Donnerstag, 4. September 2014

Personalisierte Politikverdrossenheit



Michael Spindelegger ist als ÖVP-Obmann, als Vizekanzler dieser Republik und als Finanzminister Geschichte. Er hatte genug von dem, was in diesem Land als Politik gilt, und ging. Er tat damit nichts anderes, als das, was zigtausende in diesem Land seit Jahren tun -er wendete sich von der Politik ab, weil nicht mehr auszuhalten ist, wie sie hierzulande allzuoft betrieben wird.

Man stehe hinter ihm, hat man Spindelegger zu seinem Amtsantritt als Obmann der Volkspartei versprochen, und auch, als er das Finanzressort samt Hypo-Alpe-Adria-Desaster übernahm. Selbst kurz vor Weihnachten letzten Jahres, als nach schwierigen Verhandlungen der Koalitionspakt stand, fand man die entsprechenden Worte. Man müsse zusammenhalten, man stehe hinter dem Pakt, man stehe hinter dem Finanzminister. Keine neuen Steuern, keine Reichensteuer vor allem, man müsse sparen. Die Zeiten seien schwierig, man könne sich gar nichts anderes leisten. Man kennt das Vokabular sattsam, das bei solchen Gelegenheiten verwendet wird. Besonders gerne von der Volkspartei.

Monate später ist alles vergessen, selbst von jenen, die all das, wofür Spindelegger einstehen sollte, mit ausverhandelt haben. Vor allem von jenen. Da bröckelt einer weg, da tuschelt einer hinter vorgehaltener Hand. Dort fehlt auf einmal der bedingungslose Rückhalt. Wie ein Schneeball zur Lawine wird, beginnt die Stimmung zu kippen. Auf einmal waren aus den kleinen Sticheleien große Interviews geworden, in denen sich Leute, die wissen müsste, wie mit schwierigen Situationen umzugehen ist, kein Blatt mehr vor den Mund nahmen und den ohnehin angeschlagenen Vizekanzler Choram Publico attackierten, wie das kein politischer Gegner je tat.

Man versteht, dass Spindelegger -was immer man von ihm hielt -genug hatte und die Reißleine zog. Auf solche Leute war für ihn nicht mehr zu bauen, zumal auf solche, die sich hinterher öffentlich heuchlerisch für "unschuldig erklärten" oder die sich gleich gar nicht scheuten den Rücktritt als ihren Erfolg zu feiern. Das wollte Spindelegger nicht mehr. Und das wollen, das steckt wohl hinter der wachsenden Politikverdrossenheit, auch immer mehr anderen Menschen nicht mehr. Menschen , die nichts mit aktiver Politik am Hut haben, die Politik als Führung verstehen und als Verantwortung dafür, Probleme zu lösen Sie haben, ganz so wie Spindelegger, genug davon. Sie wollen Wahrhaftigkeit und sie wollen jenen Vertrauen, denen sie ihr Stimme gaben oder geben sollen. Sie wollen Handschlagqualität, Ehrlichkeit und keine Worthülsen, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit umgeblasen werden.

Nicht zuletzt deswegen zeigen viele von ihnen der Politik den gestreckten Mittelfinger. Man hätte sich gewünscht, Spindelegger hätte das auch getan. Vor allem jenen, die ihm seinerzeit das Vertrauen geschworen haben. Man hätte sich gewünscht, er hätte seine Rücktritts-PK nicht nur zum letzten Auftritt in der Öffentlichkeit erklärt, sondern wäre auch allen anderen Terminen, die mit der Übergabe der Ämter zu tun haben, fern geblieben, um ihnen seine Verachtung zu zeigen.

Spindelegger wurde zu einem Getriebenen, als er sich darauf einließ, den Obmann der Volkspartei zu machen. Damit umzugehen ist ein herkulisches Unterfangen, zumal allzu viele Chefs mitreden und nicht scheuen, auch politische Gewalt anzuwenden, wenn es nur um den eigenen Vorteil geht. Da ist nichts von der christlich-sozialen Partei. Da ist viel zu oft nur mehr Brutalität. Viel mehr mies als fies.

Mit den Vorgängen rund um die Abservierung des unbeliebt gewordenen Parteichefs lieferten die Volkspartei und einige ihrer Proponenten nichts anders, als ein weiteres Anschauungsstück für das, was immer mehr Menschen in diesem Land die Politik verleidet. Man versteht, dass sie sich abwenden und nichts mehr davon wissen, geschweige denn damit zu tun haben wollen.

Jetzt wird wieder Aufbruch versprochen, man stehe hinter dem neuen Parteichef und unterstütze ihn mit voller Kraft. Und erst der neue Finanzminister, ein höchst kompetenter Mann! Man mag es gar nicht mehr hören. Man kennt das. Man wundert sich. Und man fragt sich - warum sollte es ausgerechnet diesmal anders sein? Warum sollte die Politikverdrossenheit weniger werden? Mit dieser Volkspartei mit all ihren so gerne als nachgerade heilig daherkommenden Häuptlingen, die sich so oft doch nur als Scheinheilige erweisen?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. September 2014

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