Donnerstag, 17. September 2015

Russlands Fremdenlegion



Die öffentliche Meinung und wie sie zustande kommt, ist zuweilen ein Phänomen. Ein Phänomen ist auch, welche Verbindungen es da gibt und wer mit wessen Argumenten an die Stammtische zieht und in die Streitgespräche. Auffällig oft kommt dabei vor, dass da weltanschaulich völlig gegensätzliche Richtungen zur gleichen Wortwahl greifen und zu den gleichen Schlussfolgerungen kommen.

Derzeit ist besonders augenscheinlich, wie sehr sich die Argumentationslinien Russlands mit jener der Rechten Europas und damit auch Österreichs FPÖ treffen, ehe sie an den Stammtischen dieses Landes zu dem werden, was dann als öffentliche Meinung, respektive Volksempfinden, den politischen Takt im Land vorgibt. Wie schon bei der Ukraine-Krise, dem Russland-Boykott und bei der Griechenlandkrise drängt sich zuweilen der Eindruck auf, als holten sich Strache und Konsorten direkt in Moskau ihre Parolen ab, um sie hierzulande zu verbreiten und damit Stimmung zu machen. Was seinerzeit in den Jahren des Kalten Kriegs die Kommunisten und die anderen Linken machten, erledigen nun die Rechten - als Moskaus Sprachrohr.

Wenn Putin davon fabuliert, dass es Probleme geben werde, wenn der Westen "seine falsche Politik, vor allem in den Regionen der islamischen Welt, des Nahen Ostens und Nordafrikas fortsetzt", darf man sicher sein, dass man sich diese Einschätzung hierzulande in einschlägigen Kreisen umgehend zum Argument macht. Und wenn man in Moskau meint, es komme eine "Lawine nach Europa, der niemand Herr werden" könne, ist das nicht anders. Und auch nicht, wenn von dort aus in die Welt gesetzt wird, dass es sich bei den Flüchtlingen um "junge, kräftige, waffenfähige Männer" handelt, unter denen sich "ganz bestimmt Agenten und Werber für den Islamischen Staat" befinden und dass der Flüchtlingsstrom nichts sei als "ein Trojanisches Pferd von islamischen Terroristen", die, arbeitsscheu und geldgierig, zu Verbrechen neigten.

Die Liste solcher Aussagen und Einschätzungen ist lang, der Weg nach Westeuropa und Österreich kurz. Bei allen Krisen der vergangenen Jahre, die Europa plagten, war das so. Die Rechten nahmen die Vorwürfe und Sticheleien aus Russland auf und machten sie zu ihren Argumenten. Sie tun das nicht von ungefähr.

Putin arbeitet, da sind sich die politischen Beobachter einig, ganz gezielt am Aufbau einer Achse zur europäischen Rechten. Dazu gehört, dass Frankreichs Marie Le Pen auch schon einmal Geld bekommt, wenn sie's braucht. Dazu gehören Orbans gute Kontakte zum Kreml. Und zu dieser Zielgruppe gehört auch H.C Strache, der als Putin-Verehrer gilt. Er verteidigte, ganz so als wäre er PR-Agent des Kreml, die Annexion der Krim genauso, wie er Zweifel am Abschuss der Passagiermaschine über der Ostukraine äußerte, geißelt schon einmal die "Falken in der US-Regierung" und vertritt die Meinung, dass in den vergangenen Jahrzehnten nicht Russland als Aggressor aufgetreten sei, sondern es die Nato und die EU gewesen seien, die sich in Richtung russischer Grenze ausgedehnt hätten. Ganz so, als hätte es keine Mehrheit in der Bevölkerung in diesen Staaten gegeben, die nichts sehnlicher als genau das gewollt hätte.

Diese Mischkulanz aus Taktik, strategischen Überlegungen und politischen Eitelkeiten wirkt jedenfalls. Auch, weil Europa und seine schwache Europäische Union und auch die USA dem nichts entgegensetzen. Im Gegenteil. Man duckt sich weg, man schiebt auf, man sitzt aus, man schaut weg und man redet sich die Probleme lieber schön - und trägt auf diese Weise nachgerade vorsätzlich dazu bei, dass sich vieles von dem, was aus Russland in Europa gestreut wird, bestätigt. Die Ereignisse der vergangenen zwei Wochen sind beredtes Beispiel dafür. Da nimmt nicht wunder, dass die Stimmung im Land, die vor einer Woche noch zu drehen schien, nach den Vorgängen am Wochenende wieder am Kippen ist.

Dabei geht es gerade jetzt um Klarheit. Und es geht um Augenmaß, Machbarkeit und Verantwortung. Nur so ist zu vermeiden, dass Dinge entgleiten, wie das derzeit mit der Flüchtlingskrise der Fall zu sein scheint. Es gilt die Mitte zu finden. Mit einfachen Antworten und Lösungen, wie sie auf der einen Seite von den Flüchtlingshelfern und auf der anderen Seite von den Einwanderungs-Gegnern geboten und gefordert werden, ist niemandem geholfen. Schon gar nicht der Sache und den Menschen, die Hilfe suchen - nur den Rechten, Strache und wohl auch Russlands Putin.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. September 2015

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