Donnerstag, 30. Januar 2014

Quereinsteiger vor!



Die notorischen Alles-und Besserwisser waren in ihrem Element. Über Eugen Freund, bis zum Jahresende noch ORF-Star und seit Jahresbeginn SPÖ-Spitzenkandidat für die Europawahlen, fegte in den vergangenen Wochen das hinweg, was man neudeutsch Shitstorm nennt. Auf twitter und Facebook wurde kübelweise Häme über ihn ausgeschüttet, zahlreiche ehemalige ORF-Kollegen kühlten ihr Mütchen an ihm.

Nicht zu wissen, wie viel ein Arbeiter verdient, geht für einen sozialdemokratischen Politik-Frischling nicht. Und überhaupt - Quereinsteiger, das geht gar nicht. Schon gar nicht in der Politik. Da brauche es Profis, da brauche es Leute, die den Politbetrieb kennen und welche, die das Geschäft können, tönte es mit einem Mal allerorten.

Es waren nicht selten jene, die das forderten, die sich sonst mit der gleichen Inbrunst und der gleichen selbstbewussten Überzeugung über die Berufspolitiker auslassen. "Die haben ja keine Ahnung vom wirklichen Leben, haben nie gearbeitet und wissen nicht, wie es in der Arbeitswelt zugeht", mokiert man sich ansonsten gerne. "Die können ja die Nöte und Sorgen der Menschen überhaupt nicht kennen." Die Geschicke des Landes zu lenken müsse da klarerweise misslingen, wissen sie immer genau. "Solche weltfremden Leute können gar nicht anders, als das Land in den Abgrund zu führen."

Nun mag Eugen Freund - für ein endgültige Urteil ist es, trotz aller Fettnäpfchen in die er stieg, wohl noch viel zu früh -möglicherweise all diese Einschätzungen und Befürchtungen wirklich erfüllen. Grund dafür, keine Quereinsteiger in die Politik zu holen und sie schlecht zu machen, sollte er dennoch nicht sein.

Ganz im Gegenteil. Es ist zu fordern, viel mehr Quereinsteiger in die Politik zu holen und sie dazu zu bringen, politische Aufgaben zu übernehmen, ihre Erfahrungen einzubringen und sie mitreden zu lassen. Die Politik bräuchte sie ganz dringend. Doch das festgefahrene System, die Kultur, die politischen Parteien eigen ist und ihr Selbstverständnis lassen das nicht zu.

Da ist meist kein Platz für Leute, die sich nicht dem Parteigehorsam fügen, die mit dem eigenen Kopf denken und die mit der selbstbewussten und besserwisserischen Folklore, mit der sich alle Parteien umgeben, nicht zurechtkommen. Wer das nicht von der Pike auf kennt, wer, ohne die Ochsentour gemacht zu haben in die Politik will, schafft das kaum. Nirgendwo ist Politik so schwierig wie im Parteilokal ganz unten, wo einen kaum jemand erwartet und wo es viel eher darum geht, seine politische Eignung durch das Engagement beim Verteilen von Zetteln, Ostereiern oder Weihnachtspunsch unter Beweis zu stellen, als durch Ideen und Konzepte.

Wer das nie gemacht hat oder glaubt, darum herumkommen zu können, der hat kaum eine Chance, akzeptiert zu werden. Und der hat keine Chance, in der Partei, für die er sich engagieren will, Fuß zu fassen.

Für Prominente gilt das in ganz besonderem Maße. Aber auch Quereinsteiger, die sich bloß politisch engagieren wollen, weil sie das für ihre staatsbürgerliche Pflicht halten, stehen schnell vor solchen Problemen und der Frage, warum sie sich das antun sollen.

Die Parteiapparate sind dichte, homogene Strukturen, in die einzudringen fast unmöglich ist. Das zu versuchen verlangt eine gehörige Portion Sendungsbewusstsein. Man klagt zwar gerne darüber, wie schwierig es sei, Menschen für die politische Arbeit zu interessieren, man denkt aber nicht im geringsten daran, die Strukturen durchlässiger zu machen, um solchen Menschen Raum zu leben zu geben. "Mir san mir, und mir san richtig", ist die Devise, die man zum Programm macht - bei den Roten genauso wie den Schwarzen, den Blauen, den Grünen, den Pinken und in welchen Farben sie immer auch schillern. Da ist kaum Platz für eine differenzierte Sicht der Dinge. "Wir sind gut, und die anderen sind schlecht - und aus".

Schade ist das. Denn genau das bräuchte das Land. Mehr Differenzierung, mehr neue Ideen, mehr Engagement. Davon ist freilich nichts zu sehen. Legionen von Interessierten sind schon an diesen Realitäten gescheitert. Einfache Menschen, die meinten, sie wollen sich einbringen und nicht nur nörgeln. Wirtschaftstreibende, Lehrer, Bauern, Angestellte, Arbeiter und natürlich auch Prominente. Eugen Freund wird vielleicht der nächste sein - und im Nationalrat werden wohl weiter viele zu viele Parteibüttel sitzen und mehr als 50 Prozent der Abgeordneten Beamte sein.

Raiffeisenzeitung, 30. Jänner 2014

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1