Donnerstag, 25. September 2014

Das Monster in uns



Mit dem Versprechen der Politik, die Verwaltung zu entrümpeln und die Bürokratie zu vereinfachen, sind schon Generationen von Österreicherinnen und Österreichern groß geworden. Die Fortschritte sind überschaubar. Nicht zuletzt deshalb, weil immer neue hübsche Blüten sprießen. Zwei besonders schöne Exemplare aus dem Oberösterreichischen seien Beleg dafür. Da gibt es etwa für die Landwirte ein schönes Programm namens Grundwasser 2020. Es soll in besonders belasteten Gebieten die Bauern dazu animieren, weniger Dünger zu verwenden und auf bestimmte Pflanzenschutzmittel zu verzichten. Ein löbliches Ansinnen. Fraglos. 100 Euro bietet man dafür pro Hektar. Als Gegenleistung verlangt man die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen im Ausmaß von zwölf Stunden. Recht so, denkt man. Schaut man genau hin, zeigt freilich das Bürokratiemonster, das dieses Land fest im Griff hat, seine hässliche Fratze. Die zwölfstündige Fortbildungsverpflichtung gilt nämlich für den großen Bauern mit 50 Hektar genauso wie für den kleinen mit drei, vier oder fünf Hektar, der in der Regel den Hof im Nebenerwerb bewirtschaftet. Und da bekommen die zwölf Stunden eine eigentümliche Optik. Zwölf Stunden Kurs für drei-, vier-oder fünfhundert Euro lassen jede Relation vermissen. Zumal dann, wenn dafür auch noch Urlaub zu nehmen ist. Da lassen es viele Nebenerwerbsbauern wohl lieber bleiben -Wasserschonung hin, Wasserschonung her -und lehren Politik und Verwaltung, dass gut gemeint noch lange nicht gut gemacht ist.

Um 100 Euro geht es auch im anderen Beispiel aus dem Land ob der Enns, in dem das Bürokratiemonster seine Zähne fletscht. Und auch diesen 100 Euro steht ein ungebührlich hoher Aufwand gegenüber. Um die sogenannte Schulbeginn-Hilfe in dieser Höhe zu bekommen, muss der Antragsteller ein Formular ausfüllen, das nicht weniger als fünf Seiten umfasst. Und das, das sei angefügt, wohl einen enormen Überprüfungsaufwand nach sich zieht. Angefangen in der Schule bis hin zu den zuständigen Abteilungen des Landes.

Die beiden Beispiele sind auch nach Jahrzehnten des proklamierten Bürokratieabbaus immer noch typisch in diesem Land. Da werden Dinge angeboten, mit denen Politiker zu glänzen versuchen und gar nicht mehr merken, dass sie darüber oft das Ziel aus den Augen verlieren und mit dem Wust an Vorschriften ihre Anliegen nach allen Regeln der Kunst konterkarieren. Was hat die Umwelt davon, wenn es zwar ein wunderschönes Programm gibt, das aber von einer wichtigen Gruppe nicht angenommen wird? Was ist der Sinn einer Schulbeginnhilfe, die einen zeitaufwändigen und sündteuren Verwaltungsprozess auslöst?

Effizient, mit Verlaub, ist anders.

Man schüttelt den Kopf. Und man mag sich gar nicht ausmalen, wieviel Geld Jahr für Jahr alleine mit der Verwaltung der Förderungen in einem Land versenkt wird, in dem es in Bund, Ländern und Gemeinden nicht weniger als gezählte 53.000 einzelne Förderprogramme gibt. Der Bogen ist weit gespannt. Von den Fördergeldern für Bahn und Landwirtschaft bis hin zu den 500 Euro für ein "Eierspeisfest" oder den 350 Euro für das "Hiasl-Almfest" am Hochrindl.

Und jedes der 53.000 Förderprogramme hat seine eigenen Regularien, jedes wandert zumindest über ein paar Schreibtische, jedes muss konzipiert, formuliert und wasserdicht ausgestaltet werden, jedes beworben, beschrieben und erklärt werden. Die Anträge müssen geprüft, die Angaben überprüft werden. Und kontrolliert wird wohl auch noch einmal alles.

Das kann gar nicht anders als teuer sein. Ganz abgesehen von den personellen Kapazitäten, die da gebunden werden. Zigtausende Menschen hält dieses aberwitzige System in Brot, praktisch jeder Österreicher ist in irgendeiner Form Nutznießer.

Genau darin liegt wohl auch das Problem. Denn die Lust, diese System aufzubrechen, in dem es sich so viele gut eingerichtet haben, ist eine geringe. Damit sind nicht nur die gemeint, die sich die Förderungen und die Vorschriften ausdenken, sie verwalten und mithin deswegen ihren Arbeitsplatz sicher haben. Gemeint sind auch die, die diese Förderungen nehmen und die zuweilen meinen, einen immerwährenden Anspruch darauf zu haben.

Längst lastet dieses System wie ein Mühlstein auf den Staatsfinanzen und damit auf allen Beteiligten, die in irgendeiner Form dafür immer mehr zahlen müssen. Der neue Finanzminister will sich mit diesem System anlegen. Man kann ihm nur Erfolg wünschen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. September 2014

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