Donnerstag, 4. Juli 2013

Geflutetes Vertrauen




Dieses Land lässt einen aus dem Staunen nicht herauskommen. Unglaublich ist oft, was in der Politik passiert. Noch viel unglaublicher ist, was im Gefolge der Politik geschieht respektive nicht geschieht. Und manche Dinge sind kaum mehr fassbar. Vier Wochen nachdem ihnen das Wasser entgegen allen Ankündigungen im wahrsten Sinn des Wortes bis zum Hals stand und sie gegen die Donau-Fluten um ihr Hab und Gut kämpften, mussten die Bewohner des Eferdinger Beckens erfahren, dass das alles andere als die Naturgewalten waren, die da vielen zigtausende Euro kostete, Lebenspläne durcheinanderbrachten und nicht wenige seither um ihre Existenz bangen lässt. Ganz im Gegenteil. "Die Flutung des Eferdinger Beckens war Absicht“, stand auf einem Mal in dicken Lettern in allen Zeitungen.

Gesagt hat das freilich den Betroffenen niemand. Ganz zu schweigen davon, dass man sie rechtzeitig auf die mögliche Katastrophe aufmerksam gemacht hätte. Eine Institution verließ sich auf die andere, keine nahm ihre Pflichten wahr und der Hausverstand war ganz offenbar in den Fluten untergegangen. Der staatsnahe Verbund als Betreiber der Kraftwerke beruft sich auf einen Flutungsplan, das Land will nie etwas von den Informationen bekommen haben, die aus dem Kraftwerk Ottensheim kamen. Und die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden nahmen die Bescheide und Notfallspläne aus den 1960er und 1970er Jahren auf die leichte Schulter.

Man staunt, dass das möglich ist in diesem Land. Es ist nur Versagen auf allen Linien zu nennen. Und die Dimension ist eine völlig neue. Es geht dabei nicht darum, sich über Schilderwälder an Straßen, über Wartezeiten auf Ämtern, über verschwundene Bescheide, über bürokratische Verwicklungen und Abstrusitäten aufzuregen und um all das zuweilen viele andere, das Bürgerinnen und Bürger dieses Landes regelmäßig ärgert. Dort geht es um Existenzen und um Leben.

Wer jemals Verhandlungen mit Behörden erlebt hat, wer gesehen hat, wie groß die Zahl der Bedenkenträger ist, die bei der kleinsten Straße ihre Meinung zu Protokoll geben und wie viel Auflagen sie verlangen, der staunt, mit welcher Nonchalance man an der Donau eine ganzen Landstrich und hunderte Menschen untergehen ließ. Und es würde nicht wundern, wenn er am Funktionieren des hiesigen Staatswesens zweifeln würde.

Die Vorgänge im Eferdinger Becken zeigen, dass es in diesem Land noch viele Reservate gibt, in denen es sich zahllose Bürokraten kommod bis weit jenseits der Grenze zur Verantwortungslosigkeit eingerichtet haben. Viele scheinen den Blick allenfalls bis zum eigenen Tellerrand zu richten, ohne jede Verantwortung für das, was jenseits davon passieren könnte.

Sie zeigen, dass oft gar nicht zusammenpasst, was man eigentlich für zusammengehörig hält, dass nicht funktioniert, von dem man annimmt, dass es funktionieren muss. Sie zeigen, dass man sich offenbar selbst auf selbstverständlichste Selbstverständlichkeiten nicht verlassen sollte. Und dass man daran auch nicht glauben sollte.

Die Flutung des Eferdinger Beckens ohne jede Vorwarnung hat das Zeug, das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung und in letzter Konsequenz in den Staat nachhaltig zu erschüttern. Was ist noch sicher? Worauf kann man sich verlassen? Welchen Versprechungen kann man noch glauben? Und welchen Zusicherungen?

Im Eferdinger Becken ist dieses Vertrauen der Staatsbürger aufs Gröbste missbraucht worden. Das ist Auftrieb für all jene, die immer und überall und an allem ihre Zweifel haben, und die alles besser wissen und doch nur alles blockieren. Die alle an den Schalthebeln dieses Staates gerne für unfähig halten und auch für Gauner und Abzocker.

Sie bekommen in diesen Tagen reichlich Zuspruch. Und man kann ihnen kaum widersprechen. Zumal nicht nur in Österreich die politischen Führer und die Institutionen, die die staatlichen Gefüge eigentlich zusammenhalten sollten, alles tun, das Vertrauen der Menschen zu untergraben. Dass ausgerechnet Obamas Vereinigte Staaten, die nach den Bush-Jahren vielen wieder zum Hort der Freiheit und Hoffnung für die Welt wurden, nicht davor zurückscheuen, ihre Abhörwanzen selbst bei ihren besten und zuverlässigsten Freunden in Europa zu installieren, trägt auch nicht eben zur Stärkung des Vertrauens bei.

Nicht anders, wie die Flutung des Eferdinger Beckens.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Juli 2013

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