Samstag, 16. August 2014

Bodenverbrauch ohne Folgen für Versorgung



Dass Boden unter Beton und Asphalt verschwindet, gefährdet die Ökologie, nicht die Versorgung.

HANS GMEINER

Salzburg. In Österreich wird besonders sorglos mit Flächen umgegangen. Ein paar Häuser und eine Straße dort, ein Betriebsbaugebiet und ein Einkaufszentrum da. Ehe man sich die Mühe antut, leer stehende Gebäude zu nutzen und raumsparende Lösungen zu suchen, werden viel zu oft Flächen an den Ortsrändern umgewidmet, um dort völlig neu und vor allem billig zu bauen. Der Verbrauch liegt deutlich über dem internationalen Durchschnitt. Täglich würden 22 Hektar, die Fläche eines durchschnittlichen österreichischen Bauernhofs, versiegelt, werden Einrichtungen wie die Österreichische Hagelversicherung nicht müde zu warnen. Übers Jahr verschwinden angeblich mehr als 8000 Hektar für immer unter Beton und Asphalt. Mit eindringlichen Worten wird zuweilen sogar die Angst um die heimische Lebensmittelversorgung geschürt.

Um die freilich braucht man sich keine Sorgen zu machen. Der Flächenverbrauch spiegelt sich in keiner Weise in der heimischen Agrarproduktion wider. Während bei oft wenig produktiven Grünlandflächen der Rückgang besonders stark war, ist der Rückgang bei den Ackerflächen seit Jahren überschaubar. Den stärksten Rückgang gab es zwischen 1960 und 2000. In diesen Jahren schrumpfte die Ackerfläche von 1,646 Mill. auf 1,381 Mill. Hektar. 2010 lag sie bei 1,363 Mill. Hektar, 2012 bei 1,355 Mill. Hektar.

Die Fortschritte in der landwirtschaftlichen Produktion, wie etwa in der Bodenbearbeitung und vor allem Züchtungsfortschritte, machten den Rückgang mehr als wett. Die Erntemengen von Getreide inklusive Mais pendeln seit fast 35 Jahren unverändert zwischen 4,5 Millionen und fünf Millionen Tonnen jährlich. Das Auf und Ab ist mit dem Wetter und den Anbau- und Erntebedingungen und nicht mit dem Rückgang der Flächen zu erklären.

Die Versorgungsbilanz Österreichs weist bei den wichtigsten Agrarprodukten trotz der insgesamt geringeren Anbauflächen oft sehr deutliche Überschüsse auf, nicht selten sogar mit steigender Tendenz. Bei vielen Produkten ist Österreich Nettoexporteur. Bei Weizen etwa beträgt der Selbstversorgungsgrad 109 Prozent, bei Fleisch sind es 112 Prozent, bei tierischen Fetten 114 Prozent und bei Konsummilch gar 155 Prozent.

Dass bei Getreide in den vergangenen Jahren die Selbstversorgungsgrade zurückgegangen sind, hat nichts mit einem Rückgang der Ackerfläche zu tun, sondern liegt einzig und allein daran, dass Konzerne wie Agrana und Jungbunzlauer enorme Kapazitäten für die industrielle Verarbeitung von Getreide und Mais zu Biosprit, Stärke und Zitronensäure aufgebaut haben.

Die Landwirte freuen sich, dass es damit gelungen ist, die permanente Überschusssituation mit schlechten Preisen zumindest einigermaßen in den Griff zu bekommen. Der Selbstversorgungsgrad liegt trotz des Aufbaus der industriellen Verarbeitung auch bei Getreide immer noch bei 100 Prozent und heuer wegen der guten Ernte sogar darüber.

Wo es Importbedarf gibt, wie etwa bei Sojabohnen, hat das nicht mit fehlenden Flächen, sondern mit strukturellen Problemen wie kaum vorhandenen Verarbeitungsmöglichkeiten oder besonders hohen Anforderungen an Boden und Klima zu tun. Die freilich sind in Österreich nur in eng begrenzten Regionen zu erfüllen.

Gering zu schätzen ist das Thema Bodenverbrauch dennoch nicht. Viel mehr als eine Gefahr für die Versorgungssicherheit ist der leichtfertige Umgang mit Flächen eine Gefahr für Umwelt und ökologische Kreisläufe. Zudem trägt er wesentlich zur Zersiedelung der Landschaften mit allen Folgen, wie etwa erhöhte Infrastrukturkosten, bei. Und das, während gleichzeitig die sogenannten Industrie-, Gewerbe- und Hausbrachen vor allem im städtischen Bereich beachtliche Dimensionen annehmen. Nach jüngsten Schätzungen wachsen die leer stehenden Flächen um 1100 Hektar pro Jahr.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. August 2014

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