preisniveau in diesen Sparten lag wegen der Russland-Krise und der damit einhergehenden Marktverwerfungen, die die Schweinebauern besonders trafen, im Schnitt um 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau“, sagte Blass am Donnerstag in Berlin.

Typisch dafür ist die Entwicklung im Außenhandel mit Russland. Während die Ausfuhren von Agrarprodukten und Lebensmitteln, die Russland 2014 nicht auf die Sanktionsliste setzte, in den ersten drei Quartalen des Vorjahres gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum 2014 lediglich von 89 auf 75 Mill. Euro fielen, stürzten sie bei Produkten wie Fleisch oder Milch, die als Reaktion auf die EU-Sanktionen mit einer Importsperre belegt wurden, von 25 Mill. Euro gegen null.

Der Druck, neue Märkte zu erschließen, ist groß. Schlagzeilenträchtige Politikerbesuche in Japan, China und anderen Fernost-Ländern schlagen sich bisher kaum in der Statistik nieder. Die Volumina sind gering, die Erfolge bescheiden. In Ländern wie China etwa hat man jahrelang die Entwicklung verschlafen. Während sich dort längst die großen Fleisch- und Milchproduktionsländer breitgemacht haben, steht Österreich praktisch am Anfang. Die Agrarexporte dorthin kletterten von 45,8 Mill. 2014 auf 46,4 Mill. im Vorjahr. Neue Lizenzen und eine Exportservicestelle sollen nun den Zugang zum chinesischen Markt erleichtern. Da die Stelle erst aufgebaut und das Personal eingeschult werden muss, ist freilich heuer kaum mehr mit zählbaren Erfolgen zu rechnen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 15. Jänner 2016

Donnerstag, 14. Januar 2016

Der verkehrte Staat



Im schönen Zell am See im Salzburger Pinzgau wälzt man aus purer Not eine Idee. Nach 43 Jahren soll wieder eine eigene Polizei her. Ein so genannter "Gemeindewachkörper", wie es im amtsdeutsch heißt. Die Bundespolizei könne wegen Personalmangel und Unzuständigkeit nicht überall sein, heißt es. Sie habe ganz einfach keine Zeit mehr. Darum überlegt man sich selbst zu helfen.

Als ab dem vergangenen Sommer die Flüchtlinge in Scharen nach Österreich drängten, waren die staatlichen Organe auch überfordert. Bei der Kontrolle sowieso, und auch bei der Hilfe und bei der der Bewältigung des Ansturms. Private mussten einspringen. Ohne die zahllosen freiwilligen Helfer, die sich ein Herz nahmen und nicht wegschauten, sondern zu helfen versuchten, wo sie konnten, wäre das Land binnen Tagen im Chaos versunken.

Und wenn irgendwo in diesem Land Berge rutschen oder Flüsse übergehen und ganze Regionen in Katastrophen unterzugehen drohen, ist das Land von vorneherein auf die vielen Feuerwehren und Rettungsorganisationen angewiesen, in denen die freiwillige Hilfe dieses Landes organisiert ist. Ohne deren Einsatz und Know-how würden jedes kleine Hochwasser, jedes noch so kleine Feuer und selbst jeder kleine Unfall rasch zu unüberschaubaren Dramen.

Es gäbe durchaus noch mehr Beispiele dieser Art anzuführen, die den Verdacht aufdrängen, dass wir in einem verkehrten Staat leben. Wo der Staat sein soll, wo er gefordert wäre und wo sich die Bevölkerung mehr erwarten und wünschen würde, ist er viel zu wenig präsent und viel zu schnell überfordert. Kein Plan, kein Personal, keine Strukturen. Und - natürlich - kein Geld. Am Letzterem freilich sollte es nicht liegen, dass der Staat seinen ureigenen Aufgaben nicht mehr recht nachkommen kann. Das ist da. "Die Ausgaben für Hoheitsverwaltung in Österreich liegen bei 1270 Euro pro Kopf - und damit 420 Euro über dem EU-Schnitt", rechnet die Industriellenvereinigung bei jeder Gelegenheit vor.

Das Problem liegt wohl eher darin, dass man viel zu viel von diesem Geld dort braucht, wo man den Staat eigentlich nicht bräuchte. Dort, wo er eigentlich nichts verloren hat, wo er oft als nichts, denn als Schikane und Gängelung empfunden wird und wo die Vorschriften, Auflagen und Gesetze den Betrieb bremsen und Ideen ersticken, weil er sich unmäßig breit macht. In den Unternehmen ist das so, in der Landwirtschaft, im Sozialwesen, in den Schulen. Die Liste der Beispiele dafür ist schier endlos.

Das alles und vieles andere zu überwachen und zu prüfen kostet. Nicht nur Nerven. Heerscharen von Menschen sind mit diesen Aufgaben gebunden und Abermillionen Euro, die der Staat in anderen Bereichen viel sinnvoller einsetzen könnte - dort, wo die Defizite längst unübersehbar sind und die Mittel notwendig wären.

Die Kluft zwischen dem zu wenig präsenten Staat auf der einen und dem überpräsenten Staat auf der anderen Seite hat längst bedrohliche Dimensionen erreicht. Während man auf der einen Seite Probleme hat, der Bevölkerung die nötige Sicherheit zu gewährleisten und in Krisenfällen die nötigen Maßnahmen zu setzen, ist die überbordende Bürokratie auf der anderen Seite dabei, dem Land und seiner Wirtschaft und damit auch den Bürgern massiv zu schaden.

Das Land leidet. Der einfache Bürger, wenn er Formulare über Formulare ausfüllen muss. Die Wirtschaft, wenn sie sich von all den Vorschriften und Vorschreibungen und Kontrollen nur mehr gepflanzt fühlt. "Heute arbeiten wir drei bis vier Wochen im Jahr, um behördliche Auflagen zu erfüllen", schrieb kürzlich auf Facebook ein Tischler aus Anlass seines Rückzugs aus dem Geschäft. Die "Paragrafenlast" sei erdrückend, meint er. "Ich könnte ein Buch schreiben, was da alles falsch läuft", sagt er. Viele andere könnten das auch. Der Unmut vor allem in der Wirtschaft ist groß wie nie. Und da braucht man gar nicht das Wort Registrierkassa in den Mund nehmen.

Angesichts der vielen neuen Schikanen, die man in  die jüngster Steuerreform ungeachtet der heftigen Proteste einbaute und angesichts der Geschichte, die das Thema "Verwaltungsreform" in diesem Land hat, sind Hoffnungen auf Änderungen wohl nichts denn ein fromme Wünsche.

Was freilich nichts daran ändert, dass man bei jeder sich bietenden Gelegenheit darüber reden sollte.

Vielleicht bringt es ja doch etwas. Irgendwann einmal.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Jänner 2016 

Donnerstag, 7. Januar 2016

Politik mit dem gestreckten Mittelfinger



Die glühenden Europäer sind kleinlaut geworden. Sie haben es schwer in diesem Monaten. Und sie sind nicht zu beneiden, viel eher zu bemitleiden. Kaum je zuvor waren die Europäische Union und die Idee von einem gemeinsamen Europa so zerzaust wie derzeit. Kaum je zuvor wurde so massiv an den Fundamenten der Union gerüttelt. Selbst führenden Politikern der Union, wie Parlamentspräsident Martin Schulz, ist inzwischen bang um die Zukunft des gemeinsamen Europas. "Wir drohen auseinanderzubrechen", sagen sie.

Der Druck ist groß wie nie zuvor. Allerorten Krisen und ungelöste Probleme. Und keine Antworten und schon gar keine Lösungen. Viel zu lange hat man oft zugeschaut, viel zu lange die Dinge treiben lassen, und viel zu oft hat man die Hoffnungen und Erwartungen der EU-Bürger enttäuscht. Man ließ Lösungen vermissen und Solidarität und Kompetenz, wo sie gefragt gewesen wären. Und im Umgang mit den Flüchtlingsströmen erreichten schlussendlich all das Unbehagen und all das Versagen ihren vorläufigen Höhepunkt.

Nichts von den Problemen ist ausgestanden. Für nichts zeichnet sich zumindest ein Ende ab und eine Beruhigung. Der Euro gilt nach wie vor als äußerst fragil, in Griechenland ist nichts gelöst, die Arbeitslosen Europas haben wenig zu erwarten. Und wie man mit den Flüchtlingen so umgeht, dass die Hilfsbereitschaft nicht in Chaos und Hass endet, weiß man auch nirgendwo.

Wenn das nur alles wäre. Europa hat auf dem internationalen Parkett in den vergangenen Jahren nicht nur in der Wirtschaft an Boden verloren, sondern auch in der Politik. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gibt es nach wie vor nicht.

Führer wie Putin nutzen das weidlich und unverfroren. Und Leuten wie dem türkischen Präsidenten, der das präsidentielle System Hitlerdeutschlands unverhohlen als vorbildlich lobt und auf eigene Landsleute schießen lässt, muss man gezwungenermaßen schöne Augen machen, weil man auf ihn in der Flüchtlingsfrage angewiesen ist. Mangels eigner Kraft.

Da verwundert nicht, dass das Gebilde, das einst gegründet wurde, um Europa zu vereinen, auseinanderzubrechen droht. Was Brüssel sagt, ist in vielen EU-Mitgliedstaaten nicht einmal mehr Makulatur. Und da braucht man nicht auf Orbans Ungarn verweisen oder auf Polen unter der neuen ultrakonservativen Regierung. Da verstört noch viel mehr der Blick auf Länder wie Dänemark, das sein Asylrecht mit absurd anmutenden Maßnahmen verschärfte, und auf die Briten, deren Austrittsgelüste immer konkreter werden.

Es verwundert nicht, dass allerorten rechtspopulistische Parteien an die Staatsruder drängen, wenn sie sie denn nicht schon übernommen haben. So wie es ausschaut, könnten Ungarn und Polen nicht die einzigen bleiben. In Frankreich droht eine Wende und in anderen Ländern auch. Auch in Österreich. Das schwache Europa verschafft diesen Parteien den nötigen Raum.

Schon jetzt bestimmen die Rechtsparteien, auch wenn sie noch nicht in den Regierungen sind, zunehmend die politischen Entscheidungen in vielen Ländern, weil die Regierungsparteien allerorten keine anderen Ideen haben, als ihre Politik den Forderungen dieser Parteien in vorauseilendem Gehorsam anzugleichen. Zucht und Ordnung gelten da immer öfter als probate Mittel und Individualrechte immer weniger. Der Datenschutz wird der Terrorbekämpfung geopfert und die Reisefreiheit der Angst vor Flüchtlingen.

Die Europäische Union muss diesem Wandel in seinen Mitgliedstaaten zusehen. Hilflos, zerrüttet und ohne jede Autorität und Macht. Sie muss zusehen, wie sich die Staaten über einst vereinbarte Regeln mittlerweile ohne jede Rücksichtnahme und ohne Folgen befürchten zu müssen, hinwegsetzen. Ein Selbstbedienungsladen ohne jede Solidarität.

Von einer "gefährlichen Entsolidarisierung" spricht Martin Schulz gerne. Ihm ist in diesem Fall nicht Recht zu geben. Viel gefährlicher ist wohl die Solidarisierung der von populistischen Rechtspolitikern geführten Staaten, die gemeinsam Brüssel und der Idee von einem gemeinsamen Europa, das einst als Wirtschafts- und Friedensprojekt geründet wurde, den gestreckten Mittelfinger zeigen. Gefährlich ist das nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für den Euro, für die europäische Wirtschaft und für die Arbeitsplätze. Für uns alle also.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Jänner 2016

Österreichs Bauern hadern mit dem Klimawandel



Der Klimawandel trifft die Landwirte in doppelter Hinsicht. Neben dem Wetter machen ihnen auch die verschärften Ziele bei der Reduktion der Treibhausgase Sorgen.

Hans Gmeiner

Salzburg. Dass für die Bauern die Preise derzeit in allen Produktionssparten tief sind, hat zumindest einen Vorteil – die Landwirtschaft tut sich relativ leicht, die aktuellen Reduktionsziele bei den Treibhausgasen zu erfüllen. Denn in emissionsträchtigen Sparten wie der Schweinehaltung wurde die Produktion zurückgefahren. Weil aber langfristig eine Verbesserung der Preise erwartet wird, kann sich die Situation schnell drehen. „Auch wenn die Preise wieder besser werden, bleiben die Bauern unter Druck“, warnt Franz Sinabell, Agrarexperte am Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), vor falscher Euphorie. Erhöhen die Bauern, die wegen der Wetterkapriolen unter dem Klimawandel leiden, aufgrund höherer Preise nämlich die Produktion, kommen sie rasch in Konflikt mit den im Dezember beim Weltklimagipfel erneut verschärften Klimazielen.

Die Landwirtschaft, sowohl einer der größten Verursacher der Treibhausgase und gleichzeitig eines der größten Opfer des Klimawandels, steht also doppelt unter Druck. „Um die vorgeschriebene Reduktion der Treibhausgase in Höhe von 30 Prozent in Europa wie angepeilt bis 2030 zu erreichen, haben die Landwirte nur zwei Möglichkeiten“, sagt Sinabell. „Entweder sie produzieren weiter mit angezogener Bremse und verzichten auf die Marktmöglichkeiten oder sie investieren in teure Technik, um die Emissionen trotz höherer Produktion zu reduzieren.“

Größere Tierbestände und damit Steigerung der Produktion, die vielen Bauern als Zukunftsstrategie gilt, wird damit konterkariert. Bei Einschränkung der Produktion müssen die Bauern auf Einnahmen verzichten. Eine Vergrößerung und Investitionen in modernste Umwelttechnik, die eine höhere Produktion erlauben, gehen ins Geld.

Für die Rinderzüchter geht es um Investitionen für die Ausbringungstechnik für Gülle sowie Gülleraumabdeckung, bei Schweinehaltern neben Fütterungsstrategien um Abluftreinigung und bei Biogaserzeugung um Technik für die Güllebehandlung. Besonders teuer wird es, wie in Salzburg, wo es kaum andere Möglichkeiten gibt, als über die Milchproduktion die Reduktionsziele zu erfüllen. Mit knapp 90 Euro beziffert die EU in einem internen Papier die Kosten für die Reduktion einer Tonne C02 – so viel wie in keiner anderen Region Europas.

Was wirklich auf die Bauern zukommt, wagt auch Wirtschaftsforscher Sinabell noch nicht abzuschätzen. „Aber es ist davon auszugehen, dass jetzt die Europäische Union die Bauern bei den Emissionen stärker in die Pflicht nehmen will.“ Im Umweltministerium gibt man sich gelassen. „Bis 2020 schaffen wir die Ziele jedenfalls mit den Angeboten und Maßnahmen im aktuellen Umweltprogramm“, sagt Ministeriums-Expertin Nora Mitterböck. „Wenn die Tierzahlen in den Jahren darauf nicht weiter fallen, sondern steigen, dann werden aber wohl betriebliche Maßnahmen nötig.“ Um davon nicht überrascht zu werden, empfiehlt Wifo-Experte Sinabell den Bauern schon jetzt, „so bald wie möglich die bereitstehenden Förderungsmittel für Investitionen zu nutzen“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Jänner 2016

Samstag, 2. Januar 2016

Eine Sache des gegenseitigen Respekts



Die Zahl der Biobauern in Österreich wächst. Fast 23.000 Bauern werden es heuer sein. Das sind bereits 20 Prozent aller Bauern. Das Verhältnis zwischen der konventionellen und der biologischen Landwirtschaft respektive das Verhältnis zwischen konventionellen und zwischen Biobauern ist dennoch immer noch sehr eigentümlich.

Man tut sich immer noch schwer miteinander umzugehen. Und mitunter fehlt es immer noch am gegenseitigen Respekt. Immer noch gibt es viele konventionelle Landwirte, vor allem auch in der agrarischen Vertretung, die einen abfälligen Ton anschlagen, wenn die Rede auf die Biolandwirtschaft kommt. Und immer öfter gibt es auch aus dem Bio-Lager Töne über die konventionellen Kollegen und ihre Arbeitsmethoden, die an Abfälligkeit nichts missen lassen.

Die Qualität der Reserviertheit ist freilich unterschiedlich. Konventionelle Landwirte gefallen sich oft immer noch darin, Biobauern in die Spinner- und Träumerecke zu stellen und ihre Vertreter machen sich zuweilen immer noch lieber einen Spaß daraus, die Biobauern mit ihren Wünschen und Forderungen auflaufen zu lassen, als sie zu unterstützen. Dass die Realität auf den Märkten und bei den Preisen ihre Einschätzungen Lügen straft, ficht sie dabei nicht an. Richtig und korrekt sind Häme und Widerstand dennoch nicht.

Richtig und korrekt ist freilich oft auch nicht, wie die Biolandwirtschaft und ihr Umfeld ihr Profil auf dem Rücken der konventionellen Landwirtschaft, zumal der, wie sie in Österreich betrieben wird, zu schärfen versucht. Da hat man oft keine Scheu, die konventionellen Standeskollegen durch geschickte wie einseitige Argumentation als verantwortungslose Umweltvergifter und Tierquäler erscheinen zu lassen und damit schlecht zu machen, um selbst im Licht er Öffentlichkeit besonders sauber und strahlend dazustehen - als die einzig richtige Landwirtschaft.

Korrekt ist freilich auch das nicht. Und richtig auch nicht.

Warum das alles nach wie vor sein muss, ist nicht nachvollziehbar. Denn in der Biolandwirtschaft ist nicht alles so toll, wie man tut. Und in der konventionellen Landwirtschaft ist nicht alles so schlecht.  Vielleicht hängt es damit zusammen, dass im Hintergrund wie jeher Fundamentalisten ihrer jeweiligen Produktionsausrichtungen die Meinung machen.

Damit freilich ist wohl der Sache nicht gedient. Dass die Fundis auf der konventionellen Seite damit zurechtkommen müssen, zunehmend an Unterstützung zu verlieren, ist eine leichte Übung im Vergleich zu dem, was auf die Biobauern zukommt. Dort sind Spannungen programmiert. Schon jetzt ist nicht zu übersehen, wie allerorten die Nasen gerümpft werden über die immer größeren Betriebe, die umstellen und die persönlich, gesellschaftlich und politisch so gar nichts mit den von manchen Bio-Pionieren hochgehaltenen Eigenschaften am Hut haben. Da mag man gar nicht fragen, wie sich das mit der Forderung nach einem weiteren Ausbau der Biolandwirtschaft in diesem Land verträgt. Will man gar ohnehin nur unter sich bleiben und lieber weiter mit dem Finger auf die anderen zeigen?

Die Proponenten beider Produktionsrichtungen sollten daher alles dransetzen zusammenzufinden. Richtungskämpfe schaden der Landwirtschaft und den Bauern insgesamt. Zumal in einem kleinen Land wie Österreich.

Aufgabe von Politik und Interessenvertretungen ist es, für beide Richtungen Raum zu schaffen und beiden Richtungen den Rücken zu stärken. Alles andere kostet nichts als Kraft und verschwendet unnötig Energie.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 2. Jänner 2016
 
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