Montag, 24. August 2015

Schweine bringen Bauern kein Glück



Nicht nur die Milchbauern haben mit niedrigen Preisen zu kämpfen. Auch die Schweinebauern schlagen Alarm. Für viele geht es um die Existenz. Und für Österreich um die Selbstversorgung.

Hans Gmeiner Salzburg. Das Schnitzel, Lieblingsessen der Österreicher, nährt die heimischen Schweinebauern nicht mehr. Um weniger als fünf Euro ist ein Kilogramm Schnitzelfleisch derzeit in Sonderangeboten zu haben. „Minus 42 Prozent“, damit wirbt dieser Tage eine große Handelskette. Bei anderen Fleischsorten ist es kaum anders. Der Markt ist übervoll. „Die Welt ist ein Dorf und das Dorf ist voll mit Schweinefleisch“, sagt Hans Schlederer, der als Geschäftsführer der Schweinebörse einen Großteil der heimischen Mastschweine vermarktet.

Derzeit bekommt der Landwirt gut 150 Euro für ein ausgewachsenes, 120 kg schweres Schwein. Das sind kaum 1,3 Euro pro Kilogramm – so wenig wie seit sieben Jahren nicht mehr. Und er muss mit weiteren Preisrückgängen rechnen. Bei Frischfleisch erweisen sich selbst Qualitätsprogramme wie das AMA-Gütesiegel oder die Betonung der Regionalität als wirkungslos. Gar nicht zu reden vom Fleisch für Verarbeitung und Gastronomie, das zwei Drittel des Marktes ausmacht. Denn dort zählt nichts als der Preis. Was auf die Teller und in die Würste kommt, muss vor allem billig sein, ist vielerorts die zentrale Strategie.

Verantwortlich für die Krise ist die russische Importsperre. Ersatzmärkte dafür zu finden, erweist sich als wesentlich schwieriger als angenommen. Vor allem für fettes Fleisch und geringwertigere Teile fehlt plötzlich der Markt. Verschärfend kommt dazu, das Deutschland in den vergangenen Jahren die Produktion auf 115 Prozent des Eigenbedarfs ausgebaut hat und entsprechend auf den Markt drückt.

Die Politik war und ist mit der Situation überfordert. Zu lange schaute man zu, anstatt rasch wirksame Entlastungsmaßnahmen zu starten. Eine Fleischeinlagerungsaktion der EU kam viel zu spät und blieb ohne Wirkung. Ohne Wirkung blieben auch die von der heimischen Agrarpolitik angekündigten Exportoffensiven. China und Südkorea würden den Russland-Ausfall kompensieren, versprach man den Bauern vor Jahresfrist. „Wir haben heute noch immer keine Zulassungen für China“, sagt Rudolf Großfurtner, Inhaber eines der größten Schlachtbetriebe des Landes darauf verärgert. Ganz abgesehen davon, dass alle großen Erzeugerländer der Welt auch um den chinesischen Markt buhlen. „Wegen ganz anderer Betriebsgrößen und wegen geringerer Auflagen erzeugen diese Länder Schweinefleisch um 20 bis 25 Prozent billiger als wir“, dämpft Schlederer zu große Erwartungen.

Gegenüber Ländern wie Kanada, Brasilien, aber auch Deutschland nehmen sich die Tierbestände, von denen Österreichs Schweinebauern ihr Auskommen erwirtschaften sollen, als mickrig aus. 60 Prozent von ihnen haben weniger als 400 Tiere im Stall. Im EU-Schnitt liegen 80 Prozent der Tierbestände jenseits der 400-Tiere-Grenze. In Dänemark und einigen anderen Ländern liegt der Anteil solcher Großbetriebe mit oft Zigtausenden Tieren sogar jenseits der 95 Prozent.

Die Markt- und Absatzkrise gilt inzwischen als existenzbedrohend. „Nur die Hälfte der Bauern hat die Kraft, auch die derzeitigen Krisenjahre zu überstehen“, sagt Schlederer. Dabei fegten schon die Schwierigkeiten der vergangenen Jahre wie ein Tsunami durch die heimischen Schweineställe. Gab es 1995, dem Jahr des EU-Beitritts, noch 112.000 Schweinehalter in Österreich, so sind es derzeit gerade einmal 26.000. Dagegen verblasst sogar der Strukturwandel in der Milchwirtschaft. Dort sank die Zahl der Produzenten in diesem Zeitraum von 81.000 auf 30.000.

Die Stimmung bei den Schweinebauern ist im Keller. Man hat das Gefühl, mit aussichtslosen Waffen und ohne große Aussichten auf Erfolg einen Kampf gegen eine übermächtige Konkurrenz führen zu müssen. Die Investitionstätigkeit ist fast bei null angelangt. Die Bauern fühlen sich im Stich gelassen. „Alle lehnen sich zurück, weil sie bekommen, was sie gerne haben – billige Produkte“, sagt Schlederer.

Die Branche und die Politik wirken ratlos. Nicht einmal mehr die großen Handelskonzerne mag man attackieren. „Der Handel setzt wenigstens auf österreichische Herkunft, da müssen wir schon froh sein“, sagt Großfurtner, in dessen Betrieb in Utzenaich jährlich 700.000 Schweine nicht nur aus Österreich geschlachtet werden.

Nun setzt man Hoffnungen darauf, dass die EU mit Russland über Schweinefleischprodukte verhandelt, die nicht auf der Embargo-Liste stehen, und auf Verständnis für die Lage der Schweinebauern. „In der Energieproduktion ist es nationales Ziel, von Importen unabhängig zu sein, und bei Lebensmitteln wie Schweinefleisch setzt man diese Unabhängigkeit aufs Spiel, als sei sie nichts wert“, sagt Oberösterreichs Landesrat Max Hiegelsberger, selbst Schweinebauer.

Seine Befürchtungen könnten bald Wirklichkeit werden. „Wenn es so weitergeht, werden wir bald einen Selbstversorgungsgrad von nur mehr 60 Prozent haben“, ist Großfurtner überzeugt. Noch sind es 100 Prozent.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 24. August 2015

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