Samstag, 25. Juli 2015

Bauern stecken im Preistief



Die Agrarmärkte sind weltweit am Boden. In Österreich spüren das vor allem die Milch- und Schweinebauern. Die Getreidebauern hoffen noch auf eine Marktwende.

Hans Gmeiner

Salzburg. Die Bauern stecken in einem hartnäckigen Preistief. Seit dem Preishoch 2007 und 2008, als allerorten wegen der explodierenden Nahrungsmittelpreise die Alarmglocken schrillten und es in manchen Regionen sogar zu Aufständen kam, geht es mit den Preisen zumeist nur mehr bergab.

Laut der Welternährungsorganisation FAO lagen die Nahrungsmittelpreise im Mai 2015 weltweit auf dem niedrigsten Stand seit sechs Jahren. In praktisch allen Produktionssparten gab es innerhalb der vergangenen zwölf Monate Rückgänge im zweistelligen Prozentbereich. So lag heuer der Getreidepreisindex um 22,4 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Bei Pflanzenölen waren es minus 21 Prozent. Und auch bei Fleisch, Milch und Zucker lagen die Indizes deutlich im Minus. Insgesamt weist die FAO beim Lebensmittelpreisindex einen Rückgang von 20,7 Prozent binnen Jahresfrist aus. Im Juni gab es abermals ein Minus von 0,9 Prozent gegenüber dem Vormonat. Damit erhöhte sich der Rückgang innerhalb eines Jahres auf 21 Prozent.

Die Entwicklung macht auch vor der heimischen Landwirtschaft nicht halt. Die Milchpreise für die Erzeuger rutschen seit Monaten in den Keller. Erst mit 1. Juli läuteten die großen heimischen Molkereien eine neuerliche Preissenkungsrunde ein. Die Berglandmilch zahlt ihren Lieferanten nur mehr 30 Cent netto für einen Liter Milch. Um keinen Cent mehr zahlt inzwischen auch die NÖM. Wie groß der Druck ist, zeigt eine Meldung aus Deutschland. Dort gab es Anfang Juli bei einem Diskonter einen Liter Haltbarmilch um 25 Cent zu kaufen. „Haben die jeden Respekt verloren?“, protestierten erboste Bauern daraufhin postwendend in den sozialen Netzwerken.

Den Schweinebauern geht es ganz ähnlich. Dort lagen die Preise, die den Bauern gezahlt wurden, Ende Juni auf einem Sieben-Jahres-Tief. Statt des saisonüblichen Anstiegs zur Grillsaison und einem Preis von rund 1,50 Euro pro Kiligramm bekamen die Bauern gerade einmal 1,28 Euro. Als verantwortlich für die Malaise sieht Hans Schlederer von der Österreichischen Schweinebörse das Russland-Embargo und die niedrigen Preise in Deutschland. Dort rutschten die Preise binnen Wochenfrist um zehn Cent hinunter. Inzwischen gibt es zwar eine leichte Erholung. „Von den ursprünglichen Erwartungen sind wir aber noch weit entfernt“, sagt Schlederer.

Hoffnungen, dass die schlechten Preisprognosen Lügen gestraft werden, machen sich nach der Hitzewelle im Juli die Ackerbauern. Je heißer die Sonne vom Himmel brannte, desto stärker stiegen die Kurse für Weizen, Mais, Gerste und Raps auf der für Österreich maßgeblichen Warenterminbörse Matif. Insbesondere in Frankreich und Deutschland befürchtet man Ertragsrückgänge als Folge der Hitze und damit ein knapperes Angebot. Die Ackerbauern müssen seit Jahren mit enormen Preisschwankungen zurechtkommen. Von knapp 100 bis zu 220 Euro pro Tonne war etwa beim Mahlweizen in den vergangenen Jahren alles drin. Auch wenn zuletzt die Kurse wieder gefallen sind, glauben Marktkenner wie Christian Krumphuber von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, dass es doch noch etwas wird mit guten Preisen. „Ich glaube nicht, dass die Hitzeperiode spurlos vorbeigeht“, sagt er.

Die Aussicht der Bauern auf gute Preise bleibt dennoch trüb. „Die Landwirtschaftsprodukte werden in den kommenden zehn Jahren allmählich günstiger“, prognostizierte erst jüngst die OECD. Begründet wird die Vorhersage mit hoher Produktivität in der Landwirtschaft und der gleichzeitig langsamer wachsenden Nachfrage. Zudem verringerten die niedrigen Ölpreise den Anreiz zum Umstieg auf Biotreibstoffe, was den Markt entlaste. Zu früh sollten sich die Konsumenten freilich nicht freuen. Und zu früh müssen sich die Bauern auch nicht fürchten. „Der Ausblick auf die globale Landwirtschaft ist zwar ruhiger als in den vergangenen Jahren, wir können aber das Risiko von neuerlichen Preisspitzen in den kommenden Jahren nicht ausschließen“, sagte OECD-Generalsekretär José Ángel Gurría bei der Präsentation der Prognose.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. Juli 2015

Donnerstag, 23. Juli 2015

Land in Nebel - und Filz



Es ist aus Filz, rot, hässlich und unnütz. "Schlüssel für mehr Gerechtigkeit" steht drauf. Und auf der Verpackung ist die Firma vermerkt, die den Schlüsselanhänger importierte. Es ist, das sei angemerkt, ein Werbeschenk jener Partei, die sich just der heimischen Arbeiterschaft und dem Erhalt hiesigen Arbeitsplätzen verschrieben hat. Auf dem Papier zumindest. Und in den Sonntagsreden ihrer Proponenten.

Es soll gute Stimmung machen und einen für die Partei einnehmen. Warum freilich, erschließt sich dem Beschenkten nicht. Aber macht wohl nichts. Das Geld dafür hat man, wie man weiß. Österreichs Parteien haben sich ein, wie es dieser Tage eine Tageszeitung formulierte, "Schlaraffenland" an Förderungen eingerichtet. 135,5 Millionen Euro direkt plus gut 70 Millionen an zweckgebundener Förderung für die Parlaments-und Landtagsclubs und die Parteiakademien genehmigen sich die Parteien Jahr für Jahr aus dem Steuertopf. Ohne die Förderungen für die Gemeinden wohlgemerkt. Diese Summe fließt alleine an Parteiorganisationen auf Bundesund Landesebene.

Mehr als 200 Millionen für die paar Parteien - das ist keine Petitesse mehr, sondern das ist richtig viel Geld, wenn man es in Relation zu anderen Förderungen setzt. Etwa zu jenen für die so oft und so gerne gescholtene Landwirtschaft. Diese 200 Mio. Euro für die paar wenigen Parteien mit ihren gerade einmal ein paar tausend Mitarbeitern entsprechen fast 20 Prozent der jährlichen Förderungen, die an gut 150.000 Bauern fließen, auf dass sie das Land mit Essen versorgen, die Umwelt schützen und die Landschaft schön und fremdenverkehrstauglich erhalten.

Aber sei's drum. Bemerkenswert - und ärgerlich - ist vor allem, dass sich die Parteien mit Händen und Füßen dagegen wehren, die Geldflüsse offenzulegen, während sie bei den Bauern keinerlei Skrupel und jede Menge Argumente haben, von ihnen eine Offenlegung auf Heller und Pfennig zu verlangen. Im Internet und einsichtbar für jedermann. Aber diese Verschlossenheit fügt sich in die Gepflogenheiten dieses Landes, in dem das Florianiprinzip den politischen Takt vorgibt. Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' and're an!

Nicht nur politische Parteien sind es, die sich gegen mehr Transparenz wehren, wenn es um das eigene Geld geht. Das gilt auch für die Kammern und das gilt auch für die Medien. Allerorten wird allemal lieber gerne gemauschelt, vernebelt und, wenn's sein muss, auch vertuscht, wenn die Neugier der Öffentlichkeit allzu groß wird.

Dass das dabei mitunter seltsame wie entlarvende Blüten treibt, zeigte sich in den vergangenen Wochen gleich mehrmals. Am amüsantesten - und entlarvendsten - war wohl, wie just jener freiheitliche Reimeschmied in den Verdacht geriet, öffentliche Gelder via Inseratenaufträge in die FPÖ-Parteikasse umgeleitet zu haben, der den FPÖ-Slogan "Unser Geld für unsere Leut'" erfand und wie schnell er auf Tauchstation ging.

Er war nicht der Einzige, dessen Verständnis von Transparenz dieser Tage entblößt wurde. Nationalratspräsidentin Doris Bures geriet wegen Inseratenaufträgen in die Schlagzeilen. Dem Bundeskanzler haftet seit jeher der Geruch an, in erster Linie dank Inseraten-Millionen in die Gunst des Boulevards und in der Folge ins Amt gekommen zu sein. Und die Arbeiterkammer musste sich erst kürzlich fragen lassen, was ein Vergleich von Mitteln gegen Pickel und Mitessern denn bitte mit der Vertretung von Arbeitnehmern und einer zweckmäßigen Einsatz der Gelder zu tun habe, für die jedem unselbstständig Beschäftigten hierzulande zwangsweise 0,5 Prozent des Bruttoeinkommens abgeknöpft werden.

Dinge wie diese machen nachvollziehbar, dass man die Transparenz scheut. Zumindest dann, wenn es um die eigenen Angelegenheiten geht. Die Unverfrorenheit, mit der man von anderen fordert, was man für sich selbst verweigert, ist in diesem Land längst unerträglich geworden. Die Registrierkassenpflicht gehört dazu, die de facto-Aufhebung des Bankgeheimnisses und vieles andere mehr. Gleiches gilt für die Doppelbödigkeit der Parteien, der Kammern und auch vieler Medien und all der anderen, die glauben, uns Tag für Tag oberlehrerhaft vorgeben zu müssen, was wir wie zu tun und zu unterlassen haben und was richtig und was falsch ist.

Und es gilt auch für Geschenke, wie den unnötigen Schlüsselanhänger aus rotem Filz, die letztendlich aus Fördergeldern bezahlt werden.

Wiewohl - in Wien wäre das im Sinne der Selbstdarstellung zumindest ehrlich.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Juli 2015

Montag, 20. Juli 2015

Das Ende der bäuerlichen Idylle



In den nächsten zehn Jahren wird ein Fünftel der Bauern aufgeben. Wer überleben will, setzt auf Nischenangebote oder auf Wachstum. Doch so einfach ist es nicht, an neue Flächen zu kommen.

Hans Gmeiner Salzburg. Vor rund sechzig Jahren gab es in Österreich noch mehr als 400.000 landwirtschaftliche Betriebe. Heute sind es nur mehr zirka 160.000. Obwohl sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren etwas verlangsamt hat, sperren immer noch sechs Bauern täglich Hof- und Stalltür für immer zu. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.

„Die Zahl der Betriebe wird in den nächsten zehn Jahren um weitere 21 Prozent auf knapp mehr als 130.000 zurückgehen“, erwartet Johannes Mayr, Chef des Marktforschungsinstituts Keyquest, der die heimische Landwirtschaft seit Jahren beobachtet. Überdurchschnittlich stark wird Mayrs Berechnungen zufolge die Zahl der Bauernhöfe sinken, die derzeit im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Grundlage seiner Einschätzung bildet eine Fortschreibung der Entwicklung des Strukturwandels in der Zeit seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995. Besonders markante Einschnitte sind demnach bei den Milchbauern zu erwarten, deren Zahl in den vergangenen Jahren ohnehin bereits dramatisch gesunken ist. Mayr erwartet, dass die Zahl der Milchlieferbetriebe in den kommenden zehn Jahren von derzeit knapp 30.000 auf unter 18.000 sinken wird. Ähnlich dramatisch werde auch die Entwicklung bei den Schweinehaltern verlaufen.

„Für rund die Hälfte der österreichischen Bauern geht es ums Überleben als Landwirte“, sagt Mayr. Für sechs Prozent stehe schon jetzt fest, dass sie mit der Landwirtschaft über kurz oder lang Schluss machen werden. Elf Prozent wollen sich laut Mayr aus dem Hamsterrad ausklinken und in den nächsten Jahren den Betrieb einschränken. Mayr: „Wer in der Landwirtschaft bleiben will, setzt entweder auf Produktionsnischen wie Direktvermarktung, Bio oder Urlaub auf dem Bauernhof oder auf Wachstum.“

Vor allem junge Bäuerinnen und Bauern, die bereits über viel Fläche verfügen, sehen laut Keyquest ihre Höfe als Wachstumsbetriebe. „Aufstockung der Tierbestände und Zupachtung von Flächen stehen im Mittelpunkt ihrer Zukunftsstrategien.“ Schon in den vergangenen Jahren schnellte die durchschnittliche Milchliefermenge pro Landwirt von 17.000 auf 90.000 Kilogramm pro Jahr hinauf und wird weiter steigen. „Bei Milch ist zu erwarten, dass sich die durchschnittliche Liefermenge bis 2025 auf knapp 200.000 Kilogramm mehr als verdoppelt“, schätzt Mayr. Ein durchschnittlicher Schweinemastbetrieb hält heute statt 53 Stück, wie noch vor zehn Jahren, mehr als 100 Tiere. In dem Tempo wird es in vielen landwirtschaftlichen Produktionssparten weitergehen.

Seit dem EU-Beitritt wuchs die Durchschnittsfläche eines landwirtschaftlichen Betriebs in Österreich (inklusive der Waldflächen) von 31,5 auf 44,2 Hektar. Die Vergrößerung der landwirtschaftlichen Betriebe hängt oft an der Möglichkeit, Flächen zuzupachten. „Die Fläche ist die neue Quote“ heißt es etwa in der Milchwirtschaft seit dem Wegfall der Lieferrechte. Gemeint ist damit, dass ein Milchbauer die Tierbestände kaum vergrößern kann, wenn ihm die Flächen fehlen, auf denen die entsprechenden Futtermengen wachsen.

Zupachten ist freilich nicht immer leicht. „Die Nachfrage nach Pachtflächen ist in vielen Regionen viel größer als das Angebot“, sagt Mayr. „Das erweist sich oft als Hemmschuh für die Pläne der Bauern, wird doch bereits rund ein Drittel der Fläche als Pachtfläche bewirtschaftet.“

Trotz des rasanten Wandels bleibt die heimische Landwirtschaft im internationalen Vergleich äußerst kleinstrukturiert. In praktisch allen Aufstellungen liegt Österreich im unteren Drittel, was die Flächenausstattung von Bauern und die Größe der Tierbestände angeht. Will die heimische Landwirtschaft aufholen und will sie preislich konkurrenzfähig bleiben, muss der Strukturwandel weitergehen. Darum sehen viele Bauern die Veränderungen nicht nur als Bedrohung.

Ein Umfrage von Keyquest ergab, dass knapp ein Drittel der Bauern den Strukturwandel für den eigenen Betrieb als Chance sieht. „Denn das bietet ihrer Ansicht nach die Möglichkeit zu wachsen und so die Zukunft abzusichern“, sagt Mayr. Die Konsumenten müssten um die sichere Versorgung nicht fürchten. „Immer weniger Bauern produzieren auch in Zukunft ungefähr gleich viel zu niedrigeren Preisen“, sagt Mayr.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. Juli 2015

Dienstag, 14. Juli 2015

Biobauern suchen neue Linie



Gerti Grabmann ist neue Chefin bei Bio Austria. Sie muss wieder Ruhe in den größten heimischen Biobauernverband bringen.

HANS GMEINER
Die Konsumenten kaufen immer mehr Bio, die Zahl der Biobauern aber stagniert. In Tirol und Vorarlberg gab es sogar starke Rückgänge. Steckt der Biolandbau in Österreich in einer Krise?

Grabmann: Nein, das glaube ich nicht. Aber wir sind ganz sicher gefordert, mehr Bauern zu Bio zu bringen. Ich möchte einen breiten gesellschaftlichen Zukunftsdialog führen, an dem sowohl Bauern als auch Konsumenten und alle, die mit Bio zu tun haben, teilnehmen. Ziel ist es, konkrete Schritte zur Stärkung der biologischen Landwirtschaft zu entwickeln.

Wie genau wollen Sie den Bauern Gusto auf Bio machen?

Ich will zeigen, was biologische Bewirtschaftung ist, was sie kann und welche Möglichkeiten sie bietet. Es gibt immer mehr, die umsteigen wollen, weil sie genug haben vom Zwang, immer größer werden und immer mehr leisten zu müssen für immer weniger Ertrag. Aber es hängt stark von den Rahmenbedingungen ab, ob diese Bauern den Schritt in die Biolandwirtschaft dann auch wirklich machen. Wir müssen alles an Unterstützung geben, wenn es um Ratschläge geht.

Sind Biobauern die besseren Bauern?

Wir sind nicht die besseren Bauern. Ich unterscheide nicht zwischen gut und schlecht. Mir ist dieses Denken fremd. Es muss für den Einzelnen passen. Ich bin auch nicht als Biobäuerin auf die Welt gekommen, sondern meine Lebenseinstellung hat mich zu Bio gebracht.

Milch, Gemüse, Brot, Eier und Obst sind Renner im Verkauf. Bei Fleisch geht nichts weiter. Warum ist das so?

Das wissen wir selbst auch nicht recht. Aber die wenigen offiziellen Zahlen täuschen, weil darin die Direktvermarktung von Fleisch und die Gastronomie nicht enthalten sind. Da gibt es jedenfalls einen deutlichen Trend, der in den Statistiken kaum Niederschlag findet. Vor allem auf dem Land fährt man immer öfter lieber direkt zum Bauern als in den Supermarkt.

Bei Milch gab es Kritik an heimischen Molkereien, weil die Preise für Biomilch an jene für konventionelle Milch gekoppelt waren.

Die Koppelung gibt es nach wie vor. Aber wir sehen seit einiger Zeit eine positive Entwicklung beim Biozuschlag. Wir wollen aber eine Preisfindung, die der Nachfrage auf dem Biomarkt entspricht, also eine vollständige Entkoppelung des Biomilcherzeugerpreises vom Preis der konventionell erzeugten Milch. Biomilch ist sehr gefragt. In den kommenden Monaten wollen wir unser Wiesenmilch-Projekt, das in Kärnten sehr gut angelaufen ist, ausbauen. Wo und mit welchen Molkereien, das muss sich erst herausstellen.

Was wünschen Sie sich von der heimischen Agrarpolitik?

Verständnis, Wohlwollen und Wertschätzung für die Biobauern. Wir wollen Perspektiven. Ich finde, es sollte über eine Neubewertung der Leistungen der Biobauern für Gesellschaft, Klima und Umwelt geredet werden. Der Aufwand für solche indirekten Leistungen soll so abgedeckt werden, dass es für die Bauern auch passt. Bei der EU-Bioverordnung sind noch manche Dinge nachzuschärfen. Dazu gehört die jährliche Kontrolle der Biobauern, die die Verordnung aufweichen will.

Wie sehen Sie das Verhältnis zum Lebensmittelhandel?

Ohne Handel wäre die Entwicklung bei Bio nicht so gut gelaufen in Österreich. Der Handel ist aber immer wieder eine Herausforderung für uns Biobauern. Die Mechanismen orientieren sich an den Bedürfnissen des Handels und der Konsumenten, aber nicht immer an jenen der Bauern. Es ist geplant, in nächster Zeit Gespräche mit den Verantwortlichen zu führen.

Rewe bietet demnächst Produkte des deutschen Biobranchenriesen Alnatura an. Beobachter sprechen von einem Anschlag auf die heimische Biolandwirtschaft. Was sagen Sie dazu?

Dazu möchte ich jetzt noch nichts Konkretes sagen. Da will ich die Gespräche mit Rewe abwarten. Fakt ist: Rewe ist seit 25 Jahren Partner der Biolandwirtschaft in Österreich. Ich gehe davon aus, dass auch in Zukunft dieser Verantwortung entsprechend gehandelt wird.

Ihre Bestellung als Obfrau von Bio Austria kam für viele eher überraschend. Man war unzufrieden mit der Organisation. Man kämpft mit Mitgliederschwund und finanziellen Schwierigkeiten. Wie sehen Sie die Situation?

Es gibt jetzt einen anderen Stil in der Zusammenarbeit. Die Kommunikation ist direkt, der Informationsfluss schneller und offen. Ein Teil der Landesobleute hat entschieden, einen neuen Weg zu gehen und selbst in den Bundesvorstand einzuziehen. Ich habe zu dieser Funktion Ja gesagt, weil ich Kommunikation für wichtig halte. Man muss die Möglichkeit haben, sich mit Dingen auseinandersetzen zu können.

Bleibt in der Organisation kein Stein auf dem anderen?

So wird es nicht sein. Man muss nicht ein ganzes Haus abreißen, um bestimmte Bereiche zu ändern. Langsam und stetig zum Ziel zu kommen ist auch nicht verkehrt. Wir sind jetzt in der Aufarbeitungsphase. Im Herbst fangen wir mit der Diskussion der inhaltlichen Themen an. Es wird auch eine neue Geschäftsführung geben.

Bio Austria werden finanzielle Probleme nachgesagt . . .

Wir sind gerade dabei, das zu lösen. Es gibt ein Minus in der Bilanz. Wir finanzieren uns überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Förderungen. Das Landwirtschaftsministerium wird demnächst über Mittel entscheiden. Für uns ist das essenziell. Davon wird abhängen, ob wir unsere Leistungen für die Biolandwirtschaft, aber auch für die Gesellschaft auch noch in Zukunft erbringen können.

Woran soll man nach vier Jahren Ihre Handschrift erkennen?

Dass wir in Österreich mehr Biobetriebe insgesamt und mehr Betriebe in der Bio Austria haben und dass die sich gut aufgehoben fühlen. Man soll merken, dass sich die Biolandwirtschaft weiterentwickelt hat. Und ich möchte die Marke Bio Austria im Bewusstsein der Konsumenten verankern.

Wie geht es Ihnen mit dem Bild der Biobauern, das in der Werbung gezeichnet wird. Etwa mit dem sprechenden Ja!natürlich-Schweinderl?

Eigentlich gut. Ich halte selbst auch Freilandschweine. Aber die sprechen nicht mit mir, sondern ich spreche mit ihnen.

Gerti Grabmann bewirtschaftet in Münzkirchen (OÖ) einen Biobetrieb mit Mutterkuhhaltung, Freilandschweinen, Dinkel und Kartoffelanbau. Viele Jahre war sie Bezirksbäuerin in Schärding und Funktionärin bei Bio Austria auf Landesebene. Nach wie vor ist sie Stellvertreterin des Obmanns der Bezirksbauernkammer Schärding. Bio Austria ist mit rund 12.500 Mitgliedern (von rund 21.000 Biobauern in Österreich) der größte Verband der Biobauern. In Linz und Wien beschäftigt man in zwei Zentralstellen 36 Mitarbeiter.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. Juli 2015

Donnerstag, 9. Juli 2015

Warum Griechenland?



In diesen Tagen fühlen sich nicht wenige Österreicherinnen und Österreicher wieder einmal richtig gut. Sie haben ein klares Feindbild. Und viele nutzen die Gelegenheit auch weidlich. Man zeigt auf Griechenland und seine Bewohner, die Griechen. Jahrelang hätten sie über ihre Verhältnisse gelebt, weiß man. Schadenfreude ob der Schwierigkeiten schwingt mit und oft auch eine große Portion Zynismus. Sorgen macht man sich allenfalls um den bevorstehenden Griechenlandurlaub, den man bereits gebucht hat und um das Geld der EU, das "von uns allen" kommt. Geld, das man doch selbst viel besser verwendet hätte und das man so dringend brauchen hätte können.

Geld und Griechenland? Diese beiden Worte kommen ohnehin praktisch ausschließlich nur mehr zusammen mit dem Wort "nachgeschmissen" daher. Die Leute sollen sparen, die sollen sich nicht gegen die Auflagen wehren, die seien ja frech, heißt es allerorten.

Viele von denen, die in diesen Tagen gerne große Reden führen und Ratschläge für die griechische Regierung und das griechische Volk haben, sollten sich selbst an die Nase nehmen. Was, sind sie zu fragen, wäre bei uns anders?

"Nicht viel" wäre als Antwort gar nicht so falsch. Es geht uns halt nur besser. Noch möchte man hinzufügen, wenn man die Entwicklungen und Volten Österreichs und seiner Politik Revue passieren lässt.

Bei Licht betrachtet und jenseits des Stammtisches, unterscheidet sich das Verhalten der Griechen, die sich mit so großer Vehemenz gegen den unvermeidlichen Sparkurs wehren, kaum vom Verhalten, das auch hierzulande allzu gerne kultiviert wird. Da wie dort geht es um die eigene Haut und um das eigene Fortkommen. Um die eigenen Träume und um die eigenen Pläne, um den Lebensstandard schlechthin. Da findet man schnell jemanden bei dem es richtiger ist zu sparen, da sprudeln im Nu die Argumente, warum das bei einem selbst nicht geht und warum man auf nichts verzichten kann. Und überhaupt, man könne ja nichts dafür. Da wie dort.

Vielen von denen, die mit schnellen Rezepten da sind, sei empfohlen in sich zu gehen, bevor sie mit den Fingern auf die Griechen zeigen. Und es sei ihnen empfohlen sich in Zurückhaltung zu üben. Denn zumeist sind sie selbst kaum anders.

Man braucht nur an die Steuerreform zu denken und an die zahllosen unsäglichen und oft weinerlichen Diskussionen drumherum. Man muss nur daran denken, wie einfach es sich die linke Reichshälfte in diesem Land macht, nach Reichensteuern in allen Formen zu rufen, um die Sause, die die öffentlichen Haushalte aus dem Gleichgewicht gebracht hat, ungeniert und ohne viele Einschränkungen fortzusetzen. Und eine österreichische Krankheit ist, sich als Bürgerin und Bürger der Verantwortung für das Gesamte zu entziehen. Statt dessen gibt man sich mit viel größerer Verve der Jagd auf die Rosinen hin, die das System bietet.

Gerade in den vergangenen Monaten wurde deutlich sichtbar, wie kaum je zuvor, dass Österreich längst nicht mehr die Insel der Seligen ist, an der man jahrzehntelang sein Selbstbewusstsein wärmte. Die Schulden der öffentlichen Haushalte explodieren, als Wirtschaftstandort verliert das Land an Terrain. Während rundherum die Arbeitslosigkeit sinkt, herrscht in Österreich Rekordarbeitslosigkeit. Und das alles, obwohl unsere kleine Alpenrepublik zu den Höchststeuerländern zählt.

Österreich verliert der Reihe nach seine guten Plätze in den internationalen Rankings. Alle Geschwüre, Missbildungen und Blasen, vor denen viele Experten seit Jahren warnen, brechen nacheinander auf. Das Land verliert seinen Halt.

Gesteuert von einer oft fahrlässig feigen wie hilflosen Politik treibt unser Land, ähnlich dem Land im Süden Europas, von dem man alles besser weiß, in die Hände von Populisten, denen jede Verantwortung fremd ist, wenn es nur um das eigene Wohl geht.

Auch bei uns, scheint es, hat die Vernunft, so denn je versucht wurde sie einzusetzen, kaum Raum. Es werden Klientelen bedient und es wird plumpe Politik gemacht, ohne Nachhaltigkeit, ohne Konzept und ohne Visionen. Und auch ohne Herz. Entscheidungen werden aufgeschoben, Themen zerredet und schubladiert, Probleme nicht gelöst. Der nächste Wahltag ist das Ziel. Und sonst nichts. Und da will man gut da stehen.

Die Politiker in Griechenland haben das auch in den vergangenen Jahren so gehalten. Warum, fragt man sich da, zeigt man dann bei uns so gerne mit dem Finger auf Griechenland?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Juli 2015

Donnerstag, 2. Juli 2015

Brechende Dämme



Spätestens nach dem gescheiterten Flüchtlingsgipfel und dem dortigen, dem Vernehmen nach ungestümen und sogar lauten Aufeinanderprallen roter und schwarzer Granden, die eigentlich an einem Strick ziehen sollten, ist wieder die Rede von einer Regierungskrise. Ob zu Recht oder zu Unrecht, sei dahingestellt. Was jedenfalls zu konstatieren ist, ist eine Krise des Regierens. Statt klarer Linien und klarer Beschlüsse gibt es Zögern und Zaudern und voreilig verkündete Ergebnisse, die selten halten, was angekündigt war. Zuerst die von vielen als missraten empfundene Steuerreform, dann der hilflose, mitunter feindselige und oft nachgerade zynische Umgang mit dem immer stärker anschwellenden Flüchtlingsstrom. Da nimmt nicht wunder, dass das Klima in diesem Land immer giftiger wird. Dämme brechen. Mit einem Mal sind wieder offene Gräben zwischen Gesellschaftsgruppen sichtbar, tun sich Gegensätze auf, die man längst überwunden glaubte und bekommt man Dinge zu hören, die man glaubte nie mehr hören zu müssen.

Dass eine Abgeordnete in einer Rede im Nationalrat vorschlägt, Flüchtlinge in Bundesheer-Transportmaschinen abzuschieben, weil die "da so laut schreien können, wie sie wollen", ist unerhört. Genauso unerhört ist die Taferl-Aktion der oberösterreichischen Sozialdemokraten, mit der sie gegen eine - gar nicht geplante - Errichtung eines Asylzentrums in Linz Stimmung machten. Und gar nicht zu reden ist von Straches beispielloser Aktion, das Amokfahrt-Drama von Graz zur Stimmungsmache gegen Migranten und Flüchtlinge zu nutzen.

Was man längst überwunden glaubte, ist mit einem Mal wieder da. Nicht nur irgendwo in der Ferne und via Medien. Auch in der unmittelbaren Umgebung brechen die Dämme und fallen immer öfter die Hemmungen. Immer mehr glauben, in dieser Stimmung wieder alles sagen zu dürfen und nehmen sich kein Blatt vor den Mund, wenn es um "Empfehlungen" und "Lösungen" für das Flüchtlingsproblem geht. Da ereifert man sich darüber, dass in einem Zeltlager das Essen kritisiert wurde und es Streit gab. Da erzählt man sich an den Stammtischen Gerüchte über Flüchtlinge und strickt Mythen weiter, die jeder Wahrheit entbehren. Ungefragt und ungeprüft. Und da versteigt sich da und dort auch einmal einer, das Wort "Kugel" als "billigste Lösung" in den Mund zu nehmen.

Längst kommen diese Dinge nicht mehr aus der einschlägigen Ecke, sondern auch von Sozialdemokraten oder Parteigängern der Volkspartei. Denn mit Parteizugehörigkeit hat das nichts zu tun. Diese Leute sind überall.

Und niemand scheint sie zu bremsen. Selbst von kirchlichen Würdenträgern wird kolportiert, dass sie sich über die Kritik am Essen mokieren und da und dort eher in den Chor der Alles-und Besserwisser einstimmen, als sich gegen den Dammbruch zu stellen. Die Kirchenvertreter tun das zu wenig, die Vertreter der politischen Parteien ohnehin, aber auch viele anderen, die in der Gesellschaft etwas bewirken könnten. Sie halten sich zurück. Typisch österreichisch zurück, möchte man sagen. Nur nicht anstreifen.

Dabei wäre das gerade jetzt besonders wichtig, sollte die Diskussion nicht mehr weiter eskalieren und sollten nicht noch mehr Dämme brechen. Jeder ist gefordert, in seinem Umfeld dem allerorten aufschießenden Wahnsinn Paroli zu bieten. Dabei geht es gar nicht um die großen Dinge, wie darum, Quartiere für die Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, direkte Hilfe anzubieten oder Ähnliches, sondern einfach darum, nicht beifällig zu nicken, wenn jemand in der Arbeit, am Stammtisch oder sonstwo allzu krude und menschenverachtende Ideen und Meinungen zur Flüchtlingspolitik und zum Thema Migration und Ausländer kundtut. Es geht darum, dass man sich dann nicht wegduckt, sondern zeigt, dass man anders denkt, dass man den Gerüchten nicht freie Bahn lässt, sondern klar dagegen Stellung bezieht. Nur so kann man jenen den Rücken stärken, die sich gegen den Dammbruch wehren. Es gilt zu zeigen, dass man anderer Meinung ist und das zu sagen, statt sich um der guten Ruhe willen zurückzulehnen.

Viel zu viele in diesem Land tun das nicht. Sie machen damit den Weg frei nicht nur für die Freiheitlichen und ihr Gedankengut, sondern tragen auch dazu bei, dass sich auch die anderen Parteien zunehmend an diesem Gedankengut orientieren, um bei den nächsten Wahlen zum Erfolg zu kommen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Juli 2015
 
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