Donnerstag, 13. Februar 2014

Leiden am Florianiprinzip



"Spart endlich", hallt der Ruf durchs Land. Nicht erst seit dem Montag dieser Woche, als das Hypo-Desaster endgültig Budget-notorisch und zu einer Hypothek für die Zukunft dieses Landes wurde. Sparen ist vor diesem Hintergrund schon herkulische Aufgabe genug. Noch größer macht sie freilich, dass der Ruf praktisch immer mit seinem zum siamesischen Zwilling gewordenen Beisatz "Aber nicht bei mir" daherkommt.

Das ganze Land scheint sich dem Florianiprinzip verschrieben zu haben und nimmt damit die Politik als Geisel. Denn die Damen und Herren Politiker tun sich schwer beim Sparen, wenn sie es denn damit wirklich einmal ernst meinen. Die Bemühungen der Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, mehr als 100 Polizeiposten zu schließen, sind ein nachgerade archetypisches Beispiel dafür, wie es die die Österreicherinnen und Österreicher wirklich meinen, wenn sie vom Sparen reden und es sogar fordern.

Da waren all die schnell da, die sonst alles immer besser wissen und erklärten wortreich, mit viel Häme und mitunter auch einer großen Portion Bösartigkeit, warum denn das alles nicht gehe, was die Ministerin da will, warum ausgerechnet bei ihnen nicht.

Man weiß immer bei den anderen, wie es geht. Man ist ja Österreicherin, respektive Österreicher und mithin Experte für alles. Der kleine Lokalpolitiker, der gewichtige Landeshauptmann, die Friseurin ums Eck, die Sekretärin im Vorzimmer, der Mechaniker in der Werkstatt, der Hausarzt am Ortsplatz.

Da gelten mit einem Mal völlig andere Maßstäbe, da verweigert man die Veränderung der Realitäten. Da klammert man sich an Argumente, die längst widerlegt und überholt sind. Da nimmt man die Distanz zum nächsten Polizeiposten zum Grund, Veränderungen zu blockieren, ganz so, als ob man wöchentlich drei Mal dort zu tun hätte und schlägt begleitende Konzepte, die für mehr Sicherheit sorgen sollen, in den Wind.

Das Muster ist das nämliche, wie bei den Klagen über die Schließungen von Infrastruktureinrichtungen wie Postfilialen oder darüber, wenn Krämer, Bäcker oder Fleischer für immer zusperren. Man jammert lauthals, obwohl man selbst längst in den Supermärkten draußen an der Hauptstraße einkauft und die Korrespondenz per Mail abwickelt.

Mikl-Leitner wird nicht die letzte Politikerin gewesen sein, von der eine ordentliche Portion Durchsetzungsvermögen verlangt wird, wenn es darum geht, in diesem Land tatsächlich etwas anzupassen und einzusparen.

Sparen? Nicht bei mir! Nicht bei uns! Diese Haltung scheint in Österreich besonders ausgeprägt. Und sie wird besonders gerne von der Politik und auch den Medien bedient. Während auf den Innenpolitik-Seiten Einsparungen gefordert werden, gehen die Lokal-Seiten über mit Mitleid-heischenden Reportagen aus, wie in den vergangenen Wochen, Polizeiposten, Postämtern oder Krämerläden.

Vor diesem Hintergrund nimmt nicht wunder, dass sich das Land im Kreis dreht, dass die Schuldenberge weiter anwachsen, dass sich die Strukturen noch weiter verhärten. Viel zu oft nicht mehr der Zeit und ihren Bedürfnissen entsprechend und oft konterkariert vom Verhalten der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die für sich längst andere Lösungen gefunden haben, werden sie zur Belastung für jede Entwicklung. Sie binden finanzielle Kapazitäten, die in den betroffenen, aber auch in anderen Bereichen, wesentlich sinnvoller eingesetzt werden könnten.

Unverständlich ist die hierzulande verbreitete Haltung freilich nicht. Sie hat mit dem mangelnden Vertrauen in die Politik und ihre Versprechungen zu tun, und in das, was man als "Zusicherungen" verkauft. Der gelernte Österreicher weiß, dass die oft nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind. Zu oft wurde man enttäuscht.

Da nimmt daher nicht wunder, dass man, wenn es ums Sparen geht, Angst hat, zu den Draufzahlern der Gesellschaft zu zählen, zu denen, die am Ende als die Dummen dastehen, weil es andere besser verstanden haben, sich die Dinge zu richten - die finanziellen Mittel genauso wie den Polizei-Posten ums Eck. So lange freilich das Vertrauen so nachhaltig zerrüttet ist, wird sich in Österreich nicht viel ändern. Selbst wenn der Bedarf zu sparen noch so augenscheinlich ist, wie seit dem Montag dieser Woche. Das Gezeter wird allenfalls wegen der erhöhten Dringlichkeit, weniger Geld auszugeben, noch größer.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Februar 2014

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