Donnerstag, 25. September 2014

Das Monster in uns



Mit dem Versprechen der Politik, die Verwaltung zu entrümpeln und die Bürokratie zu vereinfachen, sind schon Generationen von Österreicherinnen und Österreichern groß geworden. Die Fortschritte sind überschaubar. Nicht zuletzt deshalb, weil immer neue hübsche Blüten sprießen. Zwei besonders schöne Exemplare aus dem Oberösterreichischen seien Beleg dafür. Da gibt es etwa für die Landwirte ein schönes Programm namens Grundwasser 2020. Es soll in besonders belasteten Gebieten die Bauern dazu animieren, weniger Dünger zu verwenden und auf bestimmte Pflanzenschutzmittel zu verzichten. Ein löbliches Ansinnen. Fraglos. 100 Euro bietet man dafür pro Hektar. Als Gegenleistung verlangt man die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen im Ausmaß von zwölf Stunden. Recht so, denkt man. Schaut man genau hin, zeigt freilich das Bürokratiemonster, das dieses Land fest im Griff hat, seine hässliche Fratze. Die zwölfstündige Fortbildungsverpflichtung gilt nämlich für den großen Bauern mit 50 Hektar genauso wie für den kleinen mit drei, vier oder fünf Hektar, der in der Regel den Hof im Nebenerwerb bewirtschaftet. Und da bekommen die zwölf Stunden eine eigentümliche Optik. Zwölf Stunden Kurs für drei-, vier-oder fünfhundert Euro lassen jede Relation vermissen. Zumal dann, wenn dafür auch noch Urlaub zu nehmen ist. Da lassen es viele Nebenerwerbsbauern wohl lieber bleiben -Wasserschonung hin, Wasserschonung her -und lehren Politik und Verwaltung, dass gut gemeint noch lange nicht gut gemacht ist.

Um 100 Euro geht es auch im anderen Beispiel aus dem Land ob der Enns, in dem das Bürokratiemonster seine Zähne fletscht. Und auch diesen 100 Euro steht ein ungebührlich hoher Aufwand gegenüber. Um die sogenannte Schulbeginn-Hilfe in dieser Höhe zu bekommen, muss der Antragsteller ein Formular ausfüllen, das nicht weniger als fünf Seiten umfasst. Und das, das sei angefügt, wohl einen enormen Überprüfungsaufwand nach sich zieht. Angefangen in der Schule bis hin zu den zuständigen Abteilungen des Landes.

Die beiden Beispiele sind auch nach Jahrzehnten des proklamierten Bürokratieabbaus immer noch typisch in diesem Land. Da werden Dinge angeboten, mit denen Politiker zu glänzen versuchen und gar nicht mehr merken, dass sie darüber oft das Ziel aus den Augen verlieren und mit dem Wust an Vorschriften ihre Anliegen nach allen Regeln der Kunst konterkarieren. Was hat die Umwelt davon, wenn es zwar ein wunderschönes Programm gibt, das aber von einer wichtigen Gruppe nicht angenommen wird? Was ist der Sinn einer Schulbeginnhilfe, die einen zeitaufwändigen und sündteuren Verwaltungsprozess auslöst?

Effizient, mit Verlaub, ist anders.

Man schüttelt den Kopf. Und man mag sich gar nicht ausmalen, wieviel Geld Jahr für Jahr alleine mit der Verwaltung der Förderungen in einem Land versenkt wird, in dem es in Bund, Ländern und Gemeinden nicht weniger als gezählte 53.000 einzelne Förderprogramme gibt. Der Bogen ist weit gespannt. Von den Fördergeldern für Bahn und Landwirtschaft bis hin zu den 500 Euro für ein "Eierspeisfest" oder den 350 Euro für das "Hiasl-Almfest" am Hochrindl.

Und jedes der 53.000 Förderprogramme hat seine eigenen Regularien, jedes wandert zumindest über ein paar Schreibtische, jedes muss konzipiert, formuliert und wasserdicht ausgestaltet werden, jedes beworben, beschrieben und erklärt werden. Die Anträge müssen geprüft, die Angaben überprüft werden. Und kontrolliert wird wohl auch noch einmal alles.

Das kann gar nicht anders als teuer sein. Ganz abgesehen von den personellen Kapazitäten, die da gebunden werden. Zigtausende Menschen hält dieses aberwitzige System in Brot, praktisch jeder Österreicher ist in irgendeiner Form Nutznießer.

Genau darin liegt wohl auch das Problem. Denn die Lust, diese System aufzubrechen, in dem es sich so viele gut eingerichtet haben, ist eine geringe. Damit sind nicht nur die gemeint, die sich die Förderungen und die Vorschriften ausdenken, sie verwalten und mithin deswegen ihren Arbeitsplatz sicher haben. Gemeint sind auch die, die diese Förderungen nehmen und die zuweilen meinen, einen immerwährenden Anspruch darauf zu haben.

Längst lastet dieses System wie ein Mühlstein auf den Staatsfinanzen und damit auf allen Beteiligten, die in irgendeiner Form dafür immer mehr zahlen müssen. Der neue Finanzminister will sich mit diesem System anlegen. Man kann ihm nur Erfolg wünschen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. September 2014

Donnerstag, 18. September 2014

Häuptlinge und Indianer



Lehrling? Die Begeisterung ist offenbar enden wollend. Bei den Jugendlichen, bei den Betrieben, bei den Eltern. Eine Lehre zu machen gilt nicht mehr viel in diesem Land. Während die Universitäten übergehen, mögen offenbar immer weniger einen Beruf lernen, schon gar nicht einen, bei dem man sich die Hände schmutzig macht.

Das könnte sich für alle Beteiligten bald bitter rächen. Die jüngsten Zahlen, Berichte und Analysen sind alarmierend. Alles scheint darauf hin zu deuten, dass Österreich auf einen Lehrlings- und in der Folge auf einen Facharbeiter-Notstand zusteuert, während die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen. Ein Land voller Häuptlinge und ohne Indianer, ein Land in dem alle nur anschaffen, aber niemand mehr arbeiten will. In den 1980er Jahren gab es in Österreich noch 190.000 Lehrlinge, heuer werden es aktuellen Schätzungen zufolge nur mehr 120.000 sein. Kein Wunder. Möglichst lange in Schulen zu gehen und dann möglicherweise zu studieren gilt vielen allemal als attraktiver und zukunftsträchtiger, als mit 15 von sieben bis 16 Uhr in einem Frisiersalon zu stehen, in einer Metzgerei Würste zu füllen oder in einer Werkstatt unter einem Auto zu liegen. Schon 60 Prozent eines Jahrgangs wählen nach Vollendung der Pflichtschulzeit weiterführende Schulen.

Aber auch die, die eine Lehre machen möchten, haben es nicht leicht. Rund 15.000 Jugendliche fanden im Vorjahr keine Lehrstelle. Denn auch bei den Unternehmen geht die Lust Lehrlinge auszubilden dramatisch zurück. Laut einer im Auftrag des AMS von der Synthesa Forschung durchgeführten Analyse wird die Zahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, bis 2018 auf 13 Prozent schrumpfen. Dabei ist die Zahl der Lehrbetriebe schon in den vergangenen sechs Jahren um fast 6000 zurückgegangen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Man hadert mit dem Arbeitsplatz-Schutz für Lehrlinge, der zuweilen als allzu heftige Beschränkung empfunden wird, man klagt über den wachsenden Aufwand, der den Unternehmen aufgebürdet wird, und man hat immer weniger Lust, für Dinge Zeit und Geld einzusetzen, die den jungen Leuten eigentlich vom Elternhaus und in der Schule hätten vermittelt werden sollen.

Gerade bei letzterem tun sich immer größere Lücken auf. Viele junge Leute haben heutzutage mit den einfachsten sozialen Grundfertigkeiten größte Probleme. Freundlich zu grüßen, eine Betriebsanleitung zu lesen oder zumindest kleine Beträge im Kopf zu rechnen, sind heute eher selten anzutreffende Fertigkeiten. Dazu kommen fehlende Sozialkompetenzen und Sprachprobleme. Laut einer Umfrage des Wirtschaftsministeriums klagen 85 Prozent der Firmen, die Lehrlinge aufnehmen wollen, dass viele dieser Interessenten Bildungslücken haben, die sie für die angebotene Lehrstelle unbrauchbar machten.

Wo da Österreich hinein gerät, könnte bald dramatische Folgen haben. Weil auf der einen Seite die Berufseinsteiger fehlen und auf der anderen Seite des Arbeitsmarktes mit einem Anstieg der Berufs-Aussteiger durch Pensionierungen zu rechnen ist, kann es schon ab 2016 zu einem deutlich spürbaren Fachkräftemangel kommen, wird in Studien wie jener des Institutes für Bildungs-und Wirtschaftsforschung vorgerechnet.

Noch hat die Politik keine rechten Antworten drauf, was da auf das Land zukommt. Viel mehr, als man müsse das "Erfolgsmodell Lehre gemeinsam weiterentwickeln, um es zukunftsfit zu halten", fiel den Verantwortlichen, wie etwa dem Wirtschaftsminister, bisher noch nicht ein. Auch dass die Gewerkschaft für eine Ausbildungspflicht für Betriebe eintritt, ist nicht wirklich eine Idee, die geeignet erscheint, das Problem zu lösen.

Gefordert ist die gesamte Gesellschaft - inklusive der Eltern der Jungen. Das gilt für die Vermittlung sozialer Kompetenzen, das gilt aber auch für den Umgang mit dem Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt, wo man die Jungen man allzu oft als billige Arbeitskraft missversteht. Denn Probleme gibt es nicht nur mit den Lehrlingen, sondern auch mit den Studenten, die als "Generation Praktikum" verheizt werden.

Ein Schlüssel ist vielleicht das, was die Personalchefin von McDonalds Österreich in einem Interview so formulierte. "Diese jungen Menschen sind eine der spannendsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Sie brauchen maximale Flexibilität in ihrer Arbeit und direktes Feedback ihrer Vorgesetzten." Dann seien sie ein "extrem wichtiger Bestandteil jedes Teams".

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. September 2014

Mittwoch, 17. September 2014

Dunkle Wolken über der Landwirtschaft



Den Nebenerwerbsbauern wird das Arbeitslosengeld gestrichen. Das aber ist noch nicht das einzige Ärgernis auf den Höfen.

Hans Gmeiner
Salzburg. Eigentlich glaubten die Bauern nach der Umsetzung der Agrarreform und der Bereinigung der Probleme rund um die Almvermessung an einen ruhigen Herbst und klare Verhältnisse für die kommenden Jahre. Doch nun tun sich schier im Wochentakt neue Baustellen auf, die auf den Höfen für Verunsicherung sorgen.

Größter Aufreger in den Bauernstuben ist derzeit die Streichung des Arbeitslosengeldes für Nebenerwerbsbauern. Dass diese Bauern, wie alle anderen auch, in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, wenn sie unselbstständig beschäftigt sind, nützt ihnen wenig. Der Verwaltungsgerichtshof entschied vor dem Sommer, dass Nebenerwerbslandwirten das Arbeitslosengeld ab der Einheitswerthöhe nicht mehr zusteht, ab der für Landwirte die Pflicht zur Pensionsversicherung ausgelöst wird. Basis dafür ist in der Sozialversicherung der Bauern bereits ein Einheitswert von 1500 Euro. „Leben davon kann niemand“, sagen die Bauern.

Bisher war der Spielraum für die Nebenerwerbsbauern deutlich größer. Die Regelung erlaubte den Bezug von Arbeitslosengeld bis zu einem Einheitswert von knapp mehr als 13.000 Euro. Grund für den Wirbel ist eine verpfuschte Regelung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für Selbstständige, die von der Wirtschaftskammer durchgesetzt wurde. „Da hat man die Bauern auf dem falschen Fuß erwischt“, sagt Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich. „Unsere Anmerkungen fielen bei der Neufassung der Vorschriften unter den Tisch.“

Die Zahl der betroffenen Nebenerwerbsbauern geht in die Tausende. „Allein im Waldviertel rechnen wir mit 1500 Fällen“, sagt Schultes, der auch Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich ist. Dabei geht es vor allem um Landwirte, die auf Saisonarbeit gehen, um für ihre Höfe einen Zuverdienst nach Hause zu bringen. Das sind Liftwarte in den Skigebieten genauso wie Forstarbeiter, Beschäftigte in der Gastronomie und im Fremdenverkehr und viele andere. Insgesamt werden in Österreich 60 Prozent der Bauernhöfe im Nebenerwerb bewirtschaftet. Der Großteil dieser Höfe hat Einheitswerte von weniger als 13.000 Euro und ist damit drastisch von den derzeitigen Einschränkungen betroffen.

Die Bauern drängen nun mit Hochdruck auf eine Sanierung des Problems. Nächste Woche soll es einen Vorschlag geben, wie es gelöst werden kann.

Für Verunsicherung in der Bauernschaft sorgt auch, dass das Umweltprogramm von der EU noch nicht genehmigt ist. Dort spießt es sich insbesondere bei der Förderung für Steilmahdflächen und der Gestaltung der Förderung für den Biolandbau. Obwohl sie nicht wissen, was kommt, müssen die Bauern in diesen Wochen bereits dennoch ihre Förderanträge abgeben, mit denen sie sich auch für Umweltmaßnahmen verpflichten.

Immer größer werden zudem die Schwierigkeiten auf den Agrarmärkten. Das weltweite Rekordangebot bei Getreide, Mais, Obst und Zucker lässt die Preise auf immer neue Tiefststände fallen. Verschärft wird diese Situation durch die russische Importsperre, die vor allem die Schweine-, Milch- und Obstbauern trifft. Außer vielen Versprechungen und Absichtserklärungen gab es für die Landwirtschaft bisher keine konkreten Hilfestellungen, um mit den Preis- und Absatzproblemen zurechtzukommen, die der Importstopp Russlands verursacht. „Die konkrete Umsetzung ist schwierig und aufwendig“, sagt Schultes.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. September

Donnerstag, 11. September 2014

Wiener Dreistigkeiten



Dass Politiker ziemlich dreist sein können, ist nicht neu. Eher wundert man sich immer wieder, wozu sie noch fähig sind, zumal jene, deren Dreistigkeit und in Selbstbewusstsein mitunter ertrinkenden Bräsigkeit im ganzen Land berüchtigt sind. Es gibt solche in der SPÖ, in der ÖVP und auch in allen anderen Parteien. Der Wiener Bürgermeister Häupl ist so ein Vertreter dieser Spezies, die glaubt sich um nichts scheren zu müssen und sich alles herausnehmen zu können. Er lieferte dieser Tage einen schier atemberaubenden Beleg dafür.

Just zu dem Zeitpunkt, als ruchbar wurde, dass die Stadt Wien eine ganze Reihe von Gebühren wieder einmal kräftig anhebt und die Preise für Fernwärmekunden gar um neun Prozent erhöht gab er in Interviews zu Protokoll, dass jetzt nach dem Abgang Spindeleggers eine Lohnsteuersenkung "das Wichtigste" sei. "Eine Steuerrefom muss her. Punkt", tönt er selbstbewusst und -Häupl ist ja schließlich Häupl -legt gleich noch ordentlich drauf. "Die Menschen brauchen eine Kaufkraftstärkung", sagt er, sie wollten "mehr im Brieftaschl" sehen.

Er sagt das ganz ungeniert, während er genau diesen Menschen, für die stark zu machen er vorgibt, mit beiden Händen in die Taschen greift. Und das gar nicht zu wenig. Seit 2010 seien die Gebühren um 17,7 Prozent auf durchschnittlich 2670 Euro pro Familie und Jahr gestiegen, wettern die Wiener Stadt-Schwarzen. "Eine Wiener Familie muss nun 400 Euro mehr zahlen als vor Rot-Grün."

Das stellt die Notwendigkeit einer Steuerreform freilich in ein neues Licht. In Wien jedenfalls scheint sie die Bevölkerung zu brauchen, um die Gebührenerhöhungen, die ihnen die Stadt mit dem Bürgermeister, der so laut nach einer "Kaufkraftstärkung" ruft, zahlen zu können.

Häupl wird das herzlich egal sein. Er macht das gerne so. Nicht anders war es jüngst, als just er die Mietpreisanstiege attackierte und gemeinsam mit seinen grünen Regierungskollegen nach einer Mietzinsobergrenze rief. Ausgerechnet Häupl und sein Koalitionspartner.

Häupl freilich weiß sich eines Sinnes mit seinen Parteikollegen. Von oben bis unten und quer durchs Land. Man zeigt allerorten mit den Fingern auf die anderen, um von sich selbst abzulenken. Ungeniert tut man so, als hätte man Weisheit und Moral gepachtet und als seien alle anderen Gauner und soziale Miesepeter, die sich ihr Geld erschleichen, wenn sie denn überhaupt Steuern zahlen. In der Steiermark sitzt auch so einer, der gerne austeilt. Ohne genau hinzuschauen. Um des eigenen Vorteils und der Schlagzeile willen. Der Herr Landeshauptmann Voves hat keine Scheu davor, gleich den ganz großen Prügel auszupacken, wenn er vor ein Radiomikrofon gebeten wird. "Wenn jene, die wohlstandsverwöhnt sind, die reich sind, nicht bereit sind, Solidarität zu zeigen mit den arbeitenden Menschen, die immer weniger netto im Börsel haben, dann werden sie hohe Stacheldrahtzäune um ihre Vermögen bauen müssen", tönt er. Den Prügel hat er offenbar nicht nur im bildlichen Sinn in der Hand. Wenn man jetzt "als reicher Mensch" nicht bereit sei zur Solidarität, könne das auch bedeuten, "dass man mit diesem Reichtum auf Zeit keine Freude mehr hat".

Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. So reden zwei der führenden Politiker in einem Land, das seinen Bürgern so viel Geld wie kein anderes aus den Taschen zieht und ihnen dafür mitunter ziemlich wenig bietet. So reden zwei Spitzenpolitiker einer Partei, die seit 60 Jahren in der Regierung sitzt und die ganze Gesellschaftsbereiche unter Kontrolle hält.

Und so reden zwei Spitzenpolitiker, die sich nicht scheuen ordentlich in die Taschen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu greifen, wenn sie es sich in der Verwaltung ihrer Länder kommod machen wollen.

Die Doppelbödigkeit und die Unverfrorenheit sind atemberaubend. Aber sie sind ein Teil der österreichischen Gesellschaftskultur, in der alle die Fehler und Verfehlungen bei den anderen sehen und zu der gehört, sich selbst immer als Unschuldslamm hinzustellen. Häupl und Voves sind nur zwei von ihnen. Und es sind nicht nur Politiker. Diese Doppelbödigkeit, diese Unverfrorenheit und die unterschiedlichen Maßstäbe, die man hierzulande so gerne anlegt, gibt es überall.

Sie machen es schwierig. Und sie tragen viel zu dem bei, wie Österreich von außen gesehen wird -als "wackelige Mitte Europas", wie jüngst in der FAZ.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. September 2014

Dienstag, 9. September 2014

Der Boom der Wunderpflanze



Mais ist die Pflanze mit den weltweit stärksten Zuwachsraten, die Anbaufläche wächst. In Oberösterreich investiert man in die Entwicklung von Saatgut.

Hans Gmeiner
Geinberg. Nur wenige Quadratmeter groß sind die Flächen mit den kleinen Maispflanzen im Saatzuchtzentrum der Saatbau Linz im oberösterreichischen Schönering. 80.000 solcher Versuchsparzellen, auf denen Sorten in zahllosen Varianten ganz konventionell und ohne Gentechnik gekreuzt werden, betreuen Robert Taucher von der Saatbau Linz und seine Mitarbeiter praktisch rund um die Uhr. Das Ziel ist die Entwicklung neuer Maissorten, die bessere Eigenschaften für die Fütterung bieten, resistenter gegen Krankheiten sind und auch noch höhere Erträge bringen.

Der enorme Aufwand lohnt sich. Die Saatbau Linz hat sich im Konzert der großen Maiszüchter einen guten Ruf verschafft. 50 Sorten wurden allein im vergangenen Jahr neu zugelassen, in 15 europäischen Ländern treibt man derzeit Zulassungsverfahren voran, der Absatz konnte in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht werden. Der Anteil des Geschäfts mit Maissaatgut an den 150 Mill. Euro Gesamtumsatz schnellte auf fast 40 Prozent, der Exportanteil in dieser Sparte auf 80 Prozent. Für rund 300 Bauern ist die Vermehrung des Maissaatguts ein attraktives Zubrot.

Das macht Lust auf mehr. Vor wenigen Tagen eröffnete die Genossenschaft in Geinberg im Innviertel eine der modernsten Aufbereitungsanlagen für Maissaatgut in Europa. „Damit können wir unsere Produktion von derzeit 750.000 Saatgut-Packungen auf 1,1 Millionen fast verdoppeln“, sagen die beiden Geschäftsführer Karl Fischer und Josef Fraundorfer. Das ist Saatgut für gut 800.00 Hektar.

Vor den Großen der Branche wie Monsanto und Pioneer hat man genauso wenig Angst wie vor den Pharmariesen Syngenta und Bayer, die sich in den vergangenen Jahren in die Maissaatgutbranche eingekauft haben. Dass Gentechnikmais weltweit immer größere Bedeutung gewinnt, nehmen die konventionellen Züchter aus Linz in Kauf. „Wenn wir unsere Arbeit weiter konsequent und gut machen, bestehen wir auch in Zukunft gegen die Großen“, sagen die beiden Saatbau-Geschäftsführer. In der Region von Nordfrankreich bis hin nach Russland macht ihnen keiner etwas vor. „Da sind wir vorn dabei, und in Russland trifft uns die Importsperre bisher nicht.“

Diesen Boom will man nutzen. „Mais ist weltweit zur Pflanze mit den höchsten Zuwachsraten geworden“, sagt auch Agrana-Vorstand Fritz Gattermayer. Sein Unternehmen baute in den vergangenen Jahren mit dem Stärkewerk in Aschach (OÖ) und in der Bioethanolanlage in Pischelsdorf Verarbeitungskapazitäten von insgesamt rund 750.000 Tonnen auf. „Ausweitung nicht ausgeschlossen“, heißt es hinter vorgehaltener. Hand. Das gilt auch für das Werk der Jungbunzlauer bei Laa/Thaya, in dem derzeit rund 250.000 Tonnen Mais zu Zitronensäure verarbeitet werden. Dort denkt man dem Vernehmen nach über eine Ausweitung auf 600.000 Tonnen nach.

Mais gilt als wahre Wunderpflanze. Längst dient sie nicht mehr nur als Futtermittel und Nahrungsmittel. Vor allem die darin enthaltene Stärke macht sie auch für die industrielle Verwertung interessant. Nach vorsichtigen Schätzungen soll es inzwischen rund 20.000 Produkte geben, in denen Mais enthalten ist. Der Bogen reicht vom einfachen Fladenbrot, das in vielen Ländern Nahrungsmittelgrundlage ist, über Verpackungsmaterial und Einweggeschirr, Zusätze in Farben oder Spritzbeton und zahllose andere Stärkeprodukte bis hin zu Biogas und Treibstoffen.

Mais ist in den vergangenen Jahren weltweit zur wichtigsten Kultur geworden. Heuer werden erstmals eine Milliarde Tonnen geerntet. Vielerorts wurde der Boom freilich längst zum Problem. So wächst in Deutschland seit Jahren der Widerstand gegen die rasant zunehmenden Mais-Monokulturen, mit denen Biogasanlagen versorgt werden. Groß ist die Angst vor allem in Europa vor gentechnisch verändertem Mais, dessen Anteil weltweit schon bei mehr als 30 Prozent liegt, der in Europa aber nur in ganz wenigen Ländern angebaut wird – und auch das nur in sehr geringen Mengen.

Auch in Österreich hat sich die Pflanze in den vergangenen Jahrzehnten etabliert. Die Anbauflächen wurden seit Mitte der 1960er-Jahre von 80.000 auf heute rund 300.000 Hektar ausgeweitet. Die Bauern schätzen die einfache Handhabung und die sicheren Erträge.

Die Probleme mit dem Pflanzenschutz, die mit dem Verbot der Neonicotinoide in Zusammenhang gebracht werden, verleiden freilich vor allem im Süden Österreich vielen inzwischen den Maisanbau. In der Steiermark ging die Anbaufläche heuer dem Vernehmen nach um rund 10.000 Hektar zurück. Bald könnte freilich noch ein anderer Grund dazukommen. Wegen der international erwarteten guten Ernte dürfte es für die Maisbauern heuer mit weniger als 10 Cent pro Kilogramm so niedrige Preise wie kaum je zuvor geben.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 9. September 2014

"Wir wollen nun so taktvoll sein"



Es passiert. Man übersieht, eine Rechnung pünktlich zu bezahlen. Mahnungen sind die Folge. Oft in harschem Ton. Oft ohne alle Worte und alle Freundlichkeit, nur mit Zahlungstermin. Es geht auch anders. Ganz anders. "Mit Erstaunen ist zu sehen, dass noch Posten offen stehen", hieß es diesmal. "Bestellung wurde aufgenommen, Ware ist doch angekommen? Die Rechnung richtig ausgestellt, nur fehlt uns noch Ihr liebes Geld. Wir wollen nun so taktvoll sein und nicht nach unserem Gelde schrei´n. Drum bitten wir Sie sehr diskret, nun zu bezahlen, wenn es geht." Das wirkt auch. Noch besser als alles bisher Gekannnte. Und man zahlt sofort - und das gerne.

Salzburger Nachrichten - Spitze Feder, 9. September 2014

Freitag, 5. September 2014

Die Landwirtschaft und ihre falschen Freunde





Die hiesige Bevölkerung mag die Landwirtschaft und die Gewerbebetriebe, die deren Produkte verarbeiten. Zumindest dann, wenn sie so sind, wie man meint, dass sie eigentlich sein sollten. Klein, keine großen Maschinen, statt dessen kernige Bauersleute beim Heumachen mit Sense und Rechen auf der Wiese. Ein paar Schweinderl und Kühe im alten Stall, der Metzger freundlich und der Bäckermeister immerfroh.

So wie in der Werbung halt. So ein bisserl wie früher.

Dass das mit den Anforderungen der heutigen Märkte nichts zu tun hat, und meist auch nichts mit den Anforderungen an Hygiene, die heute gestellt werden, zumal vor allem von jenen, die einem solchen Landwirtschaftbild anhängen, tut da nichts zu Sache. Und auch nicht, dass man selbst zwar hie und da für das eine oder andere Stück Fleisch und Spezialbrot ein Paar Euro mehr ausgibt, sonst aber größten Wert auf möglichst günstige Preise legt.

Freilich, bei der Qualität mag man möglichst keine Abstriche machen und auch nicht bei der Sicherheit. Darum legt man gerade in Österreich auf Kontrolle und Überwachung der Lebensmittelproduktion vom Feld bis zum Teller größten Wert. Allergrößten. Längst hat ein nachgerade manischer Vorschriften-, Kontroll- und Überwachungswahn das Vertrauen als wichtigste Instanz zwischen Produzenten und Konsumenten verdrängt. 

Die Lebensmittelhersteller - von den Bauern, über die gewerblichen Verarbeiter bis zur Lebensmittelindustrie - werden dabei schwindelig gespielt von den immer neuen Auflagen und Forderungen nach immer noch mehr Kontrollen.

Dass das für einen Großteil der Bauern, der Gewerbetreibenden und auch für die heimische Lebensmittelindustrie längst zu einer existenziellen Gefahr geworden ist, scheint denen einerlei, die so bräsig wie selbstherrlich einem romantisierenden Bild der Landwirtschaft anhängen und gar versuchen, es zum Leitbild der Agrarpolitik zu machen. Denn die zuweilen schon krankhafte Sucht nach Sicherheit und Nachvollziehbarkeit von allem und jedem in der Lebensmittelproduktion, die immer neuen Vorschriften für Produktion und Verarbeitung und der immer neue Blüten treibende Kontrollwahn, verleiden den Bauern zunehmend die Arbeit.

Dass man damit genau jene kleinen Strukturen in Landwirtschaft und Gewerbe umbringt, die zu schätzen man vorgibt, und statt dessen industriellen Produktionsformen den Weg ebnet, weigert man sich, zur Kenntnis zu nehmen. Leiden schon die Großen darunter, so haben erst recht nicht die kleineren Betriebe in Landwirtschaft und Gewerbe die Strukturen, das Personal und auch nicht die Technik, um alles bis zu jedem i-Tüpfelchen zu erfüllen. Für sie ist es daher im Verhältnis zu Umsatz und Erlös besonders aufwendig und teuer, all den Vorschriften gerecht zu werden.

Viele haben längst das Handtuch geworfen, weil sie sich das nicht mehr antun wollen. Inzwischen schreien selbst die Biobauern auf, weil sie fürchten, dass mit der neuen EU-Bioverordnung und ihren noch strengeren Regeln dem Biolandbau mehr geschadet als geholfen wird.

Ideen, diese Probleme für alle Seiten befriedigend zu lösen, Antworten gar, gibt es bislang wenige. Dass Leute wie AMA-Marketing-Chef Michael Blass auf einfachere Strukturen drängen kann nur ein erster Schritt sein.

Die Politik ist gefordert. Die Aufgabe ist freilich keine einfache in einem Land, in dem das Bonmot kursiert, dass die Lizenz für eine Kontrollfirma nichts anders ist, als die Lizenz Geld zu drucken.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land 9/14, 4. September 2014

Donnerstag, 4. September 2014

Personalisierte Politikverdrossenheit



Michael Spindelegger ist als ÖVP-Obmann, als Vizekanzler dieser Republik und als Finanzminister Geschichte. Er hatte genug von dem, was in diesem Land als Politik gilt, und ging. Er tat damit nichts anderes, als das, was zigtausende in diesem Land seit Jahren tun -er wendete sich von der Politik ab, weil nicht mehr auszuhalten ist, wie sie hierzulande allzuoft betrieben wird.

Man stehe hinter ihm, hat man Spindelegger zu seinem Amtsantritt als Obmann der Volkspartei versprochen, und auch, als er das Finanzressort samt Hypo-Alpe-Adria-Desaster übernahm. Selbst kurz vor Weihnachten letzten Jahres, als nach schwierigen Verhandlungen der Koalitionspakt stand, fand man die entsprechenden Worte. Man müsse zusammenhalten, man stehe hinter dem Pakt, man stehe hinter dem Finanzminister. Keine neuen Steuern, keine Reichensteuer vor allem, man müsse sparen. Die Zeiten seien schwierig, man könne sich gar nichts anderes leisten. Man kennt das Vokabular sattsam, das bei solchen Gelegenheiten verwendet wird. Besonders gerne von der Volkspartei.

Monate später ist alles vergessen, selbst von jenen, die all das, wofür Spindelegger einstehen sollte, mit ausverhandelt haben. Vor allem von jenen. Da bröckelt einer weg, da tuschelt einer hinter vorgehaltener Hand. Dort fehlt auf einmal der bedingungslose Rückhalt. Wie ein Schneeball zur Lawine wird, beginnt die Stimmung zu kippen. Auf einmal waren aus den kleinen Sticheleien große Interviews geworden, in denen sich Leute, die wissen müsste, wie mit schwierigen Situationen umzugehen ist, kein Blatt mehr vor den Mund nahmen und den ohnehin angeschlagenen Vizekanzler Choram Publico attackierten, wie das kein politischer Gegner je tat.

Man versteht, dass Spindelegger -was immer man von ihm hielt -genug hatte und die Reißleine zog. Auf solche Leute war für ihn nicht mehr zu bauen, zumal auf solche, die sich hinterher öffentlich heuchlerisch für "unschuldig erklärten" oder die sich gleich gar nicht scheuten den Rücktritt als ihren Erfolg zu feiern. Das wollte Spindelegger nicht mehr. Und das wollen, das steckt wohl hinter der wachsenden Politikverdrossenheit, auch immer mehr anderen Menschen nicht mehr. Menschen , die nichts mit aktiver Politik am Hut haben, die Politik als Führung verstehen und als Verantwortung dafür, Probleme zu lösen Sie haben, ganz so wie Spindelegger, genug davon. Sie wollen Wahrhaftigkeit und sie wollen jenen Vertrauen, denen sie ihr Stimme gaben oder geben sollen. Sie wollen Handschlagqualität, Ehrlichkeit und keine Worthülsen, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit umgeblasen werden.

Nicht zuletzt deswegen zeigen viele von ihnen der Politik den gestreckten Mittelfinger. Man hätte sich gewünscht, Spindelegger hätte das auch getan. Vor allem jenen, die ihm seinerzeit das Vertrauen geschworen haben. Man hätte sich gewünscht, er hätte seine Rücktritts-PK nicht nur zum letzten Auftritt in der Öffentlichkeit erklärt, sondern wäre auch allen anderen Terminen, die mit der Übergabe der Ämter zu tun haben, fern geblieben, um ihnen seine Verachtung zu zeigen.

Spindelegger wurde zu einem Getriebenen, als er sich darauf einließ, den Obmann der Volkspartei zu machen. Damit umzugehen ist ein herkulisches Unterfangen, zumal allzu viele Chefs mitreden und nicht scheuen, auch politische Gewalt anzuwenden, wenn es nur um den eigenen Vorteil geht. Da ist nichts von der christlich-sozialen Partei. Da ist viel zu oft nur mehr Brutalität. Viel mehr mies als fies.

Mit den Vorgängen rund um die Abservierung des unbeliebt gewordenen Parteichefs lieferten die Volkspartei und einige ihrer Proponenten nichts anders, als ein weiteres Anschauungsstück für das, was immer mehr Menschen in diesem Land die Politik verleidet. Man versteht, dass sie sich abwenden und nichts mehr davon wissen, geschweige denn damit zu tun haben wollen.

Jetzt wird wieder Aufbruch versprochen, man stehe hinter dem neuen Parteichef und unterstütze ihn mit voller Kraft. Und erst der neue Finanzminister, ein höchst kompetenter Mann! Man mag es gar nicht mehr hören. Man kennt das. Man wundert sich. Und man fragt sich - warum sollte es ausgerechnet diesmal anders sein? Warum sollte die Politikverdrossenheit weniger werden? Mit dieser Volkspartei mit all ihren so gerne als nachgerade heilig daherkommenden Häuptlingen, die sich so oft doch nur als Scheinheilige erweisen?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. September 2014
 
UA-12584698-1