Dienstag, 21. Januar 2014

Abkommen mit USA macht Bauern Sorgen



„Nicht alles, was in den USA erlaubt ist, ist in Europa erwünscht“, sagen die Bauern und warnen vor Qualitätsdumping.

HANS GMEINER Wien (SN). In der Landwirtschaft, aber auch bei den Konsumenten geht ein neues Gespenst um. TTIP ist das Kürzel dafür. Die Buchstaben stehen für „Transatlantic Trade and Investment Partnership“, für das geplante Freihandels- und Investitionsabkommen, an dem die USA und Europa seit dem Vorjahr arbeiten. Das Abkommen soll der Wirtschaft dies- und jenseits des Atlantiks einen kräftigen Schub und Millionen neue Arbeitsplätze bringen, verspricht die Politik. Von einem zusätzlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von bis zu einem Prozent ist die Rede, das TTIP durch Zollerleichterungen und Anerkennung von Produktionsstandards allein der europäischen Wirtschaft bringen könnte.

Die Verhandlungen sind freilich von zunehmendem Widerstand sowohl in den USA als auch in Europa gekennzeichnet und vom NSA-Skandal überschattet.

Vor allem in der europäischen Landwirtschaft, die freilich nur ein Teil des Abkommens ist, will man sich nicht blenden lassen. Das ist der Tenor bei Veranstaltungen in ganz Europa, in denen sich die Agrarier, wie am Montag bei der Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien, mit dem Abkommen auseinandersetzen.

Man fürchtet, zu den Verlierern zu gehören, weil das Abkommen Produkten wie in Chlor konserviertem Geflügel, Hormonfleisch und GVO-Erzeugnissen Tür und Tor öffnen könnte. „Wir stehen für eine offene Marktwirtschaft, allerdings ist nicht alles, was in den USA erlaubt ist, in Europa erwünscht“, formulierte Montag der niederösterreichische Agrarlandesrat Stephan Pernkopf als Präsident des Ökosozialen Forums die Bedenken der europäischen Bauern und auch jene der Konsumenten. „Das Freihandelsabkommen darf kein Freibrief werden für Konsumentenverunsicherung und Qualitätsdumping.“

Das macht auch der EU-Abgeordneten Elisabeth Köstinger (ÖVP) Sorgen. „Da steht das Vorsorgeprinzip Europas, das Produkte erst nach eingehenden Kontrollen auf den Markt lässt, gegen den risikobasierten Ansatz der USA, die erst im Nachhinein reagieren, wenn Schäden schon passiert sind.“ In der Kritik sind sich die heimischen Politiker weitgehend einig mit Nichtregierungsorganisationen wie Attac. Die befürchten, dass das Abkommen der US-Agrarindustrie in Europa alle Schleusen öffnet, und kritisieren die mangelnde Transparenz der Verhandlungen.

Aller Kritik und Sorge zum Trotz ließ Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter keinen Zweifel daran, dass er das geplante Abkommen für sinnvoll hält. „Handel ist keine Einbahnstraße“, sagte er am Montag. Die Landwirtschaft sei aber ein besonders sensibler Bereich. „Wenn wir von den Produkten weiterhin hohe Standards verlangen, dann müssen wir damit sorgsam umgehen“, sagte der Minister. Als möglichen Weg schlug er die Erstellung einer Liste mit Produkten vor, für die Ausnahmen gelten, „darauf kann Rindfleisch und anderes sein“.

Beim EU-Chefverhandler für TTIP, Ignacio Garcia Bercero, der bei der Wintertagung die Position der EU darlegte, fand Rupprechter mit dem Vorschlag offene Ohren. Er will diese Liste allerdings kurz halten. Zu viele Ausnahmen würden das Abkommen konterkarieren. Der EU-Vertreter versuchte nach Kräften, die Ängste zu zerstreuen. „Die EU wird die bestehende Gesetzgebung nicht gefährden“, betonte er.

Das liegt auch in der Hand des Europäischen Parlaments und der EU-Mitgliedsstaaten. Sie müssen dem Abkommen zustimmen. Das wird aber noch dauern. Weil die EU-Wahlen anstehen und eine neue Kommission kommt, wird heuer kein Abschluss erwartet.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 21. Jänner 2014

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