Donnerstag, 22. Oktober 2015

Kapriziöse Diva



Sie war eine Vorzeige-Bürgermeisterin. Als sie im Vorjahr mit dem Hans-Kudlich-Preis ausgezeichnet wurde, wurde ihr Weitblick gelobt und dass sie immer wieder neue Maßstäbe für attraktive Lebensgestaltung und Perspektiven gesetzt habe. Ulrike Böker, die Bürgermeisterin von Ottensheim in Oberösterreich, kannte und anerkannte man im ganzen Land. Sie war, wie man sich gemeinhin einen Bürgermeister wünscht.

Es wurde nicht honoriert. Bei den Bürgermeisterwahlen vor zwei Wochen verlor sie Stichwahl und Amt. "Es ist nicht leicht, diese Entscheidung der Wählerinnen und Wähler zu akzeptieren", schrieb sie daraufhin enttäuscht auf Facebook. "Meine guten, normalerweise recht lebendigen Geister sind am Sonntag in eine Schockstarre gefallen."

Sie ist nicht die Erste, der es in der Politik so erging. Der steirische Landeshauptmann Voves ist ein anderes Beispiel dafür. Und viele andere gibt es auch. Sie erfüllen, was gefordert wird, sie greifen an, was verlangt wird, sie trauen sich über Dinge drüber, über die alle anderen lange vor sich hergeschoben haben und sie setzen Initiativen, die längst überfällig sind. Und dennoch scheitern sie. Und das meist nicht wegen Fehlern, die sie machen. Sie scheitern ganz einfach an der Beharrlichkeit des Systems, an der Starrheit und Sturheit vieler Leute im Apparat und am mangelnden Willen derer, die die Pläne umsetzen sollten und könnten. Und sie scheitern daran, dass vieles von dem, was in diesem Land Tag für Tag schlagzeilenträchtig und wortstark verlangt wird, offenbar gar nicht so gemeint ist, wie es vorgetragen wird. Vor allem dann, wenn man mit einem Mal selbst davon betroffen sein könnte.

Im Ernstfall entscheidet man sich allemal doch lieber für das Gewohnte und das Bekannte als für das Neue - und sei es noch so notwendig. Angesichts von Veränderungen entscheidet man sich allemal lieber für den Spatz in der Hand als für die Taube auf dem Dach.

Wer in diesem Land etwas Neues will, und gar wenn er oder sie es umsetzen will, hat es schwer. Da wird die Luft schnell dünn, da werden die Freunde schnell wenig und die Gegner aber dafür umso schneller mehr. Da rückt die Sache selbst sehr schnell in den Hintergrund und der politische Vorteil, den man als Gegner von Veränderung herausschinden will, in den Vordergrund. Es findet sich immer wer, der Pläne und Projekte madig und damit Politik und Stimmung machen will.

Was für die Reformer gilt, gilt auch für andere, nach denen in der Öffentlichkeit so oft und so gerne gerufen wird. Für die absolut Zuverlässigen und Vertrauenswürdigen. Für die fleißigen Arbeiter. Für solche, die keine Schlitzohren sind, sondern durch und durch ehrlich und glaubhaft. Die keine Gaukler sind und keine Phantasten. Und keine Gauner und keine Zocker. Für die, die sich der Sache verschreiben und nicht den Medienauftritten. Auch sie haben es schwer.

Michael Spindelegger war ein Vertreter dieser Spezies. Auch er war ohne Chance. Schnell wurde das Fehlen von Farbe und Brillanz moniert und zu Spindeleggers Handicap. Er blieb grau. Grau durch und durch. Da wog all die Seriosität nichts mehr.

Die Wählerin und der Wähler gleichen dem Verhalten einer Diva - kapriziös, hochfahrend, ungerecht. Längst sind diese Verhaltensmuster für das Land zu einer großen Last geworden. Sie sind mit ein Grund dafür, dass sich niemand mehr für die Politik hergeben will. Sie sind mit ein Grund dafür, dass wir seit Jahren in einer Starre gefangen sind, in der kaum wer etwas umzusetzen wagt, schon gar nicht die drängend notwenigen Änderungen in den großen Bereichen wie Staatshaushalt, Sozial- und Gesundheitswesen, Bildung oder Pensionsrecht. Wer hierzulande das Vernünftige macht, verliert. Hat schon verloren, wenn er auch nur ansetzt, das Vernünftige zu machen. Und wer es freilich nicht macht, hat auch keine großen Chancen.

Ein großer Schritt wäre es, die öffentliche und vor allem die veröffentlichte Meinung nicht so ernst zu nehmen, wie dies in der Politik zur Gewohnheit geworden ist. Ein großer Schritt wäre es, Ecken und Kanten zu zeigen und Rückgrat. Das vor allem. Und ein großer Schritt wäre es, wenn die, die immer fordern und alles besser wissen und die so gerne die Politiker vor sich hertreiben, auch Rückgrat zeigen würden - und jene, die etwas bewegen, auch unterstützen und nicht bei der erstbesten Gelegenheit hängen lassen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Oktober 2015

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