Donnerstag, 12. September 2013

Dröhnende Tüchtigkeit



"Österreich gehört den Entdeckern“ verspricht das bunte Plakat, das einen zeigt, der in einen Bergsee springt. Ein anderes, auf dem ein blitzblauer Berghimmel mit Ballon zu sehen ist, stellt in Aussicht, dass das Land den Optimisten gehört, eines, mit Bergwanderern, dass es die Welt der Weltoffenen ist. Und eines, mit einem, was gemeinhin als Bild von einem Mann gilt, verspricht "Österreich gehört den Tüchtigen“.

Das bleibt hängen. Österreich gehört den Tüchtigen. Das dröhnt vor Selbstgerechtigkeit und satter Selbstzufriedenheit österreichischen Zuschnitts, die gerne alle anderen für Tachinierer und schamlose Nutznießer hält, die alles bis zum letzten Strich ausnutzen, keine Gelegenheit auslassen vom Staat zu leben und jeden, der anders denkt, für verrückt halten.

Aber es dröhnt nicht nur, sondern es führt unvermittelt zur Frage, was ist, wenn man in diesem Land nicht zu diesen Tüchtigen gehört, obwohl man auch immer alles getan hat, diese Ansprüche zu erfüllen. Aber ein Unfall hat alles verändert, eine Krankheit, mit der man nicht rechnen konnte, der Verlust des Jobs, den man zwar gut machte, aber unglückseligerweise bei einem Unternehmen des Zuschnitts der Alpine oder von Schlecker. Oder der Mann hat sich aus dem Staub gemacht, als ihm die Kinder zu viel wurden und man hat just deswegen die eigene Karriere abbrechen und viele Pläne begraben müssen.

Hat man dann in diesem Österreich, das da versprochen wird, nichts mehr verloren? Gehört einem dann dieses Land nicht? Hat man in diesem Land nichts zu sagen? Oder muss man sich darauf einstellen, auf Almosen angewiesen zu sein, geduldet allenfalls von den Tüchtigen dieses Landes und ihrem Verständnis von der Welt?

Es befremdet, dass eine Partei wie die Volkspartei so einen Satz plakatiert und zum Wahlversprechen macht. Ohne jeden Zusatz und ohne jede Relativierung. Dabei sind es doch die Vertreter dieser Partei, die bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten nie versäumen, die Verpflichtung christlichen Werten gegenüber hervorzukehren und die nicht vergessen, die Bedeutung des sonntäglichen Kirchgangs für sie persönlich hervorzuheben.

Aber am Montag ist offenbar alles anders und angesichts der vermuteten Wählerstimmen am rechten Rand des politischen Spektrums hängt man die Grundsätze nicht mehr gar so hoch.

Dass der Satz "Österreich gehört den Tüchtigen“ so da steht, wie er da steht und dass selbst in der größten christlich-demokratischen Partei des Landes keiner mehr daran Anstoß nimmt, ist Beleg dafür, wie weit es die Rechtspopulisten in diesem Land bereits gebracht haben. Wie erfolgreich sie in den vergangenen Jahrzehnten wurden, wie tief sie ins Bewusstsein der Leute gedrungen sind - und wie sehr sie die großen Parteien vor sich her treiben und ihnen den Ton vorgeben, in dem sie meinen, um ihre Wähler buhlen zu müssen.

Dass so ein Satz heute möglich ist, bildet die Stimmung in diesem Land ab und die Geisteshaltung, die hier seit Jahrzehnten um sich greift. Neid ist es und Missgunst und Misstrauen. Die Gewichtungen stimmen nicht mehr wirklich. Viele Menschen fühlen sich ausgenutzt, blockiert, benachteiligt und ungerecht behandelt.

Vor diesem Hintergrund ist es nachgerade ein Treppenwitz der heimischen Innenpolitik, dass just jene Partei, die in den vergangenen Jahrzehnten eine große Partei wie die Volkspartei zu Slogans wie "Österreich gehört den Tüchtigen“ trieb, ihrerseits "Liebe deinen Nächsten“ plakatiert, auch wenn sie ihn mit dem Hinweis, der "Nächste“ seien die Österreicher regelrecht pervertiert.

Aber es ist schon lange kaum mehr etwas so in diesem Land, als dass es nicht verkehrt daherkäme. Linie zu halten ist nicht das, was zu den Stärken der Politik und derer, die sie machen, zählt. Man weiß es.

Und man hat es zu tragen. Dieser Entwicklung entgegen zu steuern, ist ein schwieriges Unterfangen. Bemühungen, das zu tun sind manchmal, Erfolge hingegen nie erkennbar.

Es fehlt an Mut, an Esprit und an Unterstützung. Der Mainstream scheint alles zu fressen. Und sich ihm entgegen zu stellen, dafür mag sich kaum mehr jemand hergeben.

Dabei wäre gerade da Tüchtigkeit gefragt. Die aber ist wohl von anderer Art, als die, von denen auf den Plakaten die Rede ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. September 2013

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