Donnerstag, 6. November 2014

Nur wenn es den Bauern schlecht geht, geht es ihnen gut





Die Obstbauern klagen, die Schweinebauern, die Milchbauern. Die Lage sei schlimm, ja existenzbedrohend. Allerorten wird fest draufgedrückt. Von den Bauern selbst, und noch viel mehr von ihren Vertretern. Nur wenn in der Zeitung steht "Den Bauern geht's schlecht", scheint es ihnen gut zu gehen. Auch den Bauern gefällt das.

Man hält es offenbar für das höchste Ziel, eine Stimmung zu verbreiten, in der die Bauern als bedürftige Opfer da stehen. Nachgerade schleimend heischt man mitunter um Verständnis und Mitleid. Oft abseits der Realität, oft ziemlich frech und vorlaut und oft, um eigenes Versagen zu kaschieren.

Die Unterschrift Putins unter Russlands Importstopp war noch gar nicht trocken, da riefen die Apfelbauern, die auch ohne Russland vor enormen Vermarktungsproblemen gestanden wären, bereits nach Unterstützung. Auch die Vertreter der Schweinebauern meinten den günstigen Wind nutzen zu müssen. Dabei waren Schweinexporte nach Russland wegen der afrikanischen Schweinepest schon seit dem Frühjahr nicht mehr möglich. Und bei der Milch lenkt man lieber das Licht auf Putin, als darauf, dass man den Milchsee, in dem man nun wieder schwimmt und der auf die Preise zu drücken droht, selbst durch kaum je da gewesene Überlieferungen verursacht hat. Genauso wie man lieber den Teufel drohender Bauernmilchpreissenkungen an die Wand malt und dabei vergisst zu sagen, dass in den vergangenen Monaten die Erzeugermilchpreise so hoch, wie kaum je zuvor und sogar auf dem Vor-EU-Niveau waren.

Keine andere Branche redet sich permanent selbst derart schlecht und hilflos, wie die Landwirtschaft.  Als ob es nur Unfähige und Betrogene wären, die in der früh in die Gummistiefel steigen, um in den Stall zu gehen, die Getreide, Milch und Fleisch erzeugen und die Landschaft in Schuss halten. Die nichts können und dem bösen Handel, den bösen Arbeiterkämmerern, der bösen EU oder Wladimir Putin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.

Keine andere Branche hat derart viele Vertreter, die just genau das für ihre vorderste Aufgabe halten. Permanent erklären sie, was fehlt, was falsch läuft und wer dafür schuld ist. Dass sie damit, bei Licht betrachtet, nichts anderes tun, als ihre eigenes Versagen in die Auslage zu stellen und ihre Unfähigkeit zu beklagen, sehen sie nicht.

Für die heimische Landwirtschaft, die Bauern und auch die Politik, ist diese zur Kultur gewordene Miesmacherei längt zum Mühlstein geworden. Immer mehr Bauern haben die Nase voll von der ewigen Raunzerei und davon, permanent den Stempel eine hilflosen Verlierers, der immer und überall Beistand, Verständnis und Sonderbehandlung braucht, aufgedrückt zu bekommen.

Die Stimmung, die in der Öffentlichkeit transportiert wird, stimmt zum Glück immer seltener mit der Realität auf den Höfen überein. Und - das sei angefügt - auch nicht mit dem Erscheinungsbild der Bauernhäuser, der Stallungen, der Maschinen-Ausstattung und der Autos.

Denn die, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, die sich nicht mehr auf öffentliche und politische Alimentation und Bevormundung verlassen wollen, werden mehr. Sie entscheiden sich selbstbewusst für die Landwirtschaft. Sie wissen, was sie erwartet und sie wissen, was möglich ist. Daraus wollen sie etwas machen, das wollen sie zu ihrem Leben machen.

Und sie wissen auch, dass derzeit die Situation in vielen Bereichen alles andere als einfach ist. Aber sie wissen auch, dass es wieder anders wird.

Genau so, wie das in vielen anderen Branchen gilt.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land 11/14, 6. November 2014

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1