Donnerstag, 23. April 2015

Ehrenamt stößt an Grenzen



Ehrenamtliche Tätigkeiten haben in Österreichs gesellschaftlichem Leben einen hohen Stellwert. Im Sozialwesen, in der Bildung, im Sport, in der Kultur, in der Politik, in der Wirtschaft. Die Verantwortung, die in diesem Land viele Menschen als Mitarbeiter in Vereinen, Initiativen, Parteigruppen oder Genossenschaften auf sich nehmen, ist in manchen Sparten sehr groß. Nicht nur für sie selbst, sondern für die gesamte Gesellschaft. Vieles in diesem Land würde ohne sie und ohne die Organisationen und Gruppen, für die sie sich einsetzen, gar nicht funktionieren. Und dennoch macht man es ihnen immer schwerer - auch wenn von oben her immer wieder gerne das Hohelied auf die Bedeutung der ehrenamtlichen Arbeit gesungen wird. Man hat kaum Hemmungen, die Vorschriften immer weiter zu verfeinern, an die sich die Ehrenamtlichen und die Organisationen, für die sie tätig sind, zu halten haben. Da wird ein bisschen mehr verlangt, und dort auch. Es geht um immer rigider werdende bürokratische Auflagen, um immer straffere Kontrolle, um immer strengere steuerliche Vorschriften und um vieles anderes, was der Bürokratie-Baukasten hergibt. Dazu kommen immer rigidere Aus-und Fortbildungsfortschriften und oft auch Haftungsfragen, die vielen ein Engagement verleiden.

Da nimmt nicht wunder, dass es viele, die eigentlich Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit hätten, lieber doch mit dem Spruch halten, der insbesondere an Stammtischen immer wieder zu hören ist. "Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben."

Nicht verwunderlich ist daher, dass Organisationen und Einrichtungen, die auf ehrenamtliche Arbeit aufgebaut sind, immer öfter über Nachwuchssorgen klagen. Die Bereitschaft, Freizeit zu opfern, Wochenenden in Seminaren und wochentags Abende in Sitzungen zu verbringen oder bei Veranstaltungen Hilfsdienste zu leisten, sinkt angesichts der ständig höher geschraubten Anforderungen in manchen Bereichen zusehends.

Freilich, das Umfeld hat sich für die ehrenamtliche Tätigkeit in den vergangenen Jahren zuweilen regelrecht dramatisch gewandelt. Die Anforderungen schnellten in die Höhe und die Ansprüche, die gestellt werden. Die Materien, in denen die ehrenamtlichen Organisationen und Unternehmungen tätig sind, sind heute oftmals wesentlich komplexer als noch vor wenigen Jahren. Das verlangt als Voraussetzung für die Arbeit und auch für das Finden von Entscheidungen nach gediegenen Grundkenntnissen und stetiger Fortbildung.

Gedreht wird die Anspruchsspirale freilich auch dadurch, dass die Tätigkeit von auf dem Ehrenamt aufgebauten Organisationen zusehends in manchen Bereichen weniger gerne gesehen und als Konkurrenz empfunden wird. Zumal von Unternehmungen, die ihn ähnlichen Tätigkeitsfeldern arbeiten. Das beginnt bei den Vereinsfesten, die von den Wirten oft als unlautere Konkurrenz empfunden werden, und reicht bis ins Bankenwesen, wo vielen die genossenschaftliche Organisation, die von ehrenamtlichen Vertretern getragen wird, ein Dorn im Auge zu sein scheint.

Der Bogen der Vorhalte ist weit, von Lauterkeit getragen sind sie freilich nicht immer. Allzuoft geht es darum, sich lästige Konkurrenz vom Hals zu halten.

Da mag überall etwas dran sein. In manchen Bereichen ist man aber bereits dabei, die Grenzen zu überschreiten. Das gilt etwa für die Ausbildungserfordernisse, die die Finanzmarktaufsicht selbst den ehrenamtlichen Vorständen und Aufsichtsräten der Raiffeisenbanken auf der Primärebene auferlegt. Da mögen die Fortbildungsveranstaltungen für die Fit & Proper-Richtlinie noch so interessant gestaltet sein, es macht es sicherlich nicht einfacher, neue Funktionäre zu rekrutieren, zumal solche, die im täglichen Leben nicht als Juristen oder Betriebswirte tätig sind, sondern die das gesamte Spektrum der Bevölkerung repräsentieren.

Es drängt sich aber nicht nur im Bankwesen der Eindruck auf, dass die Gefahr groß ist, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Viel zu oft ist das in diesem Land schon passiert in den vergangenen Jahren. Traditionsreiche Veranstaltungen verschwanden, viele Aktionen werden nicht mehr durchgeführt, allerorten kämpft man mit Problemen und wachsender Bürokratie und die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, schwindet.

Man sollte alles daran setzen, diese Entwicklung zu bremsen und Wege zu finden, die für alle tragbar sind und trotzdem die geänderten Anforderungen erfüllen -im Sinne dieses Landes, das nicht zuletzt durch ehrenamtliches Engagement zu dem geworden ist, was es heute ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. April 2015

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