Donnerstag, 9. Juli 2015

Warum Griechenland?



In diesen Tagen fühlen sich nicht wenige Österreicherinnen und Österreicher wieder einmal richtig gut. Sie haben ein klares Feindbild. Und viele nutzen die Gelegenheit auch weidlich. Man zeigt auf Griechenland und seine Bewohner, die Griechen. Jahrelang hätten sie über ihre Verhältnisse gelebt, weiß man. Schadenfreude ob der Schwierigkeiten schwingt mit und oft auch eine große Portion Zynismus. Sorgen macht man sich allenfalls um den bevorstehenden Griechenlandurlaub, den man bereits gebucht hat und um das Geld der EU, das "von uns allen" kommt. Geld, das man doch selbst viel besser verwendet hätte und das man so dringend brauchen hätte können.

Geld und Griechenland? Diese beiden Worte kommen ohnehin praktisch ausschließlich nur mehr zusammen mit dem Wort "nachgeschmissen" daher. Die Leute sollen sparen, die sollen sich nicht gegen die Auflagen wehren, die seien ja frech, heißt es allerorten.

Viele von denen, die in diesen Tagen gerne große Reden führen und Ratschläge für die griechische Regierung und das griechische Volk haben, sollten sich selbst an die Nase nehmen. Was, sind sie zu fragen, wäre bei uns anders?

"Nicht viel" wäre als Antwort gar nicht so falsch. Es geht uns halt nur besser. Noch möchte man hinzufügen, wenn man die Entwicklungen und Volten Österreichs und seiner Politik Revue passieren lässt.

Bei Licht betrachtet und jenseits des Stammtisches, unterscheidet sich das Verhalten der Griechen, die sich mit so großer Vehemenz gegen den unvermeidlichen Sparkurs wehren, kaum vom Verhalten, das auch hierzulande allzu gerne kultiviert wird. Da wie dort geht es um die eigene Haut und um das eigene Fortkommen. Um die eigenen Träume und um die eigenen Pläne, um den Lebensstandard schlechthin. Da findet man schnell jemanden bei dem es richtiger ist zu sparen, da sprudeln im Nu die Argumente, warum das bei einem selbst nicht geht und warum man auf nichts verzichten kann. Und überhaupt, man könne ja nichts dafür. Da wie dort.

Vielen von denen, die mit schnellen Rezepten da sind, sei empfohlen in sich zu gehen, bevor sie mit den Fingern auf die Griechen zeigen. Und es sei ihnen empfohlen sich in Zurückhaltung zu üben. Denn zumeist sind sie selbst kaum anders.

Man braucht nur an die Steuerreform zu denken und an die zahllosen unsäglichen und oft weinerlichen Diskussionen drumherum. Man muss nur daran denken, wie einfach es sich die linke Reichshälfte in diesem Land macht, nach Reichensteuern in allen Formen zu rufen, um die Sause, die die öffentlichen Haushalte aus dem Gleichgewicht gebracht hat, ungeniert und ohne viele Einschränkungen fortzusetzen. Und eine österreichische Krankheit ist, sich als Bürgerin und Bürger der Verantwortung für das Gesamte zu entziehen. Statt dessen gibt man sich mit viel größerer Verve der Jagd auf die Rosinen hin, die das System bietet.

Gerade in den vergangenen Monaten wurde deutlich sichtbar, wie kaum je zuvor, dass Österreich längst nicht mehr die Insel der Seligen ist, an der man jahrzehntelang sein Selbstbewusstsein wärmte. Die Schulden der öffentlichen Haushalte explodieren, als Wirtschaftstandort verliert das Land an Terrain. Während rundherum die Arbeitslosigkeit sinkt, herrscht in Österreich Rekordarbeitslosigkeit. Und das alles, obwohl unsere kleine Alpenrepublik zu den Höchststeuerländern zählt.

Österreich verliert der Reihe nach seine guten Plätze in den internationalen Rankings. Alle Geschwüre, Missbildungen und Blasen, vor denen viele Experten seit Jahren warnen, brechen nacheinander auf. Das Land verliert seinen Halt.

Gesteuert von einer oft fahrlässig feigen wie hilflosen Politik treibt unser Land, ähnlich dem Land im Süden Europas, von dem man alles besser weiß, in die Hände von Populisten, denen jede Verantwortung fremd ist, wenn es nur um das eigene Wohl geht.

Auch bei uns, scheint es, hat die Vernunft, so denn je versucht wurde sie einzusetzen, kaum Raum. Es werden Klientelen bedient und es wird plumpe Politik gemacht, ohne Nachhaltigkeit, ohne Konzept und ohne Visionen. Und auch ohne Herz. Entscheidungen werden aufgeschoben, Themen zerredet und schubladiert, Probleme nicht gelöst. Der nächste Wahltag ist das Ziel. Und sonst nichts. Und da will man gut da stehen.

Die Politiker in Griechenland haben das auch in den vergangenen Jahren so gehalten. Warum, fragt man sich da, zeigt man dann bei uns so gerne mit dem Finger auf Griechenland?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Juli 2015

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