Freitag, 27. Februar 2015

60 Millionen "nicht erwähnenswert"



60 Millionen Euro sind viel Geld. Zumal in der Landwirtschaft. Das hätten viele gerne. Dafür würden manche viel geben. Und um so eine Summe haben schon viele gekämpft. Mitunter mit Haken und Ösen. Damit würde sich viel machen lassen. Damit wäre auch vielen geholfen.

Vielen, aber nicht allen. Zumindest nach Einschätzung des einen oder anderen Politikers in diesem Land. Und sei er noch so jung. Und hat er einem bisher immer als Hoffnung gegolten dafür, dass sich ein neues Denken breit macht. Wie der Präsident der österreichischen Weinbauern etwa. Der gilt, seit er die politische Bühne betreten hat, als hoffnungsvoller Nachwuchs der heimischen Agrarpolitik, sitzt längst im Nationalrat und wurde vom Minister sogar damit betraut, einen Arbeitskreis zu betreuen, der für den Pflanzenbau eine Strategie für die Zukunft entwickeln soll. 

Dieser junge Präsident schätzt die 60 Millionen Euro, die da ihm und seinen Kollegen im Zuge der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik hineingeschneit sind, offenbar gar nicht. Schon im Vorjahr ließ er bei einer Pressekonferenz beiläufig wissen, dass die 60 zusätzlichen Millionen an Flächenprämien, die den Weinbauern nun erstmals bis 2020 zustehen "nicht erwähnenswert" sind. Sie seien "nicht betriebswirtschaftlich spürbar" habe er gesagt, wird kolportiert. Er lässt davon nicht ab. In einem Interview in einer Weinbau-Zeitschrift ließ er erst kürzlich wieder wissen, dass es sich dabei "um eher bescheidene Größenordnungen" handle.

60 Millionen "nicht erwähnenswert" - was denkt sich da der Bergbauer im Tal ganz hinten und ganz oben? Was der Chef der Biobauern, der so lange mit dem Minister um zusätzliches Geld gerungen hat? Was der kleine Ackerbauer im Industrieviertel? Und was der Milchbauer im Mostviertel?

Es wird wohl nichts Gutes sein.

Aber, man soll über den jungen Präsidenten nicht vorschnell herfallen. Denn, so wie er über die Fördermillionen redet, zeigt, dass er Landwirt ist. Österreichischer Landwirt. Und das durch und durch. Denn so wie er schätzen viele Bauern in diesem Land die Fördergelder und Ausgleichszahlungen, die sie Jahr für Jahr mit großer Zuverlässigkeit und pünktlichst auf ihr Konto überwiesen bekommen, nur gering. Und als zu gering sowieso.

Das ist Kultur geworden in der heimischen Landwirtschaft. Überall bekommt man zu wenig. Und dass dafür sogar etwas in Form von Auflagen und ähnlichem verlangt wird, empfindet man sowie oft als nichts denn als Zumutung.

Das mag mitunter verständlich sein. Akzeptabel ist es nur selten. Und manchmal drängt sich in Diskussionen der Verdacht auf, viele der heimischen Bauern hätten jeden Bezug zur Realität verloren und glaubten immer noch, die Welt drehe sich ausschließlich um sie und der Rest der Menschheit habe nur für sie da zu sein. Was für den Weinbaupräsidenten die 60 Millionen Euro sind, sind für sie die  100 Euro Prämie pro Hektar für das Grundwasserprogramm, die Extrazahlungen für Bio oder die paar Euro für die Landschaftselemente - "nicht spürbar" und "nicht erwähnenswert".

Dabei wäre mehr Wertschätzung durchaus angebracht. Dass in die Landwirtschaft so viel Geld fließt wie in Österreich ist nicht selbstverständlich. Mehr als zwei Milliarden Euro sind es jährlich, weitaus mehr als die Bauern an Steuern abliefern. Andere hätten so viel Geld gerne. Und wenn die Bauern und mancher ihrer Präsidenten das ohnehin so gering schätzen, könnte es möglicherweise bald ein, das sie es sich auch holen.

Gmeiner meint - Blick ins Land 3-15, 27. Februar 2015

Donnerstag, 26. Februar 2015

Kraft-Kammern



Im Kammerstaat Österreich herrscht in diesen Wochen Hochbetrieb. Die Unternehmer in ganz Österreich wählen ihre Vertreter in der Wirtschaftskammer. Am vergangenen Sonntag waren die Salzburger Bauern zu den Urnen gerufen. Und Anfang März sind es die Landwirte in Niederösterreich.

Wer auf sich hält, gibt gerne kund, dass er auf die Kammern nicht viel hält. Das gilt als schick. Man reibt sich gerne wortreich an der Zwangsmitgliedschaft. Und auch über die Verwaltungskosten und die Bürokratie macht man sich gerne her, um den Verantwortlichen ans Zeug zu flicken. Aber die Aufregung über das heimische Kammerwesen war schon einmal größer. Die Diskussionen über die Zwangsmitgliedschaft, die in der Vergangenheit zuweilen für heftige politische Auseinandersetzungen gesorgt haben, sind diesmal genauso überschaubar wie die Ausfälle gegen Kosten und Bürokratie. Die Neos versuchen damit Profil zu gewinnen, der freiheitliche Wirtschaftsverband, der Unabhängige Bauernverband. Man reibt sich wortreich an den Institutionen, auf dass man die eine oder andere Wählerstimme bekomme.

"Wir hackeln fünf Jahre und in den letzten fünf Monaten kommen alle anderen und sind die Oberg'scheiten", beschied dieser Tage Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl diesen Leuten. Man neigt dazu ihm recht zu geben. Auch wenn es vieles zu kritisieren gibt - das System ist im Kern gut. Und die Kammern machen keinen so schlechten Job, wie manche zuweilen suggerieren wollen. Keine der Kammern. Das System, das bis ins Revolutionsjahr 1848 zurückgeht - damals wurde das Handelskammergesetz erlassen - funktioniert. Zumindest im Großen und Ganzen.

Alle Kammern, von den großen wie der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer, den Landwirtschaftskammern bis hin zu kleinen, wie der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und der Notariatskammer, vertreten die Interessen ihrer Mitglieder durchwegs sehr erfolgreich. Man sorgt für eine Bündelung der Interessen, man schafft Stärke durch Zusammenhalt. Das gemeinsame Auftreten verschafft Berufsgruppen ein Standing in Politik und Gesellschaft, das sie ohne straffe Kammervertretung und, auch das sei gesagt, ohne Zwangsmitgliedschaft, nicht hätten. Das gilt für die vielen Unternehmen der heimischen Wirtschaft genauso wie für die Bauern und viele anderen Berufsgruppen. Viele in diesem Land hätten manche Gruppe gerne auseinanderdividiert, weil dann einfacher mit ihnen umzuspringen wäre. Die Zwangsmitgliedschaft trägt sehr viel dazu bei, dass das nicht so leicht möglich ist, wie manche es gerne hätten.

Die Kammern bieten vor allem jenen Schutz, die nicht zu den ganz Starken zählen. Sie sind ihnen Sprachrohr in der Politik, öffnen ihnen den Zugang zum Recht und halten sie über die wichtigen Strömungen und Entwicklungen in den jeweiligen Branchen auf dem Laufenden. Sie sind Ansprechpartner für Fragen, die sich die Unternehmer genauso wie die Bauern und all die anderen, die durch Kammern vertreten sind, in oft mühseliger Weise selbst suchen müssten.

Die Kammer-Mitglieder fahren gut damit. Die allermeisten zumindest. Zweifelsohne und bei aller Kritik, die oft durchaus ihre Berechtigung hat. Das freilich wird gerne vergessen, wenn über die Kammern gepoltert wird.

Dass die Kammern so stark sind in diesem Land, ist jedenfalls für die durch sie Vertretenen gut. Eine andere Frage ist freilich, ob das auch gut für das Land insgesamt ist. Da scheinen Zweifel durchaus angebracht. Denn die starke Vertretung einzelner Berufsgruppen hat auch eine Kehrseite. Sie kann auch auf Kosten anderer Gruppen gehen. Und auch auf Kosten des ganzen Landes. Sie kann blockieren. Und sie kann bremsen.

Manche meinen, dass das längst der Fall ist. Die Fakten sprechen nicht dafür. Die Sozialpartnerschaft ist, auch wenn sie nicht mehr von der Bedeutung vergangener Zeiten ist, nach wie vor eine Erfolgsstory und eine der tragenden Säule dieses Landes.

Das freilich darf kein Grund sein, sich auszuruhen. Denn ganz Unrecht haben jene auch nicht, die Leitl als "Oberg'scheite" abkanzelt. Wenn die Verwaltung, die man sonst so gerne geißelt, überzuborden droht, wenn die Personalkosten da und dort explodieren und die Kammerumlagen stärker zulegen als die Inflation, sollte man das nicht unterschätzen. Denn dann könnten all die Reizthemen von Zwangsmitgliedschaft bis zu Kosten sehr schnell wieder am Tapet sein. Das wäre nicht gut für die Kammern. Aber auch nicht für das Land.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. 2. 2015

Donnerstag, 19. Februar 2015

Bei den Bauern boomt Bio nicht



Die Verkäufe von Biolebensmitteln stürmen seit Jahren von Rekord zu Rekord. Doch die Zahl der Biobauern stagniert. Viele schrecken wegen des höheren Aufwands und auch der Kontrollen vor dem Umstieg zurück.

Hans Gmeiner Salzburg. Der Run auf Biolebensmittel ist ungebrochen. Die Nachfrage steigt seit Jahren kontinuierlich. „Bio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt AMA-Marketingchef Michael Blass. In den vergangenen fünf Jahren seit 2009 legten die Einkäufe im Lebensmittelhandel in Österreich wertmäßig um rund 40 Prozent auf 388 Mill. Euro zu. Mengenmäßig stieg der Absatz um knapp 20 Prozent. Nach Einschätzung von Kennern der Branche wird der Boom so schnell nicht abreißen. „Grundsätzlich sieht es eigentlich gut aus“, erklärte erst kürzlich Helga Willer vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau.

In der österreichischen Landwirtschaft ist von dieser Jubelstimmung dagegen nur wenig zu spüren. Viele Bauern stehen der Erzeugung von Biolebensmitteln eher reserviert gegenüber. Der Anreiz umzusteigen ist gering – wegen der Preise in vielen Produktsegmenten, der Kontrollbürokratie und der zuweilen aufwendigen Produktion. Dazu kommen auch schlechtere Erträge und ein deutlich erhöhtes Produktionsrisiko. Selbst die höheren Förderungen, die geboten werden, vermögen das nicht auszugleichen.

Daher ist nicht verwunderlich, dass die Biolandwirtschaft und die Produktion biologischer Nahrungsmittel in Österreich faktisch stagniert. Die Zahl der Biobauern ist seit der Einführung klarer Kriterien für die biologische Produktion Anfang der 1990er-Jahre kaum gewachsen und pendelt seit zwanzig Jahren rund um 20.000, das entspricht rund einem Achtel aller land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Österreich. Auch die Verbesserungen im neuen Agrarförderprogramm brachten bisher nicht den nötigen Schub. Heuer dürfte die Zahl der Landwirte, die sich dem Biolandbau verschreiben, um nicht mehr als 1000 wachsen.

Zurückhaltung gibt es vor allem in den Kernbereichen der Produktion. Die Biogetreideernte liegt seit fast zehn Jahren bei rund 300.000 Tonnen, bei einer Gesamternte von 5,7 Millionen Tonnen. Ähnlich ist es in der Fleischproduktion. Zwar beträgt die Steigerung bei Schweinen 20 Prozent, die 70.000 Bioschweine machen aber nur rund zwei Prozent der gesamten Schweineproduktion in Österreich aus. Etwas besser ist es bei Rindern, 60.000 Biorinder entsprechen aber auch nur drei Prozent des Gesamtbestands.

Zuwächse in der Bioerzeugung gibt es bei Geflügel, Eiern, Obst und Gemüse und, als einzigem Kernbereich der Landwirtschaft, bei Milch. Dort hadert man aber mit dem Preis. Obwohl Biomilch gesucht ist wie noch nie, rasseln in Österreich die Erzeugerpreise für Bauern gemeinsam mit jenen für konventionelle Milch in den Keller. In Deutschland, wo die Preise nicht gekoppelt sind, ist das anders, dort steigen die Preise für Biomilch rasant. Dort bekämen die Landwirte für Biomilch um zehn Cent pro Kilogramm mehr als in Österreich, sagt Biobauernchef Rudi Vierbauch. Er wirft den Molkereien vor, den bequemen Weg zu gehen und die Möglichkeiten, die Bioprodukte böten, nicht zu nutzen. „Schon jetzt liefern deswegen viele Bauern ihre Biomilch lieber nach Deutschland“, sagt er, „neuerdings tun sich auch in Italien neue Möglichkeiten auf.“

Vierbauch kritisiert, dass für die meisten Lebensmittelverarbeiter in Österreich Bio nicht mehr ist als ein Anhängsel in der Produktion. „Die Produkte laufen mit, es gibt kaum eigene Ideen und Konzepte für dieses Marktsegment.“ Der Interessenvertreter der Bauern sieht dabei nicht nur die Milchwirtschaft in der Pflicht. Angesichts der Marktanteile und der Erwartungen würden die Möglichkeiten in vielen Bereichen zu wenig genützt. Er nennt ein Beispiel dafür, wie es gemacht werden sollte. „Ich hoffe, dass andere Branchen die Bioapfelbauern als Vorbild nehmen, die haben in den vergangenen drei Jahren ihre Produktion und ihren Absatz verdoppelt.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Februar 2015

Nicht genügend



Die Versuche der islamfeindlichen Pegida, in Österreich Fuß zu fassen, wurden zum Scheitern gebracht. Im Frühjahr soll wieder mit einer Lichterkette eine Zeichen gegen die Fremdenfeindlichkeit in diesem Land gesetzt werden. Beides ist fraglos gut. Gerade in Zeiten, wie wir sie jetzt erleben. Beides ist ein Zeichen des guten Willens in diesem Land. Und beides ist Zeichen dafür, dass es in diesem Land Menschen gibt, denen Integration von Migranten und der Umgang mit ihnen und Hilfe und Unterstützung für Flüchtlinge und Asylsuchende ernsthafte Anliegen sind.

Aber gut genug ist das freilich nicht. Und genügend schon gar nicht. Mitnichten. Denn unter der Tuchent, hinter den verschlossenen Wohnzimmertüren, in den Betriebsküchen und an den Stammtischen, überall dort, wo sich der Österreicher respektive die Österreicherin im vertrauten Kreis und unter seinesgleichen wähnt, brodelt es nämlich gewaltig, wenn es um Themen rund um Ausländer und Flüchtlinge geht. Unentwegt und zumeist auch ungebremst. Und ganz unabhängig vom sozialen und gesellschaftlichen Milieu.

Wenn man unter sich ist, fern von kritischen Beobachtern und Meinungsmachern, denken und reden viele in Österreich ganz anders, als man in der Öffentlichkeit willens ist zuzugeben. Viel mehr als man wahrhaben möchte. Denn viele Menschen wissen längst nur zu genau, was sie wo wem sagen müssen, um nicht in Verruf zu geraten.

Wenn man sich unter sich wähnt, ist das ganz anders. Da ist oft sehr rasch das Bild zu erkennen, das der Wirklichkeit viel eher entspricht. "Die sollte man erst gar nicht hereinlassen", heißt es da oft. Und da zeigt man schnell einmal Verständnis für Ausfälle gegen Ausländer, Flüchtlinge und Asylsuchende, wenn man sie nicht gleich selbst im Mund führt. Augenzwinkernd, polternd, mitunter mit den Fäusten auf dem Tisch.

Das zeigt nichts anderes, als dass Österreichs Fortschritte um Umgang mit Ausländern und in Sachen Integration trotz mitunter beträchtlichen Medien- und Politgetöses sehr überschaubar geblieben sind. Mit Flüchtlingen, mit Fremden, mit Zuwanderern, will man in Österreich immer noch möglichst wenig zu tun haben. Und wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, dann will man sie zumindest nicht in der Nähe haben.

Das gilt nicht nur für die notorischen Gegner von Zuzug , Integration und Hilfe. Das gilt auch für viele von denen, die sich in der Öffentlichkeit so gerne dafür stark machen. Manche der durchwegs katholischen Landeshauptleute, die zumeist auch noch der Partei, die sich als christlich sozial bezeichnet, angehören, lieferten in den vergangenen Wochen beschämende Beispiele dafür. Aber auch Teile der Kirchen, der katholischen wie der protestantischen, taten sich nicht besonders hervor, als es darum ging, Herbergen für die Flüchtlinge aus Syrien oder Nordafrika zu finden. Zuweilen beschämende Beispiele gaben auch manche Klöster ab, die lediglich dadurch auffielen, dass sie in Windeseile Erklärungen ablieferten, warum es ausgerechnet in ihren Gemäuern nicht möglich ist, Hilfe suchende Menschen unterzubringen.

Österreich findet kein Maß im Umgang mit dem Thema. Denkverbote und Schwarz-Weiß-Schablonen bestimmen die öffentliche Diskussion und lähmen den Fortschritt. Seit Jahren. Die eine Seite empfindet Zuzug aus dem Ausland nichts denn als Bereicherung, kanzelt alle Sorgen, die darob auch nur ansatzweise geäußert mitunter hochnäsig als unbegründet ab und stellt jene, die sie äußern, ohne Ansehen der Person, ins politisch einschlägige Eck. Die andere Seite hinwiederum sieht in allem und jedem, der in Österreich eine neue Heimat sucht und sich hier eine Zukunft aufbauen will, einen potentiellen Gauner, der hier nur das Sozialsystem abzocken und Land und Leuten nach Geld und Eigentum trachten will.

Die Bemühungen ein gutes Maß zu finden sind überschaubar. Weil das nicht gelingt, sondern im Gegenteil durch Parteien, die genau das auszunutzen zu ihrer Politik gemacht haben , immer mehr verhindert wird, nährt man nichts denn die Vorurteile auf beiden Seiten und stärkt die Hetzer.

Dass es anders geht, zeigte sich in den vergangenen Wochen in Salzburg. Dort wurde in einem ehemaligen Hotel gegen den Widerstand der Anrainer ein Verteilzentrum für Flüchtlinge eingerichtet. Jene, die dunkle Gestalten erwarteten, wurden rasch eines Besseren belehrt
- es kamen Menschen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Februar 2015

Donnerstag, 12. Februar 2015

Desinformations-Zeitalter



Unsere Zeit gilt als Informationszeitalter. Dabei wäre längst wohl Desinformationszeitalter die weitaus bessere Bezeichnung. Je mehr wir über die Handys wischen, um auf Twitter, Facebook oder den von den Nachrichtendiensten Neues zu erfahren, je mehr wir in Zeitungen und Zeitschriften blättern und je mehr wir uns durch die Fernsehkanäle zappen, desto verwirrter werden wir. Wem ist zu glauben? Und was? Wer will was? Und wer steht dahinter?

Information ist beliebig geworden und wird oft viel eher genutzt, um zu manipulieren, denn zu informieren. Erst dieser Tage sorgten die Gaunereien bei Hotelbewertungen im Internet für Aufsehen. Gegen Bezahlung kümmern sich weltweit Agenturen darum, auf den Reiseplattformen im Internet gute Bewertungen zu platzieren. Bei größeren Hotels dürften bereits zehn bis 20 Prozent der Hotelbewertungen gefälscht sein, vermutet man. "Der Tourismus ist bei weitem nicht die einzige Branche, in der Unternehmen sich via Falsch-Bewertungen besser darzustellen versuchen", schreiben die "Oberösterreichischen Nachrichten".

Auf online-Portalen wie Amazon, dooyoo, geizhals, cioa oder yopi dürfte man, vermutet man, mit ähnlichen Probleme zu tun haben. In Deutschland etwa erregte man sich über eine Agentur, die unter falschem Namen auf Online-Plattformen positive Botschaften über jeweilige Firmenkunden unterbrachte. Und längst hat selbstredend auch die Politik die Möglichkeiten des Internets und der neuen Kommunikationsformen als weites Feld für ihre Spiele entdeckt um auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen. Erst im vergangenen Herbst sorgte bei uns die Aufdeckung von Auftragspostings zu politischen Themen für veritable Aufregung.

Wie sehr das Informationszeitalter zu einem Desinformationszeitalter geworden ist, zeigt sich kaum wo deutlicher als bei gesellschaftpolitischen Themen. Wenn es um die Einschätzungen von weltpolitischen Konstellationen geht, wie jetzt zwischen Russland und dem Westen in der Ukraine-Frage. Wenn es um Griechenland geht, um den Euro oder um das Freihandelsabkommen, das zwischen den USA und der EU ausverhandelt wird. Immer schwieriger wird es sich eine Meinung zu bilden und im von Parteien und Interessengruppen versprühten Informationsnebel Orientierung zu finden.

Es ist nichts mehr zu greifen. Zwischen Guten und Schlechten, zwischen Ehrlichen und Schlitzohren, zwischen Ernsthaften und Flunkerern ist in diesem Spiel längst nicht mehr zu unterscheiden. Nicht in der Politik, nicht in der Wirtschaft. Und auch sonst nirgendwo. Alle spielen mit allem, alle bedienen sich des gesamten Reservoirs. Längst unter die Räder gekommen ist dabei viel zu oft das, was früher als Ethos die Akteure leitete in ihrem Versuchen, ernsthafte Informationen zu bieten. Stattdessen geht es heute nur mehr um den richtigen Dreh zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wenn der gelingt, dann gilt die Information als gut. Nicht immer, aber viel zu oft schon.

Es gibt in der öffentlichen Diskussion kaum mehr eine Äußerung, die keine Absicht hat, die nicht gefärbt ist und hinter der nicht die Absicht steckt, irgend etwas zu erreichen oder zu bewirken. Das Bemühen um ausgewogene Information ist kaum mehr zu erkennen. Die Diskussionskultur ist zerrieben, das Vertrauen zerstört. Das macht es schwierig und aufwändig. Die Gesellschaft heute sei "overnewsed but underinformed" wissen die Kommunikationswissenschafter längst. Ein Gegenrezept haben sie freilich nicht.

Und das ist nicht nur schlimm, sondern auch gefährlich. Immer mehr Menschen wenden sich ab und lassen die Mühe fahren, sich um werthaltige Information zu kümmern. Man verlässt sich angesichts des überbordenden und verwirrenden Angebotes zunehmend auf kleine Happen und das was in dieser Form als Information geboten wird. Und das ist zumeist nichts als laut, zugespitzt, kurz geschlossen und oft nichts als einseitig.

Damit freilich wird man immer leichter zur manipulierbaren Masse, ausgeliefert den Winkelzügen in der Politik und den Strategen in der Wirtschaft.

Die Art und Weise, wie immer mehr Diskussionen laufen, ist Beweis dafür. Fakten zählen nicht, sondern Emotionen, die erzeugt werden bei Menschen, die das Vertrauen in die Informationsgesellschaft längst verloren haben und damit nicht mehr zurecht kommen - im Informationszeitalter, das diesen Namen nicht mehr verdient.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Februar 2015

Donnerstag, 5. Februar 2015

Perpetuum mobile



Die Wirtschaft tut sich schwer. Die Ergebnisse sind mager, die Aussichten alles andere denn rosig. Russland, Ukraine und Griechenland drücken auf die Stimmung. Unternehmen müssen dazuschauen, um über die Runden zu kommen. Der Preisdruck ist hoch, die Konkurrenz heftig, die Konsumenten zurückhaltend und die Wirtschaftspartner sind es auch. Da wird der Cent umgedreht und dort. Allerorten muss man sich kräftig nach der Decke strecken. Selbst das reicht oft nicht mehr. Seit zwei Jahren schrumpfen hierzulande die Einkommen real.

Das ganze Land unter Druck also? Mitnichten. Es gibt einen großen Bereich, für den all das nicht gilt, worunter Private, Freiberufler, Unternehmer und Unternehmen und auch die ganz normalen Arbeitnehmer leiden - für die öffentliche Hand, die ihr zuzurechnenden Wirtschaftsbetriebe und für den Staat selbst. Für den vor allem. Denn während der Maschinenbauer beim Preis nachlassen muss, um das Gerät an den Mann zu kriegen, selbst Autobauer ihre Vehikel nur mehr mit fetten Abschlägen an den Mann kriegen, die Bauunternehmer die sprichwörtlichen Hosen hinunterlassen müssen, um zu Aufträgen zu kommen, um ihr Unternehmen zu sichern und viele um ihren Arbeitsplatz zittern, darf man sich dort ungebrochen sprudelnder Steuerquellen erfreuen. Ganz so, als ob es keine Krise und nichts gäbe.

Auf die geschickt ins steuerliche System eingebauten Mechanismen ist Verlass. Sie sorgten dafür, dass selbst 2014, dem Jahr, in dem sich alle Wirtschaftsindikatoren nach unten drehten, in dem die Arbeitslosenquote anschwoll und sich das Wirtschaftswachstum in Richtung null bewegte, die Steuereinnahmen in Österreich dank der zahllosen Automatismen um 2,8 Prozent anstiegen und die Einnahmen des Bundes aus der Lohnsteuer sogar um 5,5 Prozent zulegten. Ein perfektes Perpetuum mobile, das man sich da zusammengebastelt hat. Dass das ´dennoch nicht ausreicht um den Haushalt in Ordnung zu bringen ist freilich eine andere Geschichte. Dass es von denen, die sich Tag für Tag im Geschäft behaupten müssen, immer öfter als nicht denn als Hohn empfunden wird, ist verständlich.

Der öffentliche Bereich tut sich leicht. Nicht nur bei den Steuern. Kraft der Macht, mit der man sich als Obrigkeit ausgestattet hat, ist es ein Einfaches, sich unabhängig von wirtschaftlichen Entwicklungen mehr Geld zu verschaffen, wenn man es braucht. Einfach Preise und Gebühren rauf -und es passt. Der Traum eines jeden, der sein Geld auf dem Markt mit Arbeit verdienen muss.

Und man nutzt diese Position nach Kräften und ohne sich viel Zurückhaltung aufzuerlegen. Denn nicht nur die Steuerlast stieg im Vorjahr kräftig. Laut Statistik Austria legten auch die so genannten administrierten Preise, die auf Grund von Gesetzen und Verordnungen von Bund, Ländern und Gemeinden ganz oder zum Teil staatlich festgelegt werden, ordentlich zu. Um nicht weniger als 2,9 Prozent. Das war nicht nur merklich mehr als im Jahr zuvor, als in diesem Bereich die Teuerungsrate bei 2,3 Prozent lag, sondern liegt auch um gut 70 Prozent über der allgemeinen Inflationsrate, die für 2014 mit 1,7 Prozent ausgewiesen ist. Die öffentliche Hand versteht sich gut drauf, das Publikum abzukassieren. Denn da sind nicht nur die teureren Tickets oder die Versicherungssteuer, da sind auch die vielen unsäglichen und oft willkürlichen Gebührenerhöhungen, mit denen sich nicht nur Wien, sondern auch Landeshauptstädte mitunter ungeniert immer wieder hervortun.

Ungeniert zeigt man sich auch, wenn es darum geht, bei den Mieterhöhungen mitzufahren. So klagt vor allem die Wiener Politik gerne darüber, dass das Wohnen überdurchschnittlich teuer geworden sei. Dass in Wien sieben von acht Mietverträgen durch die öffentliche Hand reguliert sind (in Österreich sind es drei von vier) lässt man unter den Tisch fallen. "Bemerkenswert ist, dass die Preise im regulierten Bereich ebenso rasch gestiegen sind wie im annähernd freien Markt", warnen die Experten von Agenda Austria davor, sich ein X für ein U vormachen zu lassen und legen noch eins drauf. "Zudem ist das Preisniveau im streng regulierten Bereich etwas höher als im frei verhandelbaren."

Aber das ist Österreich. Durchs Fenster auf die Straße hinaus schimpfen und in der Küche das eigene Süppchen kochen.

Manche können sich's halt richten. Das freilich sind selten die, von denen man meint, dass sie es können. Sondern meistens die, die so gerne mit den Fingern auf die anderen zeigen. Ihnen sollte daher viel besser auf dieselbigen geschaut werden - und auch drauf geklopft werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Februar 2013
 
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