Samstag, 28. Juni 2014

Getreide gibt es im Überfluss



Die weltweit guten Ernteaussichten drücken auch heuer auf die Getreidepreise. Die Bauern kontern mit Spezialproduktionen und neuen Partnerschaften.

Hans Gmeiner
Die Winterbraugerste auf dem Feld des Hörschinger Bauern Reinhart Lehner steht gut. Karl Fischer von der Saatbau Linz und Brau-Union-Chef Markus Liebl reiben die reifen Ähren zwischen den Fingern. Sie sind zufrieden mit ihrem Projekt, aus Wintergerste Braugerste zu erzeugen. Bisher wurde dafür nur Sommergerste verwendet, die hauptsächlich in Ostösterreich angebaut wurde. „Wegen der wachsenden Probleme mit der Trockenheit dort ging aber die Anbaufläche in den vergangenen Jahren um zwei Drittel zurück“, sagt Fischer. Die Brau Union deckt derzeit rund 15 Prozent ihres Bedarfs mit Wintergerste, die in den feuchteren Regionen wie Oberösterreich besonders gut gedeiht. „Wir wollen einen Anteil von 50 Prozent erreichen“, sagt Liebl.

Die Getreidebauern hören das gern, zumal sie für Winterbraugerste um 15 Prozent mehr bezahlt bekommen als für herkömmliche Futtergerste. Sie beteiligen sich daher gern an solchen Vertragsanbaumodellen, die Unternehmen wie die Saatbau Linz entwickeln und die für Kunden, wie in diesem Fall die Brau Union, für die man auch Brauweizen erzeugt, maßgeschneidert sind.

Gerade heuer können die Getreidebauern jeden zusätzlichen Cent gebrauchen. Wie im Vorjahr stehen die Preise wieder kräftig unter Druck. Weltweit wird sowohl eine sehr gute Getreide- als auch eine sehr gute Maisernte erwartet. „Nach jüngsten Schätzungen wird sie zwar nicht ganz das Rekordniveau des Vorjahres erreichen, aber wieder größer sein als der weltweite Verbrauch“, sagt Ernst Gauhs von der Raiffeisen Ware Austria, einem der wichtigsten Getreide- und Maisvermarkter Österreichs. „Zu den 46 Millionen Tonnen aus dem Vorjahr werden weitere zehn Millionen Tonnen zu den Weltvorräten dazukommen.“

In Amerika sind die Aussichten für die Ernte sehr gut. Auch in Europa, in der Ukraine und in Russland erwartet man gute Ernten. Das drückt auf die Preise. „Weizen notiert derzeit bei rund 190 Euro je Tonne, das ist ungefähr so hoch wie vor einem Jahr“, sagt Gauhs. „Da wird sich nicht viel tun, außer es bricht irgendwo eine Krise aus.“ Zumindest bisher jedenfalls hinterließ die Ukraine-Krise keine markanten Spuren auf den internationalen Getreidemärkten. Mit 190 Euro liegen die Preise unmittelbar vor der Ernte nahe der Untergrenze aus den vergangenen Jahren, die 2010 mit 180 Euro erreicht wurde, und sind weit entfernt von den Höchstpreisen von über 300 Euro im Jahr 2007.

Dabei sind die Ernteschätzungen für Österreich gar nicht so zuversichtlich. „In der für den Ertrag entscheidenden Phase, in der sich die Getreidekörner zur endgültigen Größe füllen, hat in vielen Regionen Österreichs die Trockenheit zugeschlagen“, sagt Gauhs. „Tendenziell“ erwartet er daher eine geringere Getreideernte als im Vorjahr, als die Bauern insgesamt rund 2,9 Millionen Tonnen einbrachten.

Auch für die Biobauern ist Gauhs nicht uneingeschränkt zuversichtlich. „Dort sind die Fragezeichen wegen der Folgen der Trockenheit noch größer.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. Juni 2014

Donnerstag, 26. Juni 2014

Der Bauernhof wird zum Pflegeplatz



Therapie, Pflege, Pädagogik und soziale Dienste in Verbindung mit Natur und Tieren liegen im Trend. Die Bauern setzen alles daran, ihn zu nutzen.

Hans Gmeiner Salzburg. „Ja zum Mitanand“ heißt das Projekt, für das in Vorarlberg derzeit Bauern gesucht werden, die auf ihren Höfen Menschen mit Beeinträchtigungen beherbergen oder für sie sogar betreutes Wohnen anbieten wollen. Unterstützt wird das durch Caritas und Lebenshilfe. Diese neue Möglichkeit der Einkommensgestaltung könne sich auszahlen, wirbt die regionale Landwirtschaftkammer in ihrer Zeitung. „Da sieht man, wie Green Care funktioniert und Landwirtschaft und der Sozialbereich zusammenwachsen können“, freut sich Nicole Prop von der Landwirtschaftskammer. Bauernhöfe und ihr Umfeld sollen unter dem Titel Green Care verstärkt auch als Platz für soziale Angebote wie Seniorenwohnungen, für Tier- und Heilpädagogik und soziale Arbeit genutzt werden. Seit drei Jahren treibt Prop für die Landwirtschaftskammern das Projekt voran, das zum Ziel hat, die Land- und Forstwirtschaft, den Sozialbereich, aber auch pädagogische Angebote zu verknüpfen und so neue Einkommensmöglichkeiten für die Bauern zu schaffen.

Schon jetzt gibt es in ganz Österreich eine Reihe von Projekten, die zeigen, dass Green Care kein Luftschloss ist. Auf dem Adelwöhrerhof am Triebener Tauern in der Steiermark etwa werden Behinderte betreut. In Oberösterreich gibt es den Franzlhof, auf dem ein Bauernhof-Kindergarten eingerichtet wurde. In Wien bieten Höfe tiergestützte Therapie und Pädagogik an und in der Stadt Salzburg gibt es den „Stadtstall“. Dort können Kinder und Jugendliche die Landwirtschaft kennenlernen und sich mit der Natur und ihren Produkten auseinandersetzen. Schon bald sollen Aus- und Weiterbildungsangebote dazukommen. Das Interesse in der Landwirtschaft ist groß.

Für die Bauern soll Green Care, ähnlich wie Urlaub am Bauernhof, zu einer Einkommensalternative werden. „Wir haben bereits mehr als 400 ernsthafte Anfragen von bäuerlichen Betrieben, die sich für Green Care als neuen Betriebszweig interessieren“, sagt Prop, „das zeigt, dass das Ding abhebt.“

An 30 Projekten wird bereits ganz konkret gerechnet und konzipiert. Übereilen will man dabei nichts. „Wir wollen gemeinsam mit den Bauern und den interessierten Organisationen Projekte entwickeln, die Hand und Fuß haben“, erklärt Prop. „Wir möchten auf keinen Fall in irgendeinen undurchsichtigen Graubereich geraten, sondern streben eine professionelle Umsetzung der Pläne an.“

Schritt für Schritt wurden in den vergangenen zwei Jahren seit der offiziellen Präsentation Strukturen für eine solide künftige Entwicklung geschaffen. In allen Bundesländern gibt es in den Landwirtschaftskammern inzwischen spezielle Green-Care-Berater. Klarheit geschaffen wurde in steuer-, sozial- und gewerberechtlichen Fragen ebenso wie in Sachen Haftpflicht und Gebäude- und Grundstückswidmung. In der Arge Green Care Österreich sind inzwischen auch alle interessierten Einrichtungen von der Arbeiterkammer Wien über die Behindertenanwaltschaft bis zur Landwirtschaftskammer Österreich in das Projekt eingebunden.

Auch in der Ausbildung ist man dabei, maßgeschneiderte Strukturen aufzubauen. An der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien wird seit dem Vorjahr ein eigener Masterlehrgang Green Care angeboten, an der FH Campus Wien gibt es Lehrveranstaltungen. Ausgebaut werden soll auch das Kurs- und Informationsangebot der Landwirtschaftskammern. Und an der Fachschule Gaming in Niederösterreich wird die neue Landwirtschaftssparte ab Herbst zu einem eigenen Schwerpunkt gemacht.

Rückenwind gibt es auch von politischer Seite. Für Green Care ist in der EU-Agrarreform im Rahmen der Ländlichen Entwicklung die Bereitstellung von Geldern vorgesehen. „Wie viel das wirklich sein wird, ist derzeit noch offen“, sagt Prop. Allein, dass es Mittel geben soll, hält sie für einen wichtigen Fortschritt. Als nächsten Schritt strebt Prop eine eigene Zertifizierung für Green Care an. „Wo Green Care drauf steht, muss Green Care mit all seinen Grundsätzen drinnen sein“, sagt sie, „wir wollen keine Trittbrettfahrer.“

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 26. Juni 2014

Drinnen und draußen



Österreichs Paradewissenschafter, der Genetiker Josef Penninger, wurde heuer mit dem Wittgensteinpreis ausgezeichnet, dem höchsten Wissenschaftspreis Österreichs, dotiert mit 1,5 Millionen Euro. Die müssen in die Forschung fließen, nach freier Wahl des Ausgezeichneten. Dazu gab es für acht Nachwuchsforscher Start-Preise, die mit jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert sind.

Da staunt man ob der Summen, und man freut sich. Österreichs Wissenschaftsförderung hat auch etwas Herzeigbares. Hochqualifizierte Wissenschafter und Preise mit einer Dotierung, für die man sich international nicht zu verstecken braucht.  Die breite Öffentlichkeit hört selten davon. Wunder nimmt das nicht. Wissenschaft, hat in Österreich längst nicht mehr jene Stellung die sie noch Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts gehabt hat, als die Welt noch nach Wien schaute, um Neues und Bahnbrechendes zu erfahren.

Davon ist kaum mehr etwas übrig. Im breiten Publikum hat die Wissenschaft keinen hohen Stellenwert mehr, schon gar keinen herausragenden. Und schon gar, wenn es dabei auch noch um Grundlagenforschung geht. Man kann wenig mit dem anfangen, was die Forscher an den Universtäten, in ihren Instituten oder in den Unternehmen tun. Es wird als entrückt und weltfremd empfunden, als teuer und verbohrt zuweilen. Herr und Frau Österreicher fragen das schnell "Brauchma dös?"

Längst hat diese Haltung in der Politik ihren Niederschlag gefunden. Wissenschaft und die Grundlagen dafür, die Bildung, werden ausgedünnt und in politischen Grabenkämpfen zerrieben. Die Zahlen, die die Industriellenvereinigung zusammentrug, sprechen für sich. Und sie sind alarmierend. Anstatt sich dem Ziel, die Forschungsquote von drei Prozent des BIP im Rahmen des EU-Strategieprozesses Europa 2020 , dem man sich verschrieben hat, anzunäheren, entfernt man sich davon. "Seit dieser Zielsetzung hat Österreich zunehmend an Forschungsdynamik verloren und ist im europäischen Vergleich immer weiter zurückgefallen", lautet das vernichtende Urteil der Industrie.

Dabei gäbe es durchaus lobenswerte Ansätze. In Bereichen wie Technik, Physik oder in den Lebens- und Umweltwissenschaften wird international geachtete Spitzenforschung betrieben. An den Unis hat sich das Niveau der Grundlagenforschung stark erhöht. Wissenschafter kommen gerne nach Österreich um hier zu arbeiten. Die Lebensqualität ist verlockend, die Bedingungen passen in manchen Segmenten durchaus.

Freilich ist das viel zu selten der Fall. Die Bedingungen, unter denen hierzulande wissenschaftlich gearbeitet wird, sind nicht selten nur erbärmlich  zu nennen. Es fehlt an der nötigen Ausstattung, am Geld und am nötigen Umfeld. Denn dort hat viel zu oft, wie in so vielen Bereichen in Österreich, die Politik die Hand im Spiel. Und es fehlt natürlich auch an einem entsprechenden leistungsfördernden und beflügelnden Klima in Österreich, wo der Durchschnitt und die Ruhe das Maß aller Dinge sind.

Die reine Wissenschaft, man weiß es, hat da einen schweren Stand. Das freilich auch, weil dem hiesigen wissenschaftlichen Personal bis hinauf zur Professorenschaft nicht viel von dem eigen ist, was man Kampfgeist und Drang zur Selbstständigkeit nennt. Man versteckt sich allemal lieber im Elfenbeinturm, um das Leben unter seinesgleichen zu verbringen, als sich mit der Realität draußen und den dortigen Verhältnissen auseinander zu setzen. Viel zu selten geht man in die Öffentlichkeit, um mitzureden und Inputs zu geben. Das erspart man sich gerne. Aus Bequemlichkeit oder aus Angst vor Repressionen.

Dabei schreien viele Themen und Probleme regelrecht nach wissenschaftlicher Begleitung. Doch die gibt es nur selten. Schon gar die unabhängige Begleitung, lassen sich doch viele, die in der Wissenschaft arbeiten, aus welchen Gründen immer, zu schnell und zu gerne vor Karren von poltischen Parteien, von Unternehmungen, von NGO oder von anderen Einrichtungen spannen.

Es ist daher ein verstärktes öffentliches und unabhängiges Engagement einzufordern. Die ein, zwei Verfassungsrechtler, ein, zwei Politikwissenschafter, oder die ein, zwei Volkswirtschaftler, die immer und überall zu sehen, zu hören und zu lesen sind, sind zu wenig. Und auch ein Josef Penninger oder ein Anton Zeilinger.

Das ist schade. Und das ist auch in gewissem Maß unverantwortlich. Die Umstände dürfen angesichts der Verantwortung keine Ausrede sein, nichts zu sagen und keine Stellung zu beziehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Juni 2014

Mittwoch, 18. Juni 2014

Unternehmer als Bürokraten



Die Wirtschaft schimpft gerne über die Bürokratie und die Verwaltung. Über die vielen Vorschriften und Kontrollen, über Umstandsmeiereien, über Bevormundung und über die unnötigen Kosten, die dadurch entstehen. Man gibt sich gehemmt und gefesselt. Und gerne auch verbittert.

Der Beobachter versteht den Unmut. Man kennt die Sorgen schließlich. Aus eigenem Erleben. Mit der Verwaltung. Aber auch mit den Unternehmen. Denn woran man sich an Politik und Verwaltung so gerne reibt, ist auch in den Unternehmen nicht fremd. Auch dort verstehen sich viele auf Bürokratie in all ihren Ausprägungen und Verästelungen, die nicht nur eigenes Zeit und eigenes Geld frisst, sondern auch das, aber davon mag man gar nicht reden, der Kunden und Geschäftspartner. Hausgemacht und zuweilen mit hohem Potenzial, sich damit selbst ökonomisch zu strangulieren.

Ganz so eben, wie man es sonst der Verwaltung vorwirft.

Papierkram über Papierkram. Unterschriften über Unterschriften. Stempeln da und Stempeln dort. Und überall Laufzettel, Durchschläge und Kopien. Der bürokratische Wahnsinn reicht von der Gestaltung interner Abläufen bis zur Ausgestaltung von Produkten und den Verkehr mit den Kunden.

Dabei muss es noch gar nicht um den Abschluss einer Krankenversicherungs-Polizze gehen, mit seitenweisem Kleingedruckten, Hin- und Querverweisen, Spezialbegriffen und geheim daherkommenden Kürzeln, die für Leistungen stehen, die sich der p.t. Kunde mühsam zusammensuchen muss, für die Atteste beizubringen sind und allerhand andere Papiere. Da steht man oft schon reichlich betropitzt da, wenn man nur ein simples Ersatzteil für einen Computer, eine Landmaschine oder ein Einrichtungsstück will und staunt, wie umständlich und kompliziert man auch in Unternehmen arbeitet, die sich in Hochglanz-Prospekten so toll darstellen.

Mit welcher Wonne und Verachtung werden oft Käufer mit Reklamationen im Kreis geschickt, wie lange lässt man Kunden warten, die ein Entgegenkommen wollen. Geblockt von Sekretärinnen, abschätzig behandelt von Service -Mitarbeitern und von missmutigen Beratern oder versenkt in so genannten Service-Hotlines. Ganz so, wie man es von den Tinten-Hochburgen kennt, über die man sonst so gerne lästert.

Und erstaunlich ist es, wie sehr insbesondere Freiberufler ihre Kundschaft quälen können, zumal dann, wenn die kaum Möglichkeiten haben ihnen auszuweichen. Ärzte sind ein besonders ärgerliches Beispiel dafür. Da ist es in manchen Ordinationen immer noch üblich, dass sich Patienten im wahrsten Sinn des Wortes vor verschlossene Türen anstellen müssen, um, einer nach dem anderen, überhaupt einen Platz im Wartezimmer zu bekommen. Termine sind oft ohnehin nichts anderes als Schätzwerte und dem E-Mail-Verkehr verweigert man sich auch noch vielerorts sehr gerne. Da ist man allemal lieber das, was man sonst so gerne kritisiert -Amt. Und zwar oft von der allerübelsten Sorte.

In der Unternehmerschaft und bei den Freiberuflern ist man aber oft nicht nur auf diesem Auge blind. Auch wenn es um die Liberalisierung im eigene Umfeld geht, können jene, die sonst so gerne das Wort von der freien Unternehmerschaft im Mund führen, sehr schnell sehr kratzig werden. In diesen Monaten wehren sich gerade die Rauchfangkehrer und Apotheken gegen die Aufhebung des Gebietsschutzes. Die Trafikanten erfreuen sich eines ebensolchen, die Bestatter und einige andere Branchen. Wie auch die Notare. Geschützt, abgesteckt, sicher. Da kann man es sich, wie Notare, leisten, in oberen Stockwerken von Gebäuden ohne Lift und zuweilen auch in dunklen Gängen zu logieren. Der Kundschaft, und sei sie noch so betagt, bleibt nichts anderes übrig, als dorthin zu kommen. Und sei die Mühsal noch so groß. Sie muss.

Sie alle sind gut vertreten. Von Kammern. Von der Wirtschaftkammer, der Apothekerkammer, der Notariatskammer und all den anderen Kammern, die so gerne das Wort von der Freiheit im Mund führen, sich über die staatliche Bürokratie beklagen und der Entfesselung das Wort reden. Bei den anderen freilich. Nie bei sich selbst. Dabei sind sie oft nichts anderes als genau jene Tintenburgen und Bürokratiemonster, die zu beseitigen sie fordern. Damit beißt sich die Katze in den Schwanz. Und weil die Katzen das zeit ihrer Geschichte tun, ist wohl die Hoffnung gering, dass das mit der Bürokratie anders wird. Zumal dann, wenn es sich um österreichische Katzen handelt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Juni 2014

Dienstag, 17. Juni 2014

Nahrungsmittel werden immer mehr zur Vertrauenssache



Bio hat dabei bessere Ausgangsposition, ist aber kein Selbstläufer, warnt ein Schweizer Trendforscher.

WIEN. Vertrauen ist in Zukunft das Um und Auf, wenn es ums Essen und um Lebensmittel geht. Davon ist der Schweizer Trendforscher David Bosshart, Chef des renommierten Duttweiler-Instituts, überzeugt, der im Auftrag der Rewe-Tochter Ja!Natürlich eine Studie zur Zukunft von Biolebensmitteln und Biolandbau durchführte. Bio habe im Vergleich zu Markenartikeln und konventionell erzeugten Produkten dabei eine bessere Ausgangsposition, sagte er am Montag bei der Präsentation erster Einschätzungen in Wien. Für Bosshart ist Bio aber kein Selbstläufer. „Wenn es um Sicherheit geht, muss man heute nicht nach Bio greifen“, sagt er. Es gehe nicht um perfekte Produkte, sondern um ehrliche Produkte. „Je schärfer die Konkurrenz wird, desto wichtiger ist das Gesicht, das dahinter steht.“

Ernährung sei heute zu einem wichtigen Statussymbol geworden. „Die Konsumenten schauen genauer hin, sie fragen mehr, sie wollen die Dinge kennenlernen.“ Das bedeute, dass auch für Bio der Druck, sich ständig neu zu erfinden und besser zu erklären, zunehme. Während auf der einen Seite der romantische Bezug zu Lebensmitteln immer bedeutender werde, werde auf der anderen Seite die Ernährung immer stärker von Wissenschaft und Technik geprägt. „Da brauchen wir einen Ausgleich“, sagt Bosshart. Ja!Natürlich-Chefin Martina Hörmer sieht darin nicht nur für Marketing und Kommunikation, sondern auch für die Produktentwicklung eine große Herausforderung.

Insgesamt sieht Duttweiler-Chef Bosshart für Bio die Bäume dennoch nicht in den Himmel wachsen. In den nächsten Jahren biete der Markt aber gute Perspektiven. „Über einen Anteil von 30 Prozent wird man aber nicht kommen.“

Das wird schwer genug. In Österreich stagniert der Markt bereits seit einigen Jahren bei einem Anteil von rund sieben Prozent. gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. Juni 2014

Freitag, 13. Juni 2014

Realistisch währt am längsten





Die Suche nach Geld für den Staatshaushalt und die Diskussion um die Besteuerung von Vermögen gebirt seltsame Blüten. Eine davon finden wohl die Bauern ganz besonders seltsam. Gewöhnt daran, sich als zuschußbedürftig und zuweilen arm darzustellen, wird jüngst in der Zeitschrift profil eine Studie der Wiener Wirtschaftsuniversität zitiert, die die Bauern zu den Reichsten des Landes zählt. "Diese Haushalte" zitiert das profil die WU-Forscher, die eine Nationalbank-Studie ausgewertet haben, "weisen mit Abstand den größten Gesamtbesitz auf und kommen auf ein mittleres Vermögen von einer Million Euro und stellen in der Top-Gruppe der Reichsten immerhin einen Anteil von zehn Prozent".
Das sitzt, erwähnt man doch ausdrücklich, dass Größen wie Esterhazy und Co dabei gar nicht berücksichtigt seien.
Es passt in die Linie, den Bauern nach dem Geld zu trachten und es beweist, dass die Situation der Landwirtschaft in diesem Land fragil geworden ist. Was jahrzehntelang galt, wird hinterfragt. Das gilt für Produktionsweisen genauso, wie für die Vermögensverhältnisse, Förderungen und die Besteuerung. Was da und dort als Versuchsballon anfing, mündet immer öfter in politische Forderungen, die für die Bauern bedrohlich werden können. So sie es, man denke nur an die Beschränkungen beim Pflanzenschutz, nicht ohnehin bereits sind.
Lange haben es die Bauern verstanden, sich allen gesellschaftlichen Veränderungen zum Trotz in einem eigenen Biotop fortzuleben. Damit ist es angesichts der Budgetnöte, der sich ändernden Marktverhältnisse und sich massiv verändernde gesellschaftlicher Strömungen vorbei.
Im Umgang mit den Bauern hat man längst die Glacéhandschuhe ausgezogen. Eine Sonderstellung will man der Landwirtschaft nicht mehr zugestehen. Tabus scheint es keine mehr zu geben.
Die Bauern tun sich schwer, damit umzugehen und die Dinge einzuordnen. Man fühlt sich schnell angegriffen, ins Eck gestellt und schlecht behandelt. Und benachteiligt sowieso. Da wird die jüngste Neuordnung als nichts denn als unfairer Untergriff empfunden, obwohl sich die Veränderungen für die meisten ins engen Grenzen halten. Als nicht denn als Zumutung empfindet man auch die Versuche von den Bauern mehr Steuergelder zu bekommen, obwohl die Bauern als einzige Berufsgruppe praktisch geschlossen zu den Nettoempfängern des Systems gehören. Also weniger Steuern zahlen, Has als sie über Prämien und Ausgleichszahlungen bekommen. Und man reagiert in manchen Regionen empört auf die Beschränkung von Pflanzenschutzmitteln, wo man sich doch gerade dort um Kritik und Sorgen der nicht-bäuerlichen Bevölkerung und oft auch um gesetzliche Vorschriften nie etwas gepfiffen hat.
Vielen Bauern ist da nichts, denn mehr Realitätssinn anzuraten und ein Blick über den Tellerrand. Das würde Überraschungen sparen. Und das würde oft helfen, Situationen realistischer einzuschätzen und entsprechend in der Ausrichtung und Führung des Betriebes zu reagieren. Immer noch vermeiden aber viele Bauern vorsätzlich den Blick auf die Wirklichkeit und jammern statt dessen mit großer Inbrunst einer Vergangenheit nach, die sie freilich schon damals, als sie Gegenwart war, auch nicht zu schätzen wussten.
Für die Zukunft ist das keine Strategie. Dieses Denken in den Bauernköpfen zu ändern ist eine der vordersten Herausforderungen. Erst wenn das gelungen ist, wird es auch gelingen, das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit und die Begehrlichkeiten gegenüber der Landwirtschaft wieder ins Lot zu bringen.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 13. Juni 2014

Donnerstag, 12. Juni 2014

Kommen Sie, staunen Sie!



Die Zahlen, die in die Debatte um eine Steuerreform geworfen werden, sind nicht neu, aber Staunen machen sie allemal. Am staunenswertesten ist wohl, dass Österreich mit dem Geld, das der Fiskus jährlich einhebt, nicht auskommt, obwohl hierzulande die Steuerquote mit 45,4 Prozent kaum so hoch ist wie sonstwo. Und ebenso staunenswert verhält es sich damit, dass maßgebliche Parteien unterstützt von maßgeblichen Gruppen der Gesellschaft dennoch kein Problem darin sehen, den Steuerzahlern die Daumenschrauben noch fester anzuziehen.

Dabei gehören die, die Steuern zahlen, ohnehin fast schon zu einer Minderheit. Denn wer weniger als 11.000 Euro jährlich verdient, ist hierzulande von der Lohnsteuer befreit. Und das sind nicht wenige. 1,47 Millionen Menschen weist die Statistik in dieser Kategorie aus. Dazu kommen rund eine Million Pensionisten, die keinerlei Steuer entrichten. Zum steuerlichen Sittenbild gehört auch, dass rund ein Drittel der insgesamt 6,7 Millionen Österreicherinnen und Österreich, die ein selbstständiges oder unselbstständiges Einkommen oder eine Pension beziehen, mehr vom System zurückbekommen, als sie in Form von Steuern einzahlen oder dass sie zumindest pari aussteigen. 2,5 Millionen Menschen zählt die Statistik Austria dieser Gruppe zu. Rund 900.000 Menschen sind demnach überhaupt Netto-Empfänger. Ihre Bezüge aus öffentlichen Töpfen sind höher als das, was sie an Steuern einzahlen.

Nicht nur das macht Staunen. Auf die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher entfallen rund 32 Prozent des gesamten lohnsteuerpflichtigen Einkommens, aber 52 Prozent des Lohnsteueraufkommens. Im Klartext: Zehn Prozent der Lohnsteuerpflichtigen bestreiten mehr als die Hälfte des Lohnsteueraufkommens. Die unteren 49 Prozent, also fast die Hälfte der Lohnsteuerpflichtigen, tragen hingegen dazu gerade einmal drei Prozent bei.

Dabei kommen auch Menschen in dieser untersten Steuerkategorie nicht um einen ansehnlichen Obolus herum, erweisen sich doch der Fiskus, diverse Magistrate und zahllose andere Einrichtungen auch als höchst effiziente stille Abkassierer. Der Bogen reicht von der in den Mieten enthaltenen Umsatzsteuer, über die Mineralölsteuer beim Treibstoff fürs Auto, die Steuer, die in der Rundfunkgebühr enthalten ist, bis hin zu den Steuern, mit denen belastet ist, was man täglich braucht - von der Milch bis zur Seife und zurück.

Selbst von einem Bruttoeinkommen von 3500 Euro bleibt da recht wenig, haben die "Salzburger Nachrichten" dieser Tage penibel ermittelt. Die 632 Euro für die Sozialversicherung und die 729 für die Lohnsteuer sind da noch die bekanntesten Posten, die bei einem Brutto-Einkommen dieser Größenordnung zu entrichten sind. Aber auch der Rest läppert sich gut und gerne auf mehr als 300 Euro zusammen. Das heißt nichts anderes, als dass jeder zweite Euro, der verdient wird, direkt oder indirekt in den Taschen des Fiskus landet. Rechnet man dazu, was vorher bereits der Arbeitgeber abgeführt hat, schaut es noch viel schlechter aus.

Was die Steuerzahler abliefern, müsste eigentlich reichen, um damit ordentlich was anzufangen. Möchte man meinen. Das freilich mag nicht gelingen. Das Land ist voller Unzufriedener. Und dem Staat ist es überhaupt zu wenig.

Dabei wird in keinem anderen Land im OECD-Raum so viel umverteilt, wie in Österreich. Durch die Umverteilung - von oben nach unten klarerweise - erhöhte sich in den vergangenen Jahren das verfügbare Haushaltseinkommen des finanzschwächsten Drittels im Schnitt von 100 auf 149 Prozent. Das mittlere Drittel verlor leicht von 100 auf 95 Prozent. Das bestverdienende Drittel hingegen wurde kräftig zur Ader gelassen. Dort reduzierte sich das Haushaltseinkommen um gut ein Viertel auf 74 Prozent.

Nicht nur deswegen nimmt sich die von der ÖVP vertretene Linie, zuerst die Strukturen anzupassen und dann über Steuern zu reden, als nachvollziehbarer und wohl auch vernünftiger aus. Die Frage bleibt freilich, warum das nicht schon längst geschehen ist, wo man doch schon seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt und das Geschick dieses Landes maßgeblich bestimmt.

Das freilich gilt auch für die SPÖ, die nun nach der EU-Wahlschlappe und vor der Wien-Wahl Dinge zu Problemen macht, die zu gestalten sie immer in der Hand hatte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Juni 2014

Donnerstag, 5. Juni 2014

Nicht schon wieder



Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind geschlagen. Und es ist, als wäre der Stöpsel weg, der den Druck mühsam, aber doch einigermaßen unter Kontrolle gehalten hat. Jetzt geht es wieder rund in der heimischen Politik. Dabei ist es gerade einmal ein halbes Jahr her, dass die beiden Koalitionspartner das Regierungsabkommen, das eigentlich als Fahr-respektive Arbeitsplan für die kommenden fünf Jahre gedacht war, unterschrieben haben. Und schon ist es, als hätte es nie eine Einigung auf die Fortführung der Koalition und eine gemeinsame Politik gegeben.

Die Hackeln fliegen wieder tief. Seitenhiebe, Pöbeleien, Untergriffe und Hacheleien sind wieder Teil des Alltags-Politgeschäftes. Worauf man sich in den Regierungsverhandlungen geeinigt hat, ist, als wäre es vergessen und spielt keinerlei Rolle bei dem, was nun gefordert wird. Steuerreform und Vermögensbesteuerung sorgen für heftigste Turbulenzen. Ganz so, als ob nie etwas gewesen wäre. Das schlechte Wahlergebnis der SPÖ bei den Europawahlen und die anstehende Wien-Wahl lassen grüßen.

Vor diesem Hintergrund gerät alles zu Makulatur, was man ausgemacht hat. Zu Schnee und Schmäh von gestern. Da hat man nirgendwo mehr Scheu, den Gegner anzupatzen und untergriffig und mitunter weit entfernt von der Realität seinen Vorteil zu suchen. Statt zu arbeiten, respektive das Regierungsprogramm abzuarbeiten, fährt man wieder im Wahlkampfmodus. Mit einem Mal steht sogar ein Platzen der Koalition in Rede.

Da wie dort rumort es gewaltig. Bundeskanzler Faymann fehlt die Autorität, um in der von seinen Parteifreunden immer druckvoller geführten Diskussion um Reform des Steuersystems und Besteuerung von Vermögen die Oberhand respektive das Gesicht zu bewahren. Und Michael Spindelegger erlebt man kaum anders.

Das Bild, das die heimische Innenpolitik bietet, ist wieder so erbärmlich und abstoßend wie eh und je. All die, die nach den Nationalratswahlen im vergangenen Herbst auf eine Einkehr der Vernunft hofften, wurden aufs gröbste getäuscht und enttäuscht. Und das ist, das zeigt das Hauen und Stechen um EVP-Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker, kein österreichisches Phänomen. Überall stellt sich die Politik in ein denkbar schlechtes Licht - ohne Rücksicht darauf, was man mit diesem Verhalten schon längst angerichtet hat.

Warum das so ist, ist nicht zu beantworten. Es kümmert sich auch niemand ernsthaft darum. Man wirft diese Frage zwar gerne auf, ohne sich freilich gründlich mit ihr auseinander zu setzen. Stattdessen geht sie schnell den Weg aller Polit-Themen. Sie sorgt ein paar Tage lang für Schlagzeilen und verschwindet dann ungelöst im Orkus der öffentlichen Diskussion. Zahllos wie folgenlos sind die Erklärungen dafür, dass sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden. Und zahllos und folgenlos sind die Bemühungen das zu ändern.

Dabei stellt man mit diesem Verhalten nichts anders als die eigene Legitimation in Frage. Wer sich mit Wahlbeteiligungen rund um die fünfzig Prozent und noch weniger abfindet, gibt den Schnellen und den Lauten und denen mit viel Geld den Weg frei, ihre Vorstellungen und Pläne durchzusetzen. Fernab von demokratischen Strukturen, zumeist das Wohl und die wirtschaftlichen und politischen Interessen einiger weniger im Auge, ganz selten aber das Wohl der Gesellschaft insgesamt.

Und dabei geht es nicht allein um die Gefahr einer politischen Radikalisierung. Schon jetzt ist immer häufiger zu erleben, wie demokratische Strukturen umgangen werden, wenn es darum geht, missliebige Personen zu vertreiben, wirtschaftliche Interessen durchzusetzen und Gesetze auszuhebeln.

Facebook, Twitter und Co eröffnen völlig neue Möglichkeiten, auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen. Binnen Minuten sind Haltungen zu so genannten "Shitstorms" geformt, gegen die sich niemand helfen kann. Online werden im Nu zigtausende Unterschriften für Petitionen aufgestellt. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Und der Druck, der aufgebaut wird, kaum beherrschbar. Zumal dann, wenn er von auflagengierigen und unverantwortlichen Medien für den eigenen Vorteil genutzt wird.

Auch wenn das gerne zu dem, was die Leute wirklich wollen, erklärt wird - genau damit hat es nichts zu tun. Damit haben schon andere Schindluder getrieben. Und die könnten Wiedergänger haben.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Juni 2014

Sonntag, 1. Juni 2014

Pflanzenschutz: "Europa überlässt Asiaten und Amerikanern den Markt"




Die Her­stel­ler von che­mi­schen Pflan­zen­schutz­mit­teln füh­len sich in Eu­ro­pa nicht mehr son­der­lich er­wünscht.
Hans Gmei­nerSalz­burg, Wien.Die in Eu­ro­pa wach­sen­de Stim­mung ge­gen che­mi­schen Pflan­zen­schutz macht den Her­stel­lern Sor­gen. „Das bringt so­wohl uns Er­zeu­ger als auch die Land­wirt­schaft un­ter Druck“, sagt Chris­ti­an Stock­mar, Ös­ter­reich-Chef des Schwei­zer Kon­zerns Syn­gen­ta und Spre­cher der hei­mi­schen Pflan­zen­schutz­mit­tel­bran­che. Die EU drif­te in ei­ne Rich­tung, die sie stär­ker von Im­por­ten ab­hän­gig ma­che, klagt Stock­mar über ein in­no­va­ti­ons­feind­li­ches Kli­ma in der EU.

Die Ent­wick­lung sei auch mo­ra­lisch be­denk­lich. „Es ist un­ver­ant­wort­lich, die aus­ge­zeich­ne­ten land­wirt­schaft­li­chen Vo­raus­set­zun­gen Eu­ro­pas durch Ein­schrän­kun­gen beim Pflan­zen­schutz nicht zu nut­zen und statt­des­sen auf an­de­ren Kon­ti­nen­ten mit hier ver­pön­ten Me­tho­den pro­du­zie­ren zu las­sen.“ Das scha­de auch dem Wirt­schafts­stand­ort Eu­ro­pa. In den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren sei­en die For­schungs­aus­ga­ben der eu­ro­päi­schen Pflan­zen­schutz­mit­tel­her­stel­ler von mehr als 30 auf nur noch sie­ben Pro­zent des Um­sat­zes ge­sun­ken. „Frü­her sind die Gro­ßen wie Syn­gen­ta, Bayer und BASF am Rhein in der Schweiz und in Deutsch­land ge­ses­sen“, sagt Stock­mar. „Jetzt wer­den wir aus Eu­ro­pa raus­ge­drängt, wäh­rend sich die Ame­ri­ka­ner und Asia­ten, die Dow Che­mi­cals oder Su­mi­to­mo, die Hän­de rei­ben.“

Es geht um viel Geld. Auf 38,5 Mrd. Eu­ro wird der Welt­markt für Pflan­zen­schutz­mit­tel ge­schätzt. In Eu­ro­pa set­zen die Her­stel­ler rund 7,5 Mrd. Eu­ro um. In Ös­ter­reich liegt der Um­satz der Bran­che, die 475 Mit­ar­bei­ter be­schäf­tigt, seit Jah­ren bei 130 Mill. Eu­ro. Et­was mehr als 90 Pro­zent da­von ent­fal­len auf das Ge­schäft mit der Land­wirt­schaft, der Rest auf pri­va­te Nut­zer. Von den 16 Un­ter­neh­men, die sich in der In­te­res­sen­grup­pe Pflan­zen­schutz zu­sam­men­ge­schlos­sen ha­ben, pro­du­zie­ren nur mehr zwei (Kwiz­da und Nu­farm) auch in Ös­ter­reich.

Die An­grif­fe auf die Bran­che hält Stock­mar für nicht ge­recht­fer­tigt. „Der che­mi­sche Pflan­zen­schutz stellt den Er­trag und ge­sun­des Ern­te­gut si­cher“, sagt er. „Oh­ne Pflan­zen­schutz kann der Be­darf an Nah­rungs­mit­teln nicht ge­deckt wer­den.“ Pflan­zen­schutz­mit­tel und die da­bei ein­ge­setz­ten Subs­tan­zen sei­en bes­ser und viel­sei­ti­ger ge­prüft als Me­di­ka­men­te. „Ich füh­le mich bei che­misch-syn­the­ti­schen Pro­duk­ten, wie es auch Pflan­zen­schutz­mit­tel sind, am si­chers­ten, weil sie rauf und run­ter ge­prüft sind. Bei ei­nem Brenn­nes­sel­ex­trakt weiß ich nicht, was drin­nen ist.“

Der Auf­wand für die Ent­wick­lung von Pflan­zen­schutz­mit­teln ist hoch. Rund 200 Mill. Eu­ro müs­sen laut Stock­mar von der Su­che nach ei­ner ge­eig­ne­ten Subs­tanz über die vor­ge­schrie­be­ne zehn­jäh­ri­ge Test­pha­se bis zum An­su­chen um Zu­las­sung ei­nes neu­en Wirk­stof­fes auf­ge­wen­det wer­den.
In der EU gibt es den­noch Be­stre­bun­gen, die Schrau­ben für Her­stel­ler von Pflan­zen­schutz­mit­teln wei­ter an­zu­zie­hen. So steht ei­ne Leit­li­nie zur Ri­si­ko­be­wer­tung der Wir­kung auf Bie­nen in Dis­kus­si­on, die für je­des Mit­tel über Jah­re ei­ne Test­flä­che von fast 450 Quad­rat­ki­lo­me­tern ver­lan­gen wür­de. Für Un­mut sorgt auch ei­ne ge­plan­te Neu­re­ge­lung der Zu­las­sung von Pflan­zen­schutz­mit­teln. „Wenn das kommt, was ge­plant ist, fal­len 75 Pro­zent der Mit­tel ge­gen Krank­hei­ten bei Ge­trei­de, Kar­tof­feln und Wein und ein gu­ter Teil der Un­kraut­be­kämp­fungs­mit­tel bei Kar­tof­feln weg.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Mai 2014



 
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