Donnerstag, 3. Juli 2014

Blassgraue Malaise



Werner Faymann genoss das Rampenlicht und die Fernsehscheinwerfer sichtlich. Natürlich müsse Juncker gewählt werden, zeigte er sich in der Vorwoche ganz als Europäer. Das Ergebnis der EU-Wahlen im Mai sei zu respektieren, diktierte er in die Notizblöcke der Reporterschar. Und mit Vergnügen setzte er gleich noch eines drauf und machte sich für eine rasche Nominierung von Gio Hahn als EU-Kommissar stark. "Ich habe schon oft gesagt: Gio Hahn hat eine sehr gute Arbeit geleistet."

Festgehalten sei ausdrücklich, dass dieser Faymann, der da spricht wie man es von Spindelegger erwarten würde und sich für die Konservativen Juncker und Hahn in die Bresche haut, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Österreichs ist.

Die Volkspartei hingegen, die sich Europa so gerne groß auf die Brust schreibt, steht daneben. Hilflos. Die Europapolitik Österreichs, ein Treppenwitz der Geschichte, macht mittlerweile Faymann. Er wählt den Kommissionspräsidenten, während Spindelegger in Kärnten bei der Wahl des dortigen Parteichefs dabei sitzt.

Kaum etwas stellt die Malaise der Volkspartei eindrücklicher dar. Bei den Brüsseler Regierungschefs hat man nichts zu sagen. Und wo man was zu sagen hätte, sagt man nichts. Auf Gio Hahn, Urgestein der Partei, mochte man sich lange nicht einigen. Und Othmar Karas, der die EU-Wahl für die Volkspartei gewann, will man nicht zu groß werden lassen in Wien. Er wurde "bereits wieder verräumt", hieß es in den Gazetten bereits.

Man ist ja mit anderem beschäftigt. Gezwungenermaßen. Während der Regierungschef auf dem internationalen Parkett tanzt, muss sich sein Finanzminister, Vizekanzler und Obmann seines Regierungspartners, im Kampf gegen den Hypo-Sumpf täglich aufs Neue anschütten lassen. Wie zuletzt von seiner Vorgängerin, die allen Grund hätte, den Mund zu halten. Nicht einmal die vor wenigen Tagen von Spindelegger präsentierten Einsparungsvorschläge taugen dazu, Entlastung zu bringen. Nicht für den Finanzminister. Und auch nicht für die Partei, der er vorsteht. Im Gegenteil. Sie gerieten angesichts der Einseitigkeit zur Lachnummer, die weder von der politischen Konkurrenz noch von Beobachtern ernst genommen wurde.

Kein Wunder, hat doch die derzeitige Entwicklung so rein überhaupt gar nichts mit dem zu tun, was vor Jahresfrist, damals vor den Nationalratswahlen, vollmundig versprochen wurde. "Spindelegger sieht Budgetpfad nicht gefährdet", hieß es Anfang August vorigen Jahres. "Keine neuen Steuern" werde es geben, von einem "Zukunftsspaket" war die Rede und von der "Entfesselung der Wirtschaft". Und gemeinsam mit Angela Merkel warb Spindelegger damals völlig unbedarft für das mittlerweile europaweit und auch von seinen Parteifreunden heftig kritisierte Freihandelsabkommen mit den USA. Wohl, weil er meinte, damit punkten zu können.

Dass so etwas das konservative Parteivolk, respektive die konservative Wählerschaft, irritiert, ist verständlich. Die Lage der kleineren Regierungspartei ist zum Erbarmen. Und es nimmt nicht Wunder, dass sie in Umfragen beständig abrutscht. Mit 19 Prozent liegt die Volkspartei derzeit abgeschlagen an dritter Stelle, neun Prozentpunkte hinter den Freiheitlichen, die seit geraumer Zeit in allen Umfragen führen und derzeit bei 28 Prozent rangieren. Aber auch zur SPÖ, die es auf 23 Prozent bringt, ist der Abstand der Volkspartei groß.

Die Wähler ergreifen ganz offensichtlich die Flucht. Sie suchen Alternativen. Den meisten gelten wohl die Freiheitlichen als eine solche, viele auch die Grünen. Mit den Neos hingegen, die so gerne Auffangbecken für frustrierte Schwarze sein würden, will man sich hingegen nicht recht anfreunden. Die neue Partei grundelt bei zehn Prozent. Tendenz fallend.

Was nicht verwundert. Nach der anfängliche Euphorie ist man in den Mühen der Ebene angekommen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass Politik mehr ist als ein paar flotte Sager und greller Aktionismus. Man kämpft nach zwei Jahren auf dem politischen Parkett immer noch in weiten Teilen Österreichs mit organisatorischen Problemen. Und an allen Ecken ist zu spüren, wie dünn die Personaldecke ist.

Man kommt sehr blass daher. Nicht anders als die Volkspartei, der man das Wasser abgraben will. Die ist derzeit alles andere als kräftig schwarz, sondern allenfalls blassgrau.

Nur böse Zungen meinen, blassgrau wie ihr Parteichef.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Juli 2014

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