Donnerstag, 31. Oktober 2013

Gutheits-Müll



In diesen Wochen wird man wieder von Gutheit - man kann es angesichts der Lawine nicht mehr anders sagen - zugemüllt. Im Dutzend bringt der Briefträger Kuverts der Spendenorganisationen ins Haus. Das "wertvolle Engagement" des präsumtiven Spenders lobt man da, und dass man "durch die bisherigen Spenden" gezeigt habe, dass man gerne helfe. Und man bittet das Nämliche weiter zu tun. "Denn nur, wenn Sie nicht wegschauen, können wir helfen."

Immer dicker werden die Kuverts, die geschickt werden, immer mehr Informationen werden hineingepackt. Und immer mehr von dem, was als nichts anders denn als Schrott

zu bezeichnen ist. Von Lesezeichen angefangen über Schlüsselanhänger bis hin zu Weihnachts-Postkarten reicht die Liste der Artikel, die sehr viel mehr auf die Nerven gehen und die zuweilen das Gefühl vermitteln, mit einer kommunalen Entsorgungsstelle verwechselt geworden zu sein, als dass sie einen erfreuen. Den Vogel schoss heuer die Organisation "Gemeinsam gegen Landminen" ab, die Kuverts verschickte, die daherkamen wie die seinerzeitigen Briefbomben-Briefe. "Ausgerechnet", dachte man sich dabei. Dabei war es nichts als ein wohl gut gemeinter Kugelschreiber, den man freilich ohnehin nicht brauchte, der dem Kuvert die Briefbomben-typische Anmutung gab.

Mehrmals jährlich gehen solche Spendenaufrufs-Wellen durchs Land. Immer größer ist die Perfektion, die von den Spendenorganisationen an den Tag gelegt wird. Immer persönlicher werden die Spenderinnen und Spender angesprochen, immer eindringlicher die Geschichten, die präsentiert werden, auf dass man die Brieftasche aufmache.

Wer einmal in die Adressdatei einer Spendenorganisation geraten ist, für den gibt es kein Entkommen mehr. Selbst für Hinterbliebene ist es oft schwierig, die Löschung der Adressen verstorbener Angehöriger zu erwirken -so als wolle man es bei manchen Organisationen nicht glauben, einen Spender für immer verloren zu haben.

Der Kampf um die Spendengelder scheint groß zu sein. Die Mittel, mit denen er geführt

wird, sind freilich immer öfter zu hinterfragen. Mitunter drängt sich der Eindruck auf, dass man dem Lebensmittelhandel kaum mehr nachsteht.

Man möchte spenden, aber man möchte kein Lesezeichen und keinen Schlüsselanhänger. Man möchte, dass das Geld jenen hilft, für die man es spendet. Möglichst rasch, möglichst unbürokratisch, möglichst direkt und möglichst zu 100 Prozent. Dass man Geschenkartikelhersteller fördert, will man hingegen nicht. Ganz sicher nicht. Davon aber scheint man sich immer weiter zu entfernen. Man staunt und fragt sich, wieviel von dem, was man spendete, inzwischen für all das aufgewendet wird, was einem da immer öfter zuwider ist.

Und man fragt sich, warum die Organisationen das überhaupt nötig haben. Ihre Arbeit ist durch die Bank großartig, was sie leisten höchst respektabel. Da nimmt sich eine Anstecknadel oder ein Schlüsselanhänger allenfalls ärmlich aus, wenn man glaubt, damit Danke sagen zu müssen. Nicht anders verhält es sich mit den in namentlich und vorgeblich

in persönlicher Anrede gehaltenen Dankesschreiben, von denen man weiß, dass sie heute jeder Computer zusammenmixen kann.

Da zeigt man sich angekränkelt von den Usancen einer Konsumgesellschaft, die freilich in diesem speziellen Segment gar keiner will.

Professionalisierung ist schön und gut. Wenn sie aber bei den Zielgruppen nachgerade Verfolgungsgefühle weckt, weil es kein Entkommen zu geben scheint, hat man nur einmal 10 Euro hergeben, ist sie wohl überzogen.

Gut 460 Millionen Euro spenden die Österreicherinnen und Österreicher jährlich. "Spendenweltmeister", wie man sich gerne bezeichnet, ist man damit zwar nicht, aber die Summe ist durchaus respektabel. 50 Euro sind das pro Nase. Acht von zehn Österreichern greifen in ihre Brieftasche, um zu helfen. "Beim Spenden unterstützen die Österreicher am liebsten Kinder, behinderte Menschen und die Katastrophenhilfe im Ausland", heißt es im jüngsten Spendenbericht der Organisation Fundraising Austria. "Gefolgt werden diese von Tieren, Sozial Benachteiligten und der Katastrophenhilfe im Inland."

Darauf und darauf, was man daraus macht, dürfen die Verantwortlichen der Organisationen durchaus stolz sein. Die Methoden, die in den vergangenen Jahren üblich geworden sind, mögen sie aber überarbeiten. Andernfalls könnte sich die Spendenfreudigkeit sehr rasch aus Verärgerung ins Gegenteil verkehren.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 31. Oktober 2013

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Freundliche Nasenlöcher



Zum 13. Mal wird in diesem Land eine große Koalition verhandelt. Und zum 13. Mal ist der Verhandlungsbeginn geprägt von Versprechen, einen neuen Stil pflegen zu wollen. Die Sätze, die Bundeskanzler Faymann und sein Vize Spindelegger in diesen Tagen in jedes Mikrofon sagen, das ihnen hingehalten wird  gleichen denen, die schon ihre Vorgänger wählten. Der neue Stil soll von "vertrauensvoller Arbeit miteinander" geprägt sein, sagt Spindelegger, "ohne Konfrontationen und ohne dem anderen etwas hinterrücks auszurichten". Und Faymann will den neuen Stil als "spürbaren Einsatz für rot-weiss-rot" begriffen wissen.

Man macht freundliche Nasenlöcher, schlägt Schalmeientöne an. Dabei ist man doch längst dabei wieder in den alten Gleisen weiterzufahren. Beschämend ist etwa, wie sich die forschen und vollmundigen Wahlkämpfer dieser Sommermonate abputzen, wenn sie gefragt werden, ob denn das, was sie im Wahlkampf übereinander sagten, nicht die Stimmung trübe und einer gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen könnte. "Jeder versteht, dass im Wahlkampf halt emotional anders aufgedreht wird, als in sonst üblichen Sitzungen", spricht etwa Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner nonchalant sich selbst und seine Kolleginnen und Kollegen frei, wenn er auf den einen oder anderen Sager im Wahlkampf angesprochen wird. Und Sozialminister Rudolf Hundstorfer gibt zu "Ja, ich habe auch einiges gesagt über Herrn Spindelegger" und die Cool-Down-Phase nach den Wahlen habe gut getan.

Was kümmern mich die Worte von gestern? So einfach geht das. Und so beschämend ist das. Was soll man von solchen Politikern, solchen Charakteren, halten, was von ihren Versprechen, einen neuen Stil pflegen zu wollen? Was überhaupt von ihren Wahlversprechen? Und warum soll man ernst nehmen, was sie von sich geben?

Über das Team Stronach und seinen Herrscher, der alles, was er vor den Wahlen sagte und versprach vergessen hat und rückgängig macht, erregt sich das ganze Land. Dabei verhalten sich die Politikerinnen und Politiker der  Regierungsparteien im Kern kaum anders. Jetzt sind es die heftigen Sager über die Mitbewerber, die das p.t. Wahlpublikum vergessen respektive nicht ernst nehmen soll. In wenigen Monaten sind es wohl, daran ist kaum zu zweifeln, auch viele der zuweilen mehr als vollmundigen Versprechungen, mit denen die Wählerschaft geködert wurde. 

Und spätestens dann wird man wohl auch wieder endgültig im alten Trott miteinander verkehren, dessen so viele Österreicherinnen und Österreicher längst überdrüssig sind und der der großen Koalition schon bei den letzten Wahlen fast die Mehrheit gekostet hätte.  

Die Aussichten, dass ausgerechnet bei der 13. Auflage der großen Koalition etwas anders wird, sind als nur gering einzuschätzen. Nicht zuletzt, deswegen, weil es die selben Akteure sind, die schon die 12. Auflage verbockt haben, die sich nun anschicken, die Neuauflage zu zimmern. Genau jene Akteure, die nun allerorten mit einer bemerkenswerten Chuzpe wegzuwischen versuchen, was sie noch vor wenigen Wochen übereinander sagten. Da ist niemand neuer an den Verhandlungstischen, da dominieren die, die schon immer den Ton angegebenen haben, jene, die die Zusammenarbeit von Rot und Schwarz so herunterwirtschaftet haben, dass nun von der letzten Chance geredet werden muss.

Da ist kein Wunder, dass die Wählerinnen und Wähler über das verschreckt sind, was sie angerichtet haben. Keine 40 Prozent wollen, ergaben Umfragen in den vergangenen Wochen, wieder eine große Koalition. Und mehr als zehn Prozent, so viele wie nie, würden heute, keine vier Wochen nach der Wahl, ganz anders wählen.

Einstweilen vergreifen die Versprechungen des Rot-Schwarzen-Führungspersonals ganz offensichtlich nicht.  Im Gegenteil. Die Zeichen scheinen auf ein unvermindertes Ansteigen des Politik-Frustes in diesem Land zu stehen. Immer mehr Menschen haben genug von dem Theater, das ihnen Tag für Tag geboten wird. Sie wollen Politik und keine verschmitzt-schmunzelnde Entschuldigungen, die einstmals gesagtes Vergessen machen sollen. Sie wollen, das hält, was die Politikerinnen und Politiker sagen. Und dass sie sich darauf verlassen können. Diesen Beweis anzutreten tut sich die große Koalition freilich schwer. Nicht zuletzt deswegen, weil man jetzt allerorten so tun muss, als hätte man das im Wahlkampf gesagte nicht so gemeint, wie es gesagt wurde. 
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24. Oktober 2013

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Achselzucken



Das Wort "abgesandelt" hat das Zeug zum Wort des Jahres zu werden. Wirtschaftkammerpräsident Leitl hat ihm heuer im Nationalratswahlkampf in Österreich zu besonderer Prominenz verholfen, weil ausgerechnet er, wie viele kritisierten, dieses Wort, das einen nicht eben erstrebenswerten Zustand beschreibt, mit dem Wirtschaftsstandort Österreich in Zusammenhang brachte.

Nun spricht ja nichts dagegen, sich kritisch mit dem Wirtschaftstandort Österreich, namentlich seinen Defiziten, auseinanderzusetzen. Ganz im Gegenteil. Diese Übung geschieht viel zu selten und ist nicht zuletzt deswegen nachgerade bitter notwendig. Zumal in Zeiten, in denen das Land in den internationalen Rankings beständig nach unten rutscht. Ob "abgesandelt" im Zusammenhang damit passend ist, darüber mag man streiten. Man muss sich freilich nicht drauf kaprizieren. Denn das Angebot, dieses nicht gerade wohlmeinende Prädikat in Österreich anzubringen, ist ohnehin groß. Denn das Prädikat "abgesandelt" trifft, viel eher als auf den Wirtschaftsstandort, auf viele andere Zustände in diesem Land zu. Bildung ist dabei dazuzugehören, das Gesundheitssystem und die Verwaltung. Und die politische Kultur, soferne man sie überhaupt noch so nennen mag, auch.

Das Land sandelt aber nicht nur im Großen ab, sondern auch im Kleinen. Und es krankt daran. Immer öfter wird sichtbar, wo die Strukturen überfordert sind, wo Geld fehlt und wo Wurstigkeit regiert. Das vergällt viel zu vielen Menschen zwischen Apetlon und Bludenz und zwischen Drosendorf und Arnoldstein das Leben unnötig, ja macht es oft viel schwerer und komplizierter, als es sein müsste. Und das schränkt in vielen Fällen regelrecht die Handlungsfähigkeit der betroffenen Einrichtungen ein und torpediert ihre ursprünglichen Ziele. Untragbar sind oft die Zustände, wo man sie gar nicht vermutet. Das Prädikat "abgesandelt" verdienen etwa viele öffentliche Gebäude und Einrichtungen. Die Räumlichkeiten sind oft nur schlecht ausgestattet, alt und heruntergekommen und oft nachgerade ungustiös. Das gilt auch für viele Schulen und Universitäten. Da gibt es Klassen die, wiewohl auf Elektronik spezialisiert, bis in den Oktober hinein auf Strom warten müssen, weil bei den Umbauarbeiten geschludert wurde. Weit verbreitet ist die Sitte, Schüler respektive deren Eltern, zum Ausmalen von Klassenräumen anzuhalten, weil der Direktor mit leeren Taschen da steht. In diese Kategorie fallen auch die zuweilen unzumutbaren Zustände, unter denen Studenten Lehrveranstaltungen folgen müssen und gar nicht zu reden von den chaotisch daherkommenden Anmeldeprozeduren. "Abgesandelt" ist in weiten Bereichen auch der Zustand des Bundesheers und seiner Einrichtungen zu nennen. Kaum anders stellt sich die Lage bei der Polizei dar und in vielen anderen öffentlichen Bereichen.

Das Prädikat "abgesandelt" trifft auch auf viele Bereiche der Gesundheits-und Altersversorgung zu. Arztbesuche sind in diesem Land Tagesbeschäftigungen, immer noch gibt es Spitäler, in denen Kranke mangels ausreichenden Raums auf Gängen liegen müssen und manches Altersheim, respektive die dort Wohnenden, sind zum Erbarmen.

"Abgesandelt" präsentieren sich auch viele Orte, Städte und Regionen. Leere Ortszentren, bröckelnde Fassaden, sieche Unternehmungen und noch tristere Wirtshäuser. Kein Wunder, dass sich die Menschen, zumal die

Jungen, abwenden und das Weite suchen. Die Bemühungen, diese Entwicklung, dieses "Absandeln", um beim Wort zu bleiben, zu bremsen, sind überschaubar wie erfolglos.

Und "abgesandelt" ist trotz vieler Fortschritte immer noch der Umgang zwischen Verwaltung und Bürgern, zumal dann, wenn es um Service und Gesprächskultur geht.

Die Betroffenen leiden still vor sich hin. Und die Verantwortlichen da wie dort denken sich gar nichts mehr dabei, weil sie sich an die Zustände längst gewöhnt haben. Achselzucken. Sie beugen sich der oft tristen Wirklichkeit, die nicht selten ihre Ursache in der Unfähigkeit und Unwilligkeit von Verantwortlichen hat. Lustlosigkeit und Wurschtigkeit kriechen in Österreich aus allen Ecken. Es fehlt an Visionen und gemeinsamen Zielen. Und an Leuten, die sie formulieren und die für sie begeistern. Statt dessen herrschen Hader, Missgunst und Platitüde - ohne Aussicht auf Veränderung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. Oktober 2013

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Gott behüte



In fetten Lettern warnte die SPÖ im Wahlkampf vor Schwarz-Blau. Nun hat sie die Diskussion selbst am Hals. Ungut, klebrig und wie eine lästige Fliege. Die Parteispitze tut sich schwer damit, dass mit einem Mal einige prominente Gewerkschafter vorpreschten und den strikten Isolierungskurs, den die SP gegenüber den Freiheitlichen seit Vranitzkys Kanzlerschaft in den 1990er Jahren fährt, in Frage stellten. Man soll die Blauen nicht länger tabuisieren meinen sie, alleine schon, um sich in den Verhandlungen um die Bildung einer Regierung nicht alle Optionen zu nehmen und sich der Volkspartei auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Wie groß der Druck ist, zeigt alleine, dass selbst Wiens Bürgermeister Häupl ausrückte, um klarzustellen, dass eine Koalition mit Strache unter keinen Umständen in Frage komme. "Da ist der Gang in die Opposition die bessere Alternative" gab er gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal zu Protokoll. Faymann, Häupl und Co. blocken ab und lassen Diskussion am liebsten erst gar nicht aufkommen. Dabei freilich tun sie sich immer schwerer. Nicht nur ein paar Gewerkschafter, sondern auch die Parteibasis, zumal jene der gestandenen Roten älteren Semesters, hat schon lange Probleme mit der Linie der Partei-Oberen. Viele der klassischen SP-Wähler von einst fühlen sich mit ihren Ängsten und Sorgen längst viel besser bei Strache aufgehoben. Sie können mit Straches Warnungen vor Überfremdung, Eurokrise und EU -und seien sie noch so krude -viel mehr anfangen, als mit der diffizilen, wiewohl ehrenhaften, Ausländerpolitik der eigenen Roten, ihrer EU-Linie und ihrer Haltung zur Wirtschaftskrise. Man möge sich nur an den Stammtischen umhören.

Da vergreift selbst das seit Jahren mit aller Kraft gepushte Gerechtigkeitsthema nicht mehr wirklich, da zieht Straches "Nächstenliebe" eher. Der blaue Parteiführer trifft mit seinen Ansichten und Forderungen den Roten Bauch sehr viel mehr als die Strategen aus der Löwelstraße. Und es verwundert nicht, dass Wahlanalysten zum Schluss kommen, die FPÖ sei die neue Arbeiterpartei.

In der Situation, in die die SPÖ geraten ist, ist sie nicht alleine. Die ÖVP steht kaum anders da. Da wie dort hat man den Kontakt zu einem wesentlichen Teil der Bevölkerung verloren . Da wie dort hat man all die Jahre nie eine Linie gefunden mit Populisten des Zuschnitts eines Haider oder jetzt eines Strache umzugehen. So wie zuvor Haider, haben sie versucht, den Wiener Zahntechniker auszugrenzen, lächerlich zu machen, mit Verachtung zu strafen, für nachgerade dumm zu verkaufen und als Teufel an die Wand zu malen. Weil sie übersahen, dass sie damit Gleiches auch all jenen unterstellten, für die Strache wenn schon nicht die Lösung, so zumindest der nötige Stachel im fett gewordenen Fleisch von Rot und Schwarz ist, kann Strache nun sagen: "Eine Million Wähler kann man nicht ignorieren."

Da ist ihm zweifellos recht zu geben. Das aber freilich nicht in seinem Sinn. Aufgabe der beiden Noch-Großparteien ist es, mit dem Phänomen Strache endlich einen richtigen Umgang zu finden und die Wähler aus dem politischen Schmuddeleck zurückzuholen. Im Interesse der Gesellschaft, die sich aufzuspalten droht, aber auch aus eigenem Interesse. Nochmals so abzurutschen, wie bei diesen und den vorangegangenen Wahlen, können sich weder die SPÖ noch die ÖVP leisten. Denn dann kommen sie gar nicht mehr in die Situation, eine Partei wie die FPÖ auszugrenzen. Denn dann liegt der Ball wirklich bei Leuten von Straches Zuschnitt.

SPÖ und ÖVP sind gefordert, die Wahler zurückzugewinnen. Und sie sind gefordert, Straches Wähler ernst zu nehmen und ihnen Lösungen anzubieten, für die sich das Land nicht zu schämen braucht. Es geht darum, den Weg zu den jetzigen Strache-Wählern zu finden, ohne dabei den besseren respektive ärgeren Strache zu machen. Gott behüte. Dabei wird man nicht umhinkommen, über Grenzen zu gehen, eigene Postionen zu überdenken und das Argumentations-Arsenal neu zu sortieren. Dass man den politischen Anstand verlieren muss, heißt das freilich nicht. Der Druck ist groß. Was viele der jetzigen Strache-Wähler suchen, sind Antworten auf ihre Fragen und Lösungen für ihre Probleme. Und die muss man ernst nehmen und anständig im besten Sinn des Wortes zu lösen versuchen -nicht mit erhobenem Zeigefinger, nicht hochnäsig, nicht abschätzig und vor allem nicht mit noch mehr Strache.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10.10.2013

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Die Bauern und ihre "Vertreter"

 
 
 
 
"Das Bier ist aus Deutschland", sagt die Kellnerin und stellt die Halbe auf den Tisch. Veranstaltungen wie das "Bauernparlament", zu dem kürzlich der Allgemeine Bauernverband ins Oberösterreichische lud, geraten gerne zum Spiegelbild. Es nehmen ja auch nicht alle Bauern immer so ernst, was sie von den Konsumenten fordern und kaufen gerne ausländische Produkte, "weil sie billiger sind". Also: "Das Bier ist aus Deutschland" beim Bauernverband.

Bei Veranstaltungen wie diesen, zumal dann wenn Wahlkampf ist, präsentiert sich die Landwirtschaft  gerne bis hin zur völligen Entblößung.

Zu der neigen vor allem die, die als Bauernvertreter um Stimmen zu buhlen versuchen. Alle sitzen sie am Podium. Von jeder Partei einer. Und vom Bauernverband auch einer. Schnell weiß jeder im Saal, wie man bei jedem, der da vorne schimpft, dran ist. Da passt bei manchem auf einmal nichts mehr zu dem, was man in einschlägigen Schriften von dessen "Heldentaten" gelesen hat. Da rutschen die Bilder auseinander. Da präsentiert sich vielmehr oft eine nackte und zuweilen armselige krakelende Realität am Podium.

Da ist etwa dem Herrn Keplinger vom Bauernverband nur sehr schwer in seiner Argumentation zu folgen - wenn denn überhaupt etwas davon zwischen seinen zusammenhanglosen Schimpftiraden gegen Landwirtschaftskammer und AMA davon zu erkennen ist.

Tumbes Draufhauen ist seine Devise und die der meisten anderen am Podium. Lockere Mundwerksburschen allesamt mit zuweilen dürftigem fachlichem Hintergrund, den sie glauben - man hat ja sonst nichts - mit einem amüsant anmutenden Anbiederungsritual überspielen zu müssen. "Ich bin ja doch einer von Euch" soll das signalisieren, wenn man schon nichts zu sagen hat, was Hand und Fuß hat. "Ich war ein Hiatabua, ich kenn mich aus", heißt das bei BZÖ-Agrarsprecher Huber. "Heit in da Fria hab i gmoicha" bei Leo Steinbichler und "Ich bewirtschafte einen Bauernhof" beim grünen Pirklhuber. 

Letztere zwei eint, dass sie es mit der Transparenz nicht so ganz genau nehmen. Pirklhuber verschwieg wohlweislich, dass er seinen Lebensunterhalt zu einem guten Teil auch aus den Erträgnissen seiner Kontrollfirma Bios bestreitet, als er sich vorstellte. Hätte sich in dem Umfeld, in dem die Diskussion über weite Strecken um den Kontrollwahn in der Landwirtschaft ging, auch nicht so gut gemacht.

Und das ganze Bild von Steinbichler liefert auch nicht er selbt, sondern "profil". "Er saß für die ÖVP im Bundesrat, kandidierte 2008 für die Liste Dinkhauser und trat zuletzt als von der FPÖ nominierter Agrarexperte auf". Da könnte man hinzufügen, dass er sich zwischenzeitlich auch als Wirt versuchte und vor wenigen Monaten in Oberösterreich von Bauer zu Bauer als "Makler" hausieren ging, als es galt, für die Post ein großes Grundstück für ein neues Verteilzentrum zu finden.  Alles Schnee von gestern. "Diesmal wähl ich Frank" steht in den Foldern des Team Stronach, für das er diesmal den Spitzenkandidaten in Oberösterreich gab. 

Die alten Haudegen Jakob Auer von den Schwarzen und Robert Zehetner von den Roten nahmen sich gegen all die mit ihrer Kompetenz als astreine Wohltaten aus. Wiewohl auch Leuten dieses Kalibers Anbiederungsrituale nicht fremd sind. Auer ließ sich, leger in kariertem Hemd, in einem VW-Passat chauffieren. Der sonst übliche Audi blieb in der Garage, die Krawatte im Kasten.

Man ist geneigt Verständnis dafür aufzubringen - zumal in einem Umfeld abseits jeder Realität.
 
Gmeiner-meint, Blick ins Land, 3. Oktober 2013

Unter Druck



Bundeskanzler Werner Faymann tat es, obwohl er sein Wahlziel nicht erreichte. Sein Vize Michael Spindelegger tat es, obwohl er für seine Partei das schlechteste Ergebnis der Geschichte einfuhr. Und schon vor ihnen taten es Legionen von Politikerinnen und Politikern. Sie allesamt bissen nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses wacker die Zähne zusammen, lächelten in die Kameras, dankten pflichtschuldigst den Wählerinnen "für das Vertrauen“ - um dann im Handumdrehen zu tun, als sei nichts geschehen. Da legt man mitunter seltsame Maßstäbe an, um das Ergebnis, und ist es auch noch so schlecht, nach allen Regeln der Kunst schönreden zu können. Da verbeißt man sich gleich wieder in den politischen Gegner, gibt sich überzeugt von sich selbst und seinen Positionen, geißelt politische Ideen der Konkurrenz und macht den Gegner nach Strich und Faden madig. Ganz so, als ob man noch im Wahlkampf stünde.

Es ist immer spannend, Wahlverlierern zuzuschauen, amüsant zuweilen und oft mitleidserregend. Wie sie hadern, wie sie nach Formulierungen ringen, wie sie Ergebnisse als Missverständnis interpretieren und sich zuweilen sogar dazu versteigen, sie als Irrtum der Wählerinnen und Wähler zu erklären.

Es muss bitter sein, zur Kenntnis zu nehmen, mit seinen Vorstellungen bei den Menschen, für die sich einzusetzen man immer so sehr betonte, nicht angekommen zu sein. Noch bitterer muss sein, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass die Vorschläge und Vorstellungen regelrecht abgelehnt wurden. Und am bittersten muss sein, was Josef Bucher passiert ist - abgewählt zu werden und damit vom Wähler die Bescheinigung des Unvermögens ausgestellt zu bekommen.

Mit Niederlagen umzugehen ist menschlich eine enorme Herausforderung. Viele Politikerinnen und Politiker, die wegen ungebührlich hoher Mandatsverluste aus Parlamenten fliegen, zerbrechen daran, weil Niederlagen oft auch das Ende ihrer politischen Ambitionen, Pläne und Karrieren bedeuten.

Mit Niederlagen umzugehen ist aber auch eine Herausforderung für die Parteien, mit denen die gestrandeten Politikerinnen und Politiker ihr Glück versuchten und ihre politischen Ambitionen lebten. Das verlangt Offenheit und Fingerspitzengefühl, Ehrlichkeit und eine scharfe, schonungslose und vor allem richtige Analyse. Da geht es darum, die Motivation aufrecht und die Mitarbeiter und Parteigänger bei der Stange zu halten.

Die Parteien tun sich oft schwer damit, die richtigen und nötigen Konsequenzen zu ziehen. Zu sehr ist man in die eigene Vergangenheit verliebt, zu sehr in die eigenen Ideen, und will nicht zur Kenntnis nehmen, dass man genau deswegen längst den Kontakt zu denen verloren hat, die man für seine Wähler hielt und die man vertreten wollte.

Wahlen sind aber nicht nur für die Parteien und ihre Politiker, die sie verlieren, eine Herausforderung. Auch den Siegern machen sie Druck, liegt doch in jedem Sieg, der die Latte für den nächsten Wahlgang hoch legt, der Keim der Niederlage. Insbesondere die NEOS und das Team Stronach sehen sich dieser Herausforderung gegenüber. Sie müssen das Vertrauen, das ihnen die Wähler gaben, erst einmal rechtfertigen. Und das ist für politische Newcomer alles anderes als einfach. Versprechen einzuhalten, ist für sie eine wesentlich größere Herausforderung als für etablierte Parteien - und wesentlich schwieriger, als sie im Wahlkampf vollmundig abzugeben.

Nur ganz wenige Parteien und Politiker verstehen sich darauf, mit diesen Gefahren umzugehen und über lange Zeiträume oben zu bleiben. In Österreich sind das allen Anfeindungen zum Trotz immer wieder Landeshauptleute wie Niederösterreichs Erwin Pröll oder Oberösterreichs Josef Pühringer. Politische Seiltänze sind ihnen fremd, sie halten auch schwere Stürme aus und verstehen sich darauf, das Vertrauen der Menschen über lange Zeiträume zu rechtfertigen.

In Deutschland ist es die CSU in Bayern, der es immer wieder, und über mittlerweile sehr lange Zeiträume, gelingt, in der Wählergunst ganz oben zu stehen. Aller Häme der Medien und aller Untergriffe von politischen Gegnern zum Trotz.

In Österreich gelingt das SPÖ und ÖVP kaum mehr. Ihr Niedergang ist ein konstanter. Das Wahlergebnis vom Sonntag gilt vielen als allerletzter Warnschuss. Ob sie recht haben, zeigen die kommenden fünf Jahre.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Oktober 2013
 
UA-12584698-1