Donnerstag, 10. April 2014

Böses Erwachen



Österreich laufen, wie es heißt, die guten Leute davon. Und zurückkommen mögen sie immer seltener. Brain Drain, wie dieser Verlust an Leuten mit Köpfchen, genannt wird, wird zu einem wachsenden Problem. In den vergangenen zehn Jahren, schätzt die OECD, verließen jährlich zwischen 20.000 und 25.000 Österreicherinnen und Österreicher das Land. Nur 15.000 kehrten zurück. Zwei Dinge sind es, die immer mehr Sorgen machen. Die meisten derer, die Österreich den Rücken kehren, sind kaum älter als 35 - und die meisten von ihnen sind gut gebildet.

Nun ist ja nichts einzuwenden dagegen, dass immer mehr junge Leute hinausschnuppern wollen in die weite Welt, um dort Erfahrungen zu sammeln, sich fortzubilden und etwas zu erlernen. Das kann man ihnen gar nicht hoch genug anrechnen. Man kann die jungen Leute von heute nur bewundern, wie groß ihr Interesse und ihre Neugier sind und ihre Leistungsbereitschaft oft sind. Das war nicht immer so. Heute ist es für viele Junge selbstverständlich in den USA zu jobben, in Asien ein Praktikum zu machen, und in Deutschland Geld zu verdienen. Man ist wesentlich flexibler als früher und in einem wesentlich höheren Maß bereit, etwas auf sich zu nehmen, um voran zu kommen. Noch keine 30, haben sie oft deutlich mehr internationale Erfahrungen und entsprechendes Wissen als andere mit 60.

Aber statt diesen Leuten den roten Teppich auszulegen, lässt man sie grußlos ziehen, als ob man sie gar nicht wolle. Statt sich ihrer anzunehmen, gibt man sich allemal lieber und inniglicher den Gemeinheiten hin, diesen Leuten Prügel in den Weg zu legen. Der Katalog der Fiesheiten ist umfangreich. Er reicht von den oft unsäglichen Bedingungen, unter denen Studenten hierzulande oft arbeiten müssen, über ewige Praktikums-statt ordentlicher Jobangebote bis hin zu steuerlichen Misshandlung jener, die etwas erreichen wollen.

Dazu kommt die zwischen Neusiedler See und Bodensee nach wie vor weit verbreitete Kultur, ehrgeizige und gute Leute allemal lieber einmal ausrutschen zu lassen, als ihnen unter die Arme zu greifen. Gar nicht zu reden von der dem österreichischen Geist meist innewohnenden leistungsfeindlichen Haltung, die sich nicht nur auf einen selbst bezieht, sondern die auch alles daran setzt, diese in der Umgebung zu verbreiten.

Ganz abgesehen von all den anderen Hürden. Dazu zählt das im internationalen Vergleich oft niedrigere Gehaltsniveau ebenso wie die überbordende Bürokratie im Land, die vor allem in der Forschung oft wenig attraktive Ausstattung präsumtiver Arbeitsplätze und das mühselige Agieren einer in sich selbst und ihren Wirrnissen verfangenen Politik, der jeder Reform-Mut fehlt.

Guten und hoch qualifizierten Menschen zu helfen ist in diesem Land nicht hoch angesehen. Man könnte ja selbst dabei draufzahlen. In der Bildung geht es sehr viel eher um die Schaffung gleicher Chancen, als darum, jenen, die mehr können, unter die Arme zu greifen. Der Begriff Elite hat einen schlechten Beigeschmack. Und jemanden bei seiner Karriere behilflich zu sein, gilt als anrüchig. Statt mit dem Thema offen umzugehen, lebt man allerorten den österreichischen Weg. Mit allen damit verbundenen Folgen. Karriere macht man hierzulande sehr viel eher über Beziehungen, über die Mitgliedschaft bei Einrichtungen wie dem CV oder dem BSA. Das Resultat ist oft entsprechend.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass 5000 bis 10.000 dieser hochqualifizierten, weltoffenen und neugierigen Leute, die jährlich in die große Welt hinausgehen, um mehr aus sich zu machen, nie mehr zurückkommen.

"Erst verabschieden sich die gescheiten Leute, dann folgen die qualifizierten Arbeitsplätze", warnen Experten nun immer eindringlicher und greifen, wie der Wiener Physiker und Wirtschaftswissenschafter Stefan Thurner, gleich zu einem einprägsamen Bild. "Es sind nicht die Mozartkugeln und die Swarowski-Glasperlen, die unseren Reichtum schaffen, es sind die innovativen Klein- und Mittelbetriebe."

Die Gefahr ist groß, dass es Tradition wird, gescheite Leute aus dem Land zu schicken. Der Bequemlichkeit halber, der Einfachheit halber und der Ruhe wegen. Bis es zu spät ist. Und das könnte bald sein. voestalpine-Chef Wolfgang Eder sagt: "Die Lücke bei den Hochqualifizierten bringt uns im internationalen Wettbewerb in eine dramatische Situation." Gehe es so weiter, "werden wir in fünf Jahre ein böses Erwachen erleben".

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. April 2014

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