Donnerstag, 6. November 2014

Enge Gürtel



Die öffentlichen Haushalte in Österreich sind aus allen Fugen, die Verschuldung explodiert. Die Last, die sich für künftige Generationen aufbaut, lässt vielen die Grausbirnen aufsteigen, ist sie doch längst unüberschaubar geworden. "Wir müssen den Gürtel enger schnallen", heißt es allerorten. Das klingt fraglos gut und vernünftig. Und es ist, auch das ist keine Frage, notwendig. Im Detail freilich präsentiert sich, was an Stammtischen oder an Rednerpulten in Bierzelten so logisch, einfach und einleuchtend klingt, oft sehr diffizil und vielschichtig. Vor allem dann, wenn man mit einem Mal selbst betroffen ist von Einsparungsmaßnahmen. Da hält man's sehr schnell lieber mit der Divise "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass".

Da erweisen sich einfache Lösungen sehr schnell als nicht viel mehr denn als Anfangspunkte für neue Kalamitäten, für Ungerechtigkeiten und Unmut. Das ist bei den Sparvorhaben beim Bundesheer so oder bei der Polizei, in der Landwirtschaft oder im Sozialbereich.

Einsparungen gibt es nicht ohne Schmerzen, auch wenn das die Politik gerne so verkauft. Während viele der Einsparungen, die geplant sind oder dabei sind, umgesetzt zu werden, Institutionen betreffen, sind die Einsparungen vor allem im Sozialbereich sehr schnell dabei, Menschen direkt zu treffen. Dort ist schon jetzt in manchen Bereichen, wie kaum in anderen Sparten, zu sehen, wohin der Weg geht, der notwendig ist, weil man in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten über den Verhältnissen lebte und sich Dinge leistete, die man sich nie und nimmer hätte leisten dürfen.

Doch während zumeist diejenigen, wegen denen nun das System überfordert ist, ihre Schäfchen im Trockenen haben und weiterhin ihre Ansprüche wohl bis ans Lebensende konsumieren können, müssen immer mehr zur Kenntnis nehmen, dass sie zu spät kommen und für sie nicht mehr so viel da ist, wie man es bisher gewohnt war. Sie müssen damit leben, dass es im Sozialstaat Österreich in den vergangenen Jahren bereits spürbar enger wurde.

Sie müssen, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, ausbaden, dass Sozialminister Hundstorfer den Zugang zum Pflegegeld erschweren will, weil das Geld zu wenig geworden ist. In der politischen Diskussion sorgte dieser Vorschlag für hohe Wellen und geriet im Handumdrehen zum innenpolitischen Aufreger. Es wird nicht der letzte dieser Art sein.

Er fügt sich schon jetzt in eine Reihe von immer lauter werdenden Klagen über Kürzungen von Sozialleistungen, Umschichtungen von Geldern oder Neugestaltung von ganzen System-Strukturen.

Jüngst beklagte erst die Arbeiterkammer Oberösterreich wortreich das Schicksal einer an Multipler Sklerose erkrankten 42-jährigen Verkäuferin, die wegen der seit dem Vorjahr geltenden Neuregelung des Pensionsvorschusses droht, durch das in Österreich vermeintlich so dichte Sozialnetz zu fallen. "Weil sie wegen der Neuregelung des Pensionsvorschusses nach Ablehnung ihre Pensionsantrages gar nichts mehr gehabt hätte, musste die Frau ihren Job kündigen, um zum Überleben wenigstens das Arbeitslosengeld zu bekommen", schreibt die Arbeiterkammer. Jetzt freilich lebe die Frau ständig unter dem Damoklesschwert eines Krankenhausaufenthaltes. "Denn sollte sie ins Spital müssen, dann stünde sie dem AMS nicht mehr für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung, daher würde ihr das Arbeitslosengeld gestrichen. Wovon sie dann leben soll, weiß sie nicht."

Die bedauernswerte Frau ist sicherlich nicht die einzige, der es so geht. So geht es wohl auch vielen der laut Statistik Austria 1,2 Millionen Armutsgefährdeten in diesem Land. Sie haben schlechte Karten. Vor allem jene, die wirklich Hilfe und Unterstützung bräuchten.

Da bekommt die herablassende Rede von der sozialen Hängematte sehr schnell einen sehr zynischen Beigeschmack. Denn gerade jene, die es am nötigsten hätten, fallen bei Änderungen des Systems oder bei finanziellen Kürzungen besonders oft durch. Für die Politik ist es eine große Herausforderung, den richtigen Weg zu finden. Dabei geht es um Effizienz. Weniger wäre oft mehr. Es geht vor allem darum, die Treffsicherheit der Maßnahmen zu erhöhen. Es soll denen geholfen werden, die es wirklich brauchen, und nicht Trittbrettfahrern, die sich besonders gut darauf verstehen, Lücken in den Vorschriften zu ihrem Vorteil zu nutzen. Denn Erstere fallen immer noch viel zu oft durch, während sich das bei Zweiteren genau umgekehrt verhält.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. November 2014

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