Donnerstag, 12. Juni 2014

Kommen Sie, staunen Sie!



Die Zahlen, die in die Debatte um eine Steuerreform geworfen werden, sind nicht neu, aber Staunen machen sie allemal. Am staunenswertesten ist wohl, dass Österreich mit dem Geld, das der Fiskus jährlich einhebt, nicht auskommt, obwohl hierzulande die Steuerquote mit 45,4 Prozent kaum so hoch ist wie sonstwo. Und ebenso staunenswert verhält es sich damit, dass maßgebliche Parteien unterstützt von maßgeblichen Gruppen der Gesellschaft dennoch kein Problem darin sehen, den Steuerzahlern die Daumenschrauben noch fester anzuziehen.

Dabei gehören die, die Steuern zahlen, ohnehin fast schon zu einer Minderheit. Denn wer weniger als 11.000 Euro jährlich verdient, ist hierzulande von der Lohnsteuer befreit. Und das sind nicht wenige. 1,47 Millionen Menschen weist die Statistik in dieser Kategorie aus. Dazu kommen rund eine Million Pensionisten, die keinerlei Steuer entrichten. Zum steuerlichen Sittenbild gehört auch, dass rund ein Drittel der insgesamt 6,7 Millionen Österreicherinnen und Österreich, die ein selbstständiges oder unselbstständiges Einkommen oder eine Pension beziehen, mehr vom System zurückbekommen, als sie in Form von Steuern einzahlen oder dass sie zumindest pari aussteigen. 2,5 Millionen Menschen zählt die Statistik Austria dieser Gruppe zu. Rund 900.000 Menschen sind demnach überhaupt Netto-Empfänger. Ihre Bezüge aus öffentlichen Töpfen sind höher als das, was sie an Steuern einzahlen.

Nicht nur das macht Staunen. Auf die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher entfallen rund 32 Prozent des gesamten lohnsteuerpflichtigen Einkommens, aber 52 Prozent des Lohnsteueraufkommens. Im Klartext: Zehn Prozent der Lohnsteuerpflichtigen bestreiten mehr als die Hälfte des Lohnsteueraufkommens. Die unteren 49 Prozent, also fast die Hälfte der Lohnsteuerpflichtigen, tragen hingegen dazu gerade einmal drei Prozent bei.

Dabei kommen auch Menschen in dieser untersten Steuerkategorie nicht um einen ansehnlichen Obolus herum, erweisen sich doch der Fiskus, diverse Magistrate und zahllose andere Einrichtungen auch als höchst effiziente stille Abkassierer. Der Bogen reicht von der in den Mieten enthaltenen Umsatzsteuer, über die Mineralölsteuer beim Treibstoff fürs Auto, die Steuer, die in der Rundfunkgebühr enthalten ist, bis hin zu den Steuern, mit denen belastet ist, was man täglich braucht - von der Milch bis zur Seife und zurück.

Selbst von einem Bruttoeinkommen von 3500 Euro bleibt da recht wenig, haben die "Salzburger Nachrichten" dieser Tage penibel ermittelt. Die 632 Euro für die Sozialversicherung und die 729 für die Lohnsteuer sind da noch die bekanntesten Posten, die bei einem Brutto-Einkommen dieser Größenordnung zu entrichten sind. Aber auch der Rest läppert sich gut und gerne auf mehr als 300 Euro zusammen. Das heißt nichts anderes, als dass jeder zweite Euro, der verdient wird, direkt oder indirekt in den Taschen des Fiskus landet. Rechnet man dazu, was vorher bereits der Arbeitgeber abgeführt hat, schaut es noch viel schlechter aus.

Was die Steuerzahler abliefern, müsste eigentlich reichen, um damit ordentlich was anzufangen. Möchte man meinen. Das freilich mag nicht gelingen. Das Land ist voller Unzufriedener. Und dem Staat ist es überhaupt zu wenig.

Dabei wird in keinem anderen Land im OECD-Raum so viel umverteilt, wie in Österreich. Durch die Umverteilung - von oben nach unten klarerweise - erhöhte sich in den vergangenen Jahren das verfügbare Haushaltseinkommen des finanzschwächsten Drittels im Schnitt von 100 auf 149 Prozent. Das mittlere Drittel verlor leicht von 100 auf 95 Prozent. Das bestverdienende Drittel hingegen wurde kräftig zur Ader gelassen. Dort reduzierte sich das Haushaltseinkommen um gut ein Viertel auf 74 Prozent.

Nicht nur deswegen nimmt sich die von der ÖVP vertretene Linie, zuerst die Strukturen anzupassen und dann über Steuern zu reden, als nachvollziehbarer und wohl auch vernünftiger aus. Die Frage bleibt freilich, warum das nicht schon längst geschehen ist, wo man doch schon seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt und das Geschick dieses Landes maßgeblich bestimmt.

Das freilich gilt auch für die SPÖ, die nun nach der EU-Wahlschlappe und vor der Wien-Wahl Dinge zu Problemen macht, die zu gestalten sie immer in der Hand hatte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Juni 2014

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