Donnerstag, 30. Oktober 2014

Posen voller Enttäuschung



Politiker üben sich immer wieder und ganz offensichtlich immer wieder gerne in peinlichen Posen. Jüngst konnte es sich der Geschäftsführer einer Landespartei-Organisation in einem Bundesland, in dem im kommenden Jahr Wahlen anstehen, nicht verkneifen, sein Neugeborenes in die Kameras zu halten. Ohne Krawatte, im Kapuzensweater. Ganz locker. Mit auf dem Bild auch gleich sein Parteichef und Landeshauptmann, der sich selbiges offenbar auch nicht verkneifen konnte.

Besonders aufgefallen ist im Zusammenhang mit aufdringlichen Posen dieser Tage auch der Oberste der pinken Partei, die sich ansonsten so gerne als der Neu-Erfinder der Politik geriert. Neos-Chef Strolz posierte im Sonntagsmagazin der auflagenstärksten Zeitung mit ausgebreiteten Armen in einer Wiese liegend und ließ das p.t. Lese-Publikum wissen, wie es ihm bei so einer Fastenwoche im Kloster geht, die er sich einmal im Jahr auferlegt. "Am dritten Tag schießt die Energie ein. Da könnte ich die Welt umarmen und Bäume ausrupfen."

Warum machen die das, fragt sich der unbedarfte Beobachter. Ein frischgeborenes Kind für eine Zeitung in die Kamera halten? Sich in eine Wiese legen, um Glück darzustellen? Als Politiker, als Person, der man Verantwortung zugestehen will, der man das Geschick des Landes in die Hände legt.

Bei rot, schwarz, blau und grün ist man das gewohnt. Man hat gelernt, man muss leben damit. Man ärgerte sich. Von Jahr zu Jahr mehr. So viel mehr, dass man froh war, auf einen wie Strolz setzen zu können, der eine neue Politik und einen neuen Zugang zur Politik versprach.

Aber auch er tut es. Genau betrachtet sogar noch unverfrorener als die anderen. Bäume umarmen, in der Wiese liegen, selbst verfasste Gedichte beiläufig in die Öffentlichkeit spielen. Und einen Fotografen ins Kloster holen, in das er sich angeblich zum Innehalten zurückzog. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen. Und so dreist muss man erst einmal sein, das zu tun.

Das enttäuscht viele und macht viele stutzig. Die Hoffnung für so viele Politik-Frustrierte kommt als stinknormaler Politiker daher. Ausgerechnet Strolz, der einen neuen Weg in Aussicht stellte. Ganz offensichtlich ist er auch nicht anders als alle anderen, von denen so viele in diesem Land genug haben.

Der Verdacht, dass dem so ist, keimt ohnehin schon seit geraumer Zeit. Strolz und seine Neos bringen nicht wirklich etwas zusammen. Der schnelle Einzug in den Nationalrat und das Ergebnis bei den Salzburger Landtagswahlen sorgten für hochfliegende Erwartungen. Die EU-Wahlen brachten eine harte Landung. Selbst bei den Landtagswahlen in Vorarlberg, dem Heimatland von Strolz, blieb man hinter den Erwartungen. Dabei hätte gerade dort der Durchbruch gelingen sollen.

Die Neos feierten dieser Tage ihren zweiten Geburtstag. Davon kam nicht viel mehr an die Öffentlichkeit, als dass man sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen wolle. Das bestätigt die wachsende Skepsis der an der Partei-Neugründung Interessierten und passt zum Image -man ist dabei ein bisschen schrullig zu werden, ansonsten aber bleibt man harmlos.

Nach wie vor leiden die Neos unter kaum ausgeprägten organisatorischen Strukturen, es fehlt an Leuten und es fehlt an Gesichtern. Man bemüht sich in Zweckoptimismus. "Die Reise hat erst begonnen" redet man sich selbst Mut zu. Man hält für Stärke, dass man "knapp über 2.300 Mitglieder" hat und "1.500 Menschen", die in "130 Themengruppen" arbeiten. Und man klopft sich für 267 Redebeiträge im Nationalrat, 221 Anträge und 127 parlamentarische Anfragen selbst auf die Schulter.

Es bleibt ihnen auch nichts anders übrig. Sonst tut es kaum jemand. Dabei hätten vor allem viele VP- und Grün-Wähler so gerne etwas von ihnen. Aber sie kriegen nichts. Ab und an Ideen zu einigen politischen Themen. Aber zu viel mehr Themen bekommen sie genau nichts. Die Neos halten sich für die erfolgreichste Parteigründung der Zweiten Republik. Ob sie auch eine erfolgreiche Partei werden, ist indes noch offen. Denn am wirklich Neuen fehlt es. Dabei hätte genau das das Land so dringend nötig, nicht nur frustrierte VP- und Grün-Wähler.

Aber vielleicht kommt für die Partei im dritten Jahr, was für ihren Chef am dritten Tag der Fastenkur kam - dass die Energie einschießt. Auf dass man Bäume ausrupfen könnte. Denn sonst droht die politische Pose, die man mimt, endgültig peinlich zu werden. So peinlich wie die altbackenen Politiker-Posen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. Oktober 2014

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