Samstag, 28. September 2013

Der Affe braucht Futter


 
Es war schrill, es war aufregend, es war aufgeregt. Und es war typisch. Die Bienen und alles, was rund um deren Fortkommen Anfang des Sommers abging, setzte einer Entwicklung, die sich seit Jahren stetig via Politik und Medien aufschaukelte, einen neuen Höhepunkt, der freilich wohl nur vorläufig sein wird. Der Wahnsinn, das ist unschwer vorauszusehen, wird weitergehen. In immer neue Höhen, in immer neuen Volten und mit immer weitreichenden Folgen. Und mit immer mehr Opfern.

Der Grund dafür ist kein anderer, als der, den man von den Zoos dieser Welt kennt - der Affe braucht Futter. Die Zeitungen, zumal die Krawallblätter vom Boulevard, brauchen Stoff, die Politiker, zumal solche, die in der Politik wenig zu sagen, brauchen Schlagzeilen und die NGO, die solche Spektakel gerne befeuern, brauchen Erfolge, um zu Geld zu kommen. Immer schneller, immer öfter.

Das Tempo, in dem sich heute Informationen verbreiten, die Kanäle, die zur Verfügung stehen und der Umgang damit wirken, wenn das Umfeld nur passt, wie Brandbeschleuniger. Zeit und Raum für Sachlichkeit, Abwägung und Rücksichtnahme bleiben keine mehr. Immer schneller können Stimmungen erzeugt werden, die einem Tsunami gleich alles und jedes wegfegen, das sich ihnen entgegenstellt oder das ihnen entgegen gehalten wird.

Ein ganzes Land wird im Nu zur Bühne für Wichtigtuer, für Scharlatane, für Gambler und für Zündler. Da redet der unbeleckte Morgenradio-Moderator mit und der Wetterfrosch vom Fernsehen, da wird die Jetti-Tant als Expertin vors Mikro geholt und rottet man sich via Facebook und Twitter zusammen, schafft sich so seine eigenen Bühnen und stellt im Handumdrehen zigtausende Unterschriften auf.

Schlimm genug.

Schlimmer aber ist, dass sich die, die es in der Hand hätten und deren Aufgabe es auch wäre, kraft ihrer Autorität den ganzen Furor einzubremsen, oft selbst allzu gerne produzieren. Da trägt die Parlamentspräsidentin plötzlich inmitten der Bienen-Diskussionen ein schwarz-gelbes Kostüm, da heizen Politiker in hohen Positionen nach, statt zu versachlichen und da dekoriert der Konsumentenschutz seine Auslagenfenster mit Bienen-Kostümen.

Nicht minder schlimm ist das bräsige, selbstzufriedene und abgehobene Schweigen der Experten in ihren wissenschaftlichen Elfenbeintürmen und die Feigheit der Unternehmen, um deren Produkte es geht, Stellung zu beziehen.

Dieses akkordierte hochjazzen von Themen ist dabei, zu einer Gefahr nicht nur für einzelne Gruppen der Gesellschaft zu werden, sondern auch an den Grundfesten der Demokratie zu rütteln. Zumal dann, wenn die Politik so schwach aufgestellt ist, wie die in Österreich und bei der die Neigung hoch ist, dem Druck der Straße um ein paar billiger Imagepunkte willen nachzugeben.

Dieses aufgeregte Getue, ohne das heute kaum mehr einer auszukommen glaubt, steht jedem Ausgleich und vielen sachlichen und wirksamen Lösungen entgegen. Fakten zählen nicht, und die Interessen und Bedürfnisse Betroffener auch nicht. Da fährt die riesige Selbstgerechtigkeits-Dampfwalze drüber.

Die Landwirtschaft ist besonders häufig betroffen davon. Man sollte aber vor allem darüber nachdenken, warum das ausgerechnet bei diesem Wirtschaftszweig so ist. Bisher verweigert man sich dem sehr viel lieber, als sich damit auseinander zu setzen. Man ergeht sich aufgeregt in Empörung. Genau betrachtet ist die freilich nicht viel anders, als die, über die man sich alteriert. 

Bleibt die Frage, was die besser und anders machen, weil sie die Öffentlichkeit hinter sich haben - die Bauern in vielen Themen aber nicht. 


"Der österreichische Journalist" - Special Agrar
Nr. 08-09/2013 vom 28.09.2013

Donnerstag, 26. September 2013

Gewählter Euphemismus



Auch wenn man Spindelegger, Faymann, Strache, Glawischnig, Stronach und wie sie alle heißen derzeit kaum zu entkommen vermag, es sind nicht Köpfe, die am kommenden Sonntag gewählt werden. "Nationalratswahl“ steht auf der amtlichen Mitteilung, die in den vergangenen Wochen an alle wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher geschickt wurde. Gewählt wird die Vertretung des Volkes, deren Aufgabe in diesem Land die Gesetzgebung ist.

Dass es dennoch nur um Spindelegger, Faymann und die anderen ad personam geht, drückt freilich die tatsächlichen Verhältnisse aus. Der Nationalrat ist in den vergangenen Jahren allzu oft von den Ministerbüros und Parlamentsklubs zur reinen Abstimmungsmaschine gemacht oder von den Parteien als Bühne für politische Auftritte missbraucht worden. Die Sondersitzungen in der vergangenen Woche sind ärgerlicher Beleg dafür. "Hier in diesem Haus werden einem die letzten demokratischen Illusionen genommen“, zog in der Vorwoche der einstige Gewerkschaftsboss Wilhelm Haberzettel ganz persönlich Bilanz über seine Jahre im Parlament. Das ist bitter. Und es ist beschämend für das politische Systems Österreichs.

Da verwundert nicht, dass das Image des Nationalrates seit Jahren leidet. Noch kein Jahr alt ist die Umfrage des IFES-Institutes, der zufolge nur ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher mit dem Nationalrat und seiner Arbeit zufrieden sind.

Die Gründe dafür sind vielfältig, die Mängelliste ist lang. Dass der Nationalrat auch gerne als Volksvertretung bezeichnet wird, ist nichts als ein Euphemismus. Struktur und Bedürfnisse des Volkes spiegelt er nicht wider. Viel eher gleicht er einem Sammelsurium an Lobbyisten und Berufspolitikern, die den Interessen ihrer Parteien und den dahinter stehenden, respektive den am meisten Stimmen versprechenden, Gruppen zu dienen haben.

Und diesem Sammelsurium fehlen Wille und Esprit. Volksvertretung, wie sie die heimische Politik versteht, entspricht dem Ambiente, dass der Plenarsaal im Parlament verströmt - den Charme von vorvorgestern. Und viele der Volksvertreter tun das auch.

Es gelingt ihnen meist nur selten ihrer Aufgabe im Sinn dieser Bezeichnung nachzukommen. Meist verstehen sie sich als nichts anderes als die Vertreter der Interessen ihres Berufsstandes oder ihrer Region. Viele sehen sich ausschließlich als Statthalter ihrer Partei, viele sehen ihre Arbeit als reine Interventionstätigkeit - für den Cousin der Schwiegermutter genauso wie für den Schuldirektor der Tochter, den Bürgermeister in der Nachbargemeinde oder die Firma in der Bezirkshauptstadt. Die Welt jenseits des eigenen Tellerrands, das Gesamte gar, hat kaum jemand im Blick. Und gemeinsam ist allen, dass praktisch alle ihre eigene Meinung sein lassen, sobald es ans Abstimmen geht. Da ist der Klubzwang in allen Partien das Normale. Abweichungen davon gelten als verpönt und führen rasch zur Ächtung.

Das ist schade. Als Wähler würde man sich mehr wünschen. Insbesondere von denen, die nicht in den vorderen Reihen sitzen. Man würde sich wünschen, dass sie öfter in den Diskussionen mitmischen, Eigeninitiative entwickeln und Selbstbewusstsein zeigen. Und dass sie gegen ihre Rolle als Abstimmungsautomaten öfter aufbegehren.

In jeder Plenardebatte führt sich das, was als Nationalrat und oberster Gesetzgeber von der Verfassung gedacht wird, dem staunenden Publikum selbst am Nasenring vor. Nachgerade automatisiert laufen die Debatten ab, ein lauer und vor allem seichter Austausch von Standpunkten ohne jede Diskussion geschweige denn Diskurs. Da gehen die Show vor und die Schlagzeile, das Niveau ist es nicht. Das ganz sicher nicht. Wenn selbst seriöse Zeitungen von einem "pervertierten Parlament“, das "als Gesetzgeber abgedankt hat“ schreiben, verwundert das nicht.

Das alles verdrießt die Leute. Man wendet sich von der Politik ab. Weil man sich eher benutzt denn vertreten fühlt, wird der Ruf nach mehr Mitbestimmung abseits der Wahlen lauter. Die Bemühungen der politischen Parteien halten sich freilich in Grenzen. Der Erfolg auch. Das Demokratiepaket, das geschnürt wurde, verdient den Namen kaum, die Verkleinerung des Nationalrates wurde abgesagt. Und an der Überwindung der Schwerfälligkeit und Undurchsichtigkeit der Gesetzwerdung in Österreich arbeitet man seit Jahrzehnten vergeblich.

Dass sich daran so rasch auch in Zukunft nichts ändern wird, dafür braucht es nicht die Erfahrungen eines Wilhelm Haberzettels.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. September 2013

Donnerstag, 19. September 2013

Billiger Zeitgeist



Jetzt, wo sich zeigt, dass in Fukushima doch sehr viel mehr passiert zu sein scheint, als man der Welt glauben machen mochte, sind die Schlagzeilen wieder da. "Das Experiment Kernenergie ist gescheitert“, heißt es wieder allerorten in allen Variationen.

Das ist ein, wenn auch sehr kleiner, Fortschritt gegenüber den vergangenen Jahren. Solche Töne waren schon lange nicht mehr zu hören. Ganz im Gegenteil. Die Reaktorblöcke im fernen Atomkraftwerk am Pazifik rauchten noch, wurde bereits in düsteren Farben vor teuren Energieformen gewarnt und hatte man keinerlei Scheu alternative Energieformen nach allen Regeln der Kunst anzupatzen, um das Atomgeschäft und den billigen Strom zu retten.

In Übersee sowieso und in Asien, aber auch in Europa. Auch in Deutschland und in Österreich. Fukushima brachte selbst dort nicht den Durchbruch für neue Energieformen. Man findet alle möglichen Gründe dafür, sie abzulehnen und meint doch nur eines - "Mehr zahlen wollen wir nicht“.

Da macht man allemal lieber die Augen zu, rückt und diskutiert sich die Dinge zurecht, man verweigert sich der Realität und den Notwendigkeiten. Bei der Energie, bei den Nahrungsmitteln, bei der Umwelt.

Aber man hat dennoch keine Scheu zu fordern, alles müsse anders, alles müsse besser werden. Den Preis dafür aber will freilich niemand zahlen. Denn Dinge zu fordern ist allemal etwas anderes, als auch danach zu handeln. Da macht man die Augen zu, da drückt man sich, da flüchtet man sich in Ausreden. Da denkt man, warum soll ausgerechnet ich mehr zahlen, wenn doch die anderen so weitertun wie bisher. Da will man nicht nachgeben und nicht verzichten und nicht draufzahlen. Alles muss Platz haben. Man will alles in die Brieftasche packen und auf nichts verzichten. Nicht aufs Auto, nicht auf Reisen, nicht auf den Fernseher, nicht auf das neueste Handy, nicht auf den prall gefüllten Kleiderkasten, nicht auf das billige Buch und nicht auf das billige Schnitzel.

Und dennoch hat man keine Scheu sich gerne und mit großer Inbrunst über Atomstrom zu erregen, billigen Sprit zu fordern, über Massentierhaltung zu schimpfen und die Lebensmittelindustrie zu geißeln.

Das ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Zeitgeist geworden. Wortreich argumentiert man sich durchs Leben, wenn es darum geht, sich einen kleinen Vorteil zu verschaffen und etwas billig zu kriegen - man hat doch nichts zu verschenken.

Die Bereitschaft zu Änderungen ist sehr rasch enden wollend. Es wird einem auch leicht gemacht. Gegen jede Veränderung findet sich eine Lobby, die entsprechende Argumente liefert, die den Streit in der Öffentlichkeit führt, die Veränderung hintan hält und die Interessengruppen und Marktteilnehmer gegenseitig ausspielt. Dick ist der PR-Nebel, der jede Neuorientierung verhindert, seltsam sind zuweilen die Koalitionen, die sich dabei bilden.

Dass das Vertrauen in die Wirtschaft, in die großen Konzerne und Institutionen und ganze Wirtschaftszweige über weite Strecken völlig zerstört ist oder zumindest in einer tiefen und nachhaltigen Krise steckt, ist der ideale Nährboden für Gaukler, Blender, Verhinderer, Geschäftemacher und Heuschrecken aller Art.

Vernunft und Sachlichkeit haben da wenig Platz. Da geben allemal politische oder finanzielle Interessen den Takt vor und nicht die Sorge um Umwelt und Nachhaltigkeit.

Parteien, Interessenvertretungen verstehen das zu nutzen. Für sie ist das nachgerade ein Biotop zum Überleben. Das freilich mündet in nichts als Blockade und einen Teufelskreis aus dem heraus zu kommen immer schwieriger wird.

Immerhin häufen sich die Lichtblicke. Wenn in Bangladesh die Fabriken brennen, aus denen das billige Gewand für Europa kommt, nimmt man hier mittlerweile immerhin Notiz davon. Wenn die Arbeitsbedingungen bei Amazon angeprangert werden, finden zumindest einige Autoren und Verlage den Mumm, sich dem Geschäft mit dem Internet-Händler zu verwehren. Und wenn in Brasilien die Urwälder für Soja brennen, ist man zumindest bereit für heimische Alternativen, wenn schon nicht mehr Geld auf den Tisch zu legen, so doch Interesse zu zeigen.

Es gibt Fortschritte, es gibt einen Wandel im Bewusstsein, es gibt Veränderungen im Verhalten. Für eine nachhaltige Veränderung freilich ist das viel zu wenig. Und ob sich daran bald etwas ändert, muss bezweifelt werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. September 2013

Donnerstag, 12. September 2013

Dröhnende Tüchtigkeit



"Österreich gehört den Entdeckern“ verspricht das bunte Plakat, das einen zeigt, der in einen Bergsee springt. Ein anderes, auf dem ein blitzblauer Berghimmel mit Ballon zu sehen ist, stellt in Aussicht, dass das Land den Optimisten gehört, eines, mit Bergwanderern, dass es die Welt der Weltoffenen ist. Und eines, mit einem, was gemeinhin als Bild von einem Mann gilt, verspricht "Österreich gehört den Tüchtigen“.

Das bleibt hängen. Österreich gehört den Tüchtigen. Das dröhnt vor Selbstgerechtigkeit und satter Selbstzufriedenheit österreichischen Zuschnitts, die gerne alle anderen für Tachinierer und schamlose Nutznießer hält, die alles bis zum letzten Strich ausnutzen, keine Gelegenheit auslassen vom Staat zu leben und jeden, der anders denkt, für verrückt halten.

Aber es dröhnt nicht nur, sondern es führt unvermittelt zur Frage, was ist, wenn man in diesem Land nicht zu diesen Tüchtigen gehört, obwohl man auch immer alles getan hat, diese Ansprüche zu erfüllen. Aber ein Unfall hat alles verändert, eine Krankheit, mit der man nicht rechnen konnte, der Verlust des Jobs, den man zwar gut machte, aber unglückseligerweise bei einem Unternehmen des Zuschnitts der Alpine oder von Schlecker. Oder der Mann hat sich aus dem Staub gemacht, als ihm die Kinder zu viel wurden und man hat just deswegen die eigene Karriere abbrechen und viele Pläne begraben müssen.

Hat man dann in diesem Österreich, das da versprochen wird, nichts mehr verloren? Gehört einem dann dieses Land nicht? Hat man in diesem Land nichts zu sagen? Oder muss man sich darauf einstellen, auf Almosen angewiesen zu sein, geduldet allenfalls von den Tüchtigen dieses Landes und ihrem Verständnis von der Welt?

Es befremdet, dass eine Partei wie die Volkspartei so einen Satz plakatiert und zum Wahlversprechen macht. Ohne jeden Zusatz und ohne jede Relativierung. Dabei sind es doch die Vertreter dieser Partei, die bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten nie versäumen, die Verpflichtung christlichen Werten gegenüber hervorzukehren und die nicht vergessen, die Bedeutung des sonntäglichen Kirchgangs für sie persönlich hervorzuheben.

Aber am Montag ist offenbar alles anders und angesichts der vermuteten Wählerstimmen am rechten Rand des politischen Spektrums hängt man die Grundsätze nicht mehr gar so hoch.

Dass der Satz "Österreich gehört den Tüchtigen“ so da steht, wie er da steht und dass selbst in der größten christlich-demokratischen Partei des Landes keiner mehr daran Anstoß nimmt, ist Beleg dafür, wie weit es die Rechtspopulisten in diesem Land bereits gebracht haben. Wie erfolgreich sie in den vergangenen Jahrzehnten wurden, wie tief sie ins Bewusstsein der Leute gedrungen sind - und wie sehr sie die großen Parteien vor sich her treiben und ihnen den Ton vorgeben, in dem sie meinen, um ihre Wähler buhlen zu müssen.

Dass so ein Satz heute möglich ist, bildet die Stimmung in diesem Land ab und die Geisteshaltung, die hier seit Jahrzehnten um sich greift. Neid ist es und Missgunst und Misstrauen. Die Gewichtungen stimmen nicht mehr wirklich. Viele Menschen fühlen sich ausgenutzt, blockiert, benachteiligt und ungerecht behandelt.

Vor diesem Hintergrund ist es nachgerade ein Treppenwitz der heimischen Innenpolitik, dass just jene Partei, die in den vergangenen Jahrzehnten eine große Partei wie die Volkspartei zu Slogans wie "Österreich gehört den Tüchtigen“ trieb, ihrerseits "Liebe deinen Nächsten“ plakatiert, auch wenn sie ihn mit dem Hinweis, der "Nächste“ seien die Österreicher regelrecht pervertiert.

Aber es ist schon lange kaum mehr etwas so in diesem Land, als dass es nicht verkehrt daherkäme. Linie zu halten ist nicht das, was zu den Stärken der Politik und derer, die sie machen, zählt. Man weiß es.

Und man hat es zu tragen. Dieser Entwicklung entgegen zu steuern, ist ein schwieriges Unterfangen. Bemühungen, das zu tun sind manchmal, Erfolge hingegen nie erkennbar.

Es fehlt an Mut, an Esprit und an Unterstützung. Der Mainstream scheint alles zu fressen. Und sich ihm entgegen zu stellen, dafür mag sich kaum mehr jemand hergeben.

Dabei wäre gerade da Tüchtigkeit gefragt. Die aber ist wohl von anderer Art, als die, von denen auf den Plakaten die Rede ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. September 2013

Freitag, 6. September 2013

EU lässt Landwirte bei Förderungen zappeln



Österreichs Bauern verpflichten sich derzeit zu Umweltmaßnahmen, ohne zu wissen, ob sie dafür Geld bekommen.

Hans Gmeiner Ried (SN). Weil in der EU-Agrarreform trotz der grundsätzlichen Einigung Anfang Juli immer noch viele Detailfragen offen sind, sitzen Österreichs Bauern zwischen den Stühlen. Das Umweltprogramm für die Förderperiode 2007 bis 2013 ist ausgelaufen, ein Nachfolgeprogramm kann wegen vieler fehlender Eckpunkte wie Rechtstexten oder fixen Budgets noch nicht ausgearbeitet werden.

Das Landwirtschaftsministerium hat daher das Wirtschaftsjahr 2013/2014 zum Übergangsjahr erklärt und bietet den Bauern Ausgleichszahlungen zu gleichen Bedingungen wie in der abgelaufenen Periode – unter dem Vorbehalt, dass die Europäische Union zustimmt. Doch die weigert sich.

Die Bauern, die in diesen Wochen die entsprechenden Anträge stellen und sich für Maßnahmen wie die Begrünung der Felder über den Winter zur Verringerung des Stickstoffaustrags ins Grundwasser verpflichten, können daher nicht sicher sein, dass sie die dafür in Aussicht gestellten Mittel auch bekommen werden, obwohl sie die Felder bereits bestellt haben. „Da derzeit noch keine verbindlichen Rechtsgrundlagen für 2014 vorliegen, muss die Beantragung der Verlängerung der Umweltprogramms 2007 unter einen Vorbehalt gestellt werden“, heißt es in einem Begleitschreiben zu den Antragsformularen.

Bei der Rieder Messe zeigte sich Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich erbost über das Zögern der EU-Kommission. „Das ist ein schweres Versäumnis der europäischen Ebene“, sagte er. Die Verzögerungen beim Abschluss der Agrarreform blockieren auch die Investitionspläne der Landwirte sowie den Umstieg auf die Biolandwirtschaft.

Die Fördertöpfe für Investitionen in Betriebsmodernisierungen und Stallbauten sind seit zwei Jahren leer. Die Wartelisten sind lang. Allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein ist das Investitionsprogramm, das Berlakovich nun aus Restmitteln des ausgelaufenen Umweltprogramms gezimmert hat. 20 Mill. Euro an öffentlichen Mitteln von Bund, Ländern und der EU sollen den größten Druck lindern. Berlakovich: „Damit können wir heuer in der Landwirtschaft immerhin noch ein Investitionsvolumen von rund 100 Mill. Euro auslösen.“

Auch für die Biolandwirtschaft wird an einer Lösung gearbeitet, die ermöglicht, dass Bauern mit dem Umstieg nicht noch ein Jahr warten müssen. Auch hier ist der Zeitdruck groß. Seit Herbst 2010 ist der Umstieg auf Bio in Österreich ohne Verzicht auf die entsprechenden Ausgleichszahlungen nicht mehr möglich. Auch Bauernkammer-Präsident Gerhard Wlodkowski und Bauernbund-Chef Jakob Auer drängen Brüssel zur Eile. „Die Bauern brauchen Planbarkeit und Sicherheit“, sagen sie.

Mehr als Druck machen können sie freilich nicht. „Die Aufteilung der Finanzierung von Umweltprogrammen zwischen EU und Nationalstaaten ist das wichtigste Thema, wo es noch Verhandlungsbedarf gibt“, sagt EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger. Sie rechnet aber damit, dass Mitte November alles unter Dach und Fach ist.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 6. September 2013

Donnerstag, 5. September 2013

"Bis zum letzten Hendlfurz"


 
 
 
Hans Zeger, der sich als nimmermüder Chef der Arge Daten in diesem Land um zumindest ein Mindestmaß an Datenschutz bemüht, ist eine schöne Wortkreation zu verdanken. "Die Bauern sind wegen der Förderungen die bestüberwachte Bevölkerungsgruppe", sagte er im Zuge der Diskussion über die Datensammelwut, die vom Weißen Haus, über die Geschäfte mit all ihren Kundenkarten bis in die österreichischen Arztordinationen grassiert und die Bürger verschreckt. Überwacht "bis zum letzten Hendlfurz" fügte der dann noch dran.

Schöner, origineller und vor allem treffender kann man nicht formulieren, woran Österreich Bauern seit Jahr und Tag zu tragen haben. Wie keine andere Bevölkerungsgruppe müssen sie sie nicht nur ihre Brieftaschen, sondern auch ihre Ställe und Felder durchleuchten lassen. Alles will man offenbar von ihnen wissen weil man ihnen offenbar alles zutraut und ihnen nicht vertrauen mag. In den vergangenen Jahren ist rund um die einfache und schlichte Erzeugung von Agrarprodukten eine kafkaeske Welt aufgebaut worden, die ihresgleichen sucht.

Dabei waren es selten die Bauernvertreter oder die so gerne gescholtene AMA, die sich all die Quälereien einfallen ließen. Verlangt wurden sie von der nicht-bäuerliche Bevölkerung und ihren politischen Vertretern. Andernfalls, so ihre Drohung, wollen die die öffentlichen Kassen für die Bauern nicht öffnen.

Man verlangte Transparenz, man drängte auf Nachvollziehbarkeit, man wollte wissen, wer was mit welchem Geld macht. Bis hin zur Transparenzdatenbank, in der alle Bauern, vom ganz kleinen Bergbauern bis hin zum Prinzen Charles, der Gesellschaft als Nehmer vorgeführt wurden. Dabei hat man keinerlei Scheu unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. Man denke nur an das Scheitern einer Datenbank, in der alle Zuwendungen für jeden einzelnen Österreicher einsehbar gemacht werden sollten.

Der Fortschritt, den die Bloßstellung der Landwirtschaft alias Transparenz  und Nachvollziehbarkeit bis zum, um bei Hans Zeger zu bleiben, "letzten Hendlfurz" brachte, ist gering, die Verwicklungen hingegen werden immer größer. Die Streitereien um die Vermessung der Almflächen sind nur ein Beispiel dafür. Und auch die immer neuen Lebensmittelskandale. Je mehr Daten gesammelt werden, je größer die Bürokratie ist, desto größer und monströser sind die Folgen, wenn etwas schief läuft.

Die Frage nach dem Sinn all dieses Tuns wird nur mehr pro Forma gestellt. Längst scheint man jede Hoffnung auf Verbesserung fahren gelassen zu haben. Jede Ankündigung von Entbürokratisierung, jedes Versprechen der Vereinfachung, scheint unabänderlich in immer neue Kaskaden an Vorschriften zu münden.

Die EU-Agrarreform wird das nächste Beispiel dafür. Obwohl der Abbau von Bürokratie eines der obersten Ziel war, gilt inzwischen als sicher, dass ebendiese noch mehr wird. 

Für die Landwirtschaft scheint es kein Entrinnen zu geben. Im Gegenteil - es wird wohl noch schlimmer werden. Auswege aus diesem Dilemma sind schwer zu finden. Den einen, den es gibt, traut sich kaum ein Landwirt zu machen - den Verzicht auf all die Ausgleichszahlungen und Förderungen. Nur dieser würde unabhängig machen und den Bauern jene Freiheit bringen, die sie so gerne für sich in Anspruch nähmen. Weil das angesichts der Preise für Agrargüter aber alles andere als einfach ist, bleibt wohl nichts, als auch fürderhin Überwachung und Kontrolle in Kauf zu nehmen - bis zum letzten Hendlfurz.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 5. September 2013
 

Ein vermisstes Wahlversprechen



50.000, 150.000, 400.000 Arbeitsplätze, weniger Steuern, Freifahrt für Jugendliche, Entlastung für Familien. Die Parteien versprechen in diesen Wochen vor der Nationalratswahl den p.t. Wählerinnen und Wählern das Blaue vom Himmel. Ganz einerlei, ob sie als SPÖ und ÖVP Regierungsverantwortung tragen, oder ob sie als Oppositionspartei welcher Größe und Bedeutung auch immer, nur versuchen in der heimischen Politik mitzumischen. Alle tun so, als hätten sie allein die Macht in der Hand und könnten schalten und walten, wie sie wollen.

Warum sie das tun, ist freilich nicht nachzuvollziehen. Die Zeit der Alleinregierungen in Österreich ist längst Geschichte. Und man ist sehr viel näher bei der Zeit, dass drei Parteien zusammenfinden müssen, um das Land zu regieren, als dass wieder eine Partei alleine regieren könnte.

Die politischen Verhältnisse in Österreich sind so, dass die Parteien miteinander können müssen. Da sind Kompromissfähigkeit gefragt, Konsensbereitschaft, Bereitschaft zur Zusammenarbeit und gegenseitige Wertschätzung. All das könnte ein Wahlversprechen sein. Fein verpackt und ausformuliert und getragen von der nötigen Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.

Ein solches findet sich freilich in keinem der Programme und Ankündigungen, mit denen die Parteien um die Stimmen der Wähler buhlen.

Dabei ist es bei Licht betrachtet, für das Vorankommen eines Landes unabdingbar, dass die politischen Parteien und ihre Verantwortungsträger zum Ziel haben, miteinander zu wollen und zu können.

Österreichs Politik und Politiker freilich können, und das ist die Krux, mit der Situation wie sie sich in Österreich darstellt, nicht umgehen. Da setzt man sehr viel lieber alle Energie darein, sich gegenseitig zu blockieren und zu behindern. Man tut das allzu oft aus reiner Bosheit, man tut es oft freilich auch aus der unergründlichen Überzeugung heraus, um des eigenen Vorteils willen dem anderen schaden zu müssen. Man verschwendet keine Gedanken an Konsens und Wertschätzung der politischen Konkurrenten. Und man vergisst, dass Politik nicht für sich alleine steht, sondern dass sie für eine Vielfalt an gesellschaftlichen Gruppen mit ganz persönlichen Ansprüchen und Lebensvorstellungen zu wirken hat, die es zu respektieren gilt.

Davon freilich ist man ist Österreich zuweilen weit entfernt. Da macht man lieber alles herunter und zerdeppert es wie kleine Kinder die Vase im Wohnzimmer und hat dann keine Scheu, das trotzdem selbstzufrieden ob der eigenen Forschheit den Zustand der Republik, respektive des Wirtschaftsstandortes Österreich, "abgesandelt“ zu nennen.

An den Folgen tragen alle. Nicht ohne Grund ist die Bilanz der vergangenen Jahre so mager, machen sich viele Menschen in diesem Land Sorgen um die Zukunft und wenden sich viele verdrossen von der Politik ab. Man ist der Wahlkampf-Haxelbeißereien, die einem tagtäglich präsentiert werden, müde, man kann die Wortblasen nicht mehr hören und die Slogans, man kann die Bilder nicht mehr sehen und man hat die Inszenierungen satt. Diese künstliche Aufgeregtheit, die aus allen Statements wabert, die künstlichen Bilder, die affichiert sind, diese künstliche Politik weitab der Realität, die einem präsentiert wird.

Man kennt all das aus den vergangenen Jahren. Neu ist nichts. Und man weiß, dass die Wertigkeit all dessen, was da serviert wird, allermeistens gegen Null geht.

Dabei wäre vieles von dem, was in diesem Wahlkampftagen und -wochen angekündigt, versprochen und gefordert wird, nicht schlecht. Vieles täte dem Land gut, vieles hätte das Land bitter nötig, auf vieles wartet das Land schon lange. Aber warum sollte man all dem nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte Glauben schenken? Klang es nicht vor fünf Jahren ähnlich? Und vor sieben, vor elf und vor 14 Jahren?

Da verwundert die zuweilen vorgetragenen Klage, dass der Wahlkampf fad sei, nicht. Man kennt die Mechanismen, man weiß, was man wie einzuordnen hat, man weiß, wie man mit dem, was man hört, umzugehen hat. Längst hat man den Glauben daran verloren, dass tatsächlich etwas anders wird in der heimischen Politik und damit in diesem Land.

Das freilich ist auch keine Perspektive. Daraus eine zu machen ist wohl die größter Herausforderung, vor der die Politik steht. Angesichts der Erfahrungen in diesen Wochen, ist wohl noch länger darauf zu warten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. September 2013
 
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