Donnerstag, 24. Juli 2014

Gnade des Geburtsortes



Es gibt Österreicher und es gibt Österreicher. Solche und solche. Auch wenn die Voraussetzungen völlig gleich sind. Gnade der Geburt meint in diesem Land nicht nur, ob man in eine vermögende Familie hineingeboren wurde, sondern auch, und das vor allem, in welchem Bundesland man das Licht der Welt erblickte. Die Unterschiede und ihre Folgen könnten gravierende kaum sein. Diese Erkenntnis verdanken wir nicht verschwurbelten PR-Strategen von Landeshaupt-und anderen wichtigen Leuten, sondern Berichten und Prüfungen, wie jener des Bundes-Rechnungshofes, der sich jüngst die Geschichte mit der Mindestsicherung für Bedürftige genauer anschaute. Und prompt auf Bemerkenswertes stieß.

In Tirol bekommen demnach alleinstehende Bedürftige Sozialhilfe in der Höhe von 1120 Euro, in Vorarlberg immerhin noch 1063. Das ist nicht viel, zumal dann, wenn man jeden Tag jeden Cent dreimal umdrehen muss, um über die Runden zu kommen, wenn man wirklich drauf angewiesen ist. Und doch darf man sich dort freuen. Denn man ist in diesen beiden Bundesländern ein besserer Österreicher, respektive eine bessere Österreicherin, zumal eigentlich in einer Bund-Länder-Vereinbarung ist für alleinstehende Bedürftige eine Mindestsicherung in der Höhe von nur knapp 800 Euro monatlich vorgesehen ist.

Es geht aber noch krasser. Während ein einkommensloses Paar mit fünf Kindern in der Regel in Österreich auf nicht mehr als 1416 Euro monatlich vom Staat hoffen darf, können gleich strukturierte Familien in Vorarlberg mit 2320 Euro Euro kalkulieren und solche in Tirol gar mit 2671. Und als ob die Absurdität nicht groß genug wäre, können die monatlichen Auszahlungsbeträge unter Berücksichtigung des Kindergeldes und der Familienbeihilfe dort sogar mehr als 4000 Euro erreichen.

Möglich macht das der vielgelobte Föderalismus in diesem Land. Er schafft nicht nur zahllosen Politikern vom kleinen Bürgermeister bis hinauf zu den Landeshauptleuten Macht und Pfründe, sondern hat in Österreich eine Mehrklassengesellschaft etabliert, die ihresgleichen sucht. Von Gleichbehandlung keine Spur und auch nicht von Gerechtigkeit.

Ganz im Gegenteil, immer tiefer werden die Gräben zwischen den Bundesländern, die durch Verordnungen, Landesgesetze und Förderungen geschaffen werden. Die Bemühungen diesen Föderalismus zu überwinden sind nichts als Theaterdonner. "Solange man nicht weiß, was man dafür bekommt, wird kein Land etwas aufgeben," sagt jüngst ein hochrangiger Politiker in vertrautem Kreis. Er traf damit wohl genau den Punkt. Und dabei geht es noch gar nicht um Abstriche bei den neun Bauordnungen, es geht auch nicht um die unterschiedlichen Jugendschutz-Vorschriften, nicht um die neun unterschiedlichen Jagdgesetze und auch nicht um die neun unterschiedlichen Standards in der Kinderbetreuung.

Da geht es wohl eher um Themenblöcke wie das Förderwesen, das festungsgleich allerorten zu einem Instrument der Machtsicherung und des Erhalts des Wähler-Wohlwollens ausgebaut wurde. 15 Milliarden Euro versickern dort jährlich in einem "weitgehend unkoordinierten und vielfach intransparenten Nebeneinander", hat der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger ermittelt.

Da geht es um Machterhaltung, bis das Land zerbröselt. Darum ist auch schwer verständlich, warum es seit geraumer Zeit in bestimmten politischen Zirkeln ein vogue ist, einer Budgethoheit der Länder das Wort zu reden und ihnen gar eine Steuerhoheit zugestehen zu wollen. Die dezentrale Erstellung und Finanzierung von staatlichen Leistungen führe zu einer effizienteren Bereitstellung öffentlicher Güter, führt man ins Treffen. Mutig ist das nur zu nennen, in einem so kleinen Land wie Österreich, das gerade damit zu kämpfen hat, weil in einem, noch dazu sehr kleinen Bundesland, alle Gäule durchgegangenen sind und deswegen das ganze Land auf Jahre hinaus nun in einer Finanzmalaise schier epochalen Ausmaßes steckt.

Den Österreicherinnen und Österreichern ist längst mulmig. Sie spüren, dass die Richtung keine gute ist. Zwei Drittel lehnen den Föderalismus ab, fand das Linzer Meinungsforschungsinstitut market heraus. Und am meisten wünschen sie sich eine Vereinheitlichung der Vorschriften zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Um zu sparen.

Wohl aber auch, weil man genug davon hat, von der Gnade in einem bestimmten Bundesland geboren zu sein, abhängig zu sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. Juli 2014

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