Freitag, 3. April 2015

Agrarisches Multi-Organversagen



Gut Meinende meinen, dass es sich für die Bauern bei der Steuerreform noch einmal ausgegangen ist. Weniger gut Meinende und vor allem solche, denen eine Stange Geld kostet, was die Spitzen von ÖVP und SPÖ hinter verschlossenen Türen ausgemacht haben, halten das Ergebnis eher für ein Multi-Organversagen der Agrarvertreter. Namentlich jener in der ÖVP, die sonst nie müde wird zu betonen, dass sie die einzige Partei sei, die die Bauern vertritt.

Sie fragen, wie passieren konnte, dass die Bemessung der Grunderwerbssteuer nach Verkehrswert auch für die Landwirte überhaupt in den ursprünglichen Vorschlag kommen konnte. Sie fragen sich, woher die Mehrwertsteuerideen kamen. Sie fragen sich angesichts der vielen notwendigen Erklärungen und nachträglichen Klarstellungen, wie die Vorschläge zustande kamen und wie und in welcher Form die Bauernvertreter überhaupt eingebunden waren. Ob sie überhaupt gefragt wurden, oder ob die Bauernvertreter das, was da über Wochen am Verhandlungstisch ausgehandelt wurde, nicht verschlafen haben?

Und es ist nichts, denn äußerst befremdlich zu nennen, wenn namhafte Vertreter von wichtigen Betriebszweigen der Landwirtschaft und Unternehmungen, deren Telefonnummern man immer genau weiß, wenn es um Inserate für die eigenen Medien geht, im Vorfeld nicht um ihre Einschätzung gefragt und mit Ergebnissen überrascht werden.

Vertrauen weckt all das nicht. Souveränes Handeln schaut anders aus.

Der Ärger der Betroffenen ist verständlich. Gerade in Branchen wie der Schweinemast oder der Rindermast, wo es jeden Tag um jeden Cent geht, wo man ohnehin mit den günstigeren Mehrwertsteuersätzen in anderen Ländern zu kämpfen hat. Dass man dann von den "eigenen Leuten unterlaufen wird, tut weh", wie einer sagt. Und: "Es ist ein Desaster, was da angerichtet wurde".

Ihm ist nur recht zu geben. Und Leuten wie ihm ist auch recht zu geben, wenn sie genug davon haben,  von den Agrarpolitikern ständig zu Verständnis und Dankbarkeit angehalten zu werden. "Es hätte ja noch schlimmer kommen können", heißt inzwischen permanent und von oben herab.

Die Agrarreform haben die Bauern so schlucken müssen, den Wegfall der Dieselrückvergütung, die Immobilienertragssteuer, die Erhöhung der Abgabe für Land- und fortwirtschaftliche Betriebe und vieles andere mehr. Und seit Jahren sind die Bauern angehalten, dankbar zu sein für die Erhaltung des Pauschalierungssystems samt Abwehr der Verkehrswerte für die Bemessung des Einheitswertes und vieler anderer Gebühren, wenn sie etwas schlucken sollen, das ihnen nicht passt.

Das mag alles schön und gut ein, aber immer öfter drängt sich der Verdacht auf, dass diese Argumentation missbraucht wird, um vom eigenen Unvermögen oder von eigenen Fehlern abzulenken.

Die Vorgänge rund um die Steuerreform und die Mitwirkung, respektive Nicht-Mitwirkung, der Bauernvertreter daran, legen diesen Verdacht nahe. Sie fügen sich aber in die Art und Weise wie die Agrarpolitik hierzulande zuweilen betrieben wird - mit viel heißer Luft in öffentlichen Äußerungen und inflationär vielen Ankündigungen und Absichtserklärungen, denen nur selten zählbare Ergebnisse folgen. 

"Die spielen vor allem für die Galerie", sagt man in solchen Fällen im Fußball. Denkt man an die Steuerreform und die vielen nachgereichten und dafür umso wortreicheren Erklärungen, muss man das, wie in vielen Fällen auch, auch für die heimische Agrarpolitik sagen.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 3. April 2015

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