Donnerstag, 28. März 2013

Operation Wohlgefühl



Alle Hoffnungen vergebens. Sie tun es wieder. Gnadenlos, wie jüngst der Spitzenpolitiker in Anzug und Krawatte, der am Boden sitzend im Blitzlichtgewitter mit Kindern spielt. "Wir wollen nicht mehr wehtun, sondern Wohlgefühl bereiten“, steht dann am darauffolgenden Tag in der Zeitung. Und: "Wir wollen Politik für die Bürger spürbar machen - und zwar positiv, und nicht negativ wie in Zypern“ tönt es. Keiner redet davon, dass dort die Politiker wohl auch "nicht wehtun“, sondern Politik für Bürger "positiv spürbar“ machen wollten. Mit hohen Zinsen, mit viel Geld, das man nicht hatte, mit Zuckerln da und Zuckerln dort. Bis es nicht mehr ging, bis die "positiv“ gemeinte Politik ihr wahres Gesicht zeigte und ins "Negative“ kippte. Mit allen Folgen. Raubzüge auf den Sparkonten, Banksperren, Aufruhr und Existenzängste, vielleicht sogar bald in Not und Elend inklusive.

Wohlgefühl ist keine Kategorie, die in der Politik Platz hat. Da sollte es um Verlässlichkeit, um Ehrlichkeit und um Vertrauen gehen. Vom Wohlgefühl verbreiten ist es nicht weit zum Einlullen. Das hat den Geruch von falsche Hoffnungen machen, von täuschen und von etwas vorspielen. Da freilich schließt sich der Kreis. Denn von etwas vorspielen ist es nicht mehr weit zur Politik, wie wir sie in Österreich kennen.

Wir werden wohl in den kommenden Monaten wieder mit Bildern, wie dem oben geschilderten, leben müssen. Mit Politikern in Altenheimen und an Würstlständen, in Theatern und am Hochofen, in Kindergärten und in Schulen, in Discos und in Jugendclubs. Sie wollen Wohlgefühl verbreiten, vermitteln, dass sie zu den Leuten können und dass sie wissen, was Frau und Herr Österreicher wollen. Händeschütteln da, mit einem Glas Wein oder Bier anstoßen dort, Dauergrinsen - die große Operation Wohlgefühl.

Niemand kann ihr entrinnen, wir alle werden viel aushalten müssen. Dabei möchte man ganz etwas anderes. Politik eben. Probleme lösen, Wege finden, Entscheidungen treffen. Statt dessen verspricht und verschiebt man, treibt sich gegenseitig im Kreis und schiebt vor sich her, was nicht ins Wohlfühlkonzept passt. Die Reform der Pflege ist so etwas, die Neuordnung der Familienbeihilfe-Leistungen oder das Lehrerdienstrecht. Die großen Reformen greift man allenfalls zögerlich an. Die Frage, wie es mit den Pensionen weitergehen soll, ist derzeit kein Thema, auch nicht die Reform der Verwaltung. Und bei der Ordnung der Finanzen meint man wohl auch mit den Reparaturen im vergangenen Herbst fürs Erste genug getan zu haben.

Dafür ist keine Zeit und das taugt nicht als Strategie. Es geht ja ums Wohlgefühl. Und das wird, zumal vor Wahlen, interpretiert als niemanden wehtun.

Dabei denken die Menschen draußen längst ganz anders. Sie wollen Lösungen, sie wollen Antworten auf die immer drängenderen Fragen der Zukunft, sie wollen jemandem vertrauen, sie wollen wissen, wo es hingeht. Ob es nur mehr bergab geht, wie angesichts der täglichen Berichte aus der Weltpolitik respektive der europäischen Politik zu hören ist, oder ob es vielleicht doch auch anders kommen kann. Ob es Alternativen gibt und Möglichkeiten dem Desaster auszuweichen. Orientierung wird verlangt in diesem Umfeld, Handlungsfähigkeit, Ent-und Geschlossenheit. Wohlgefühl nicht. Da müsste man, das weiß man am Wirtshaustisch in Grammatneusiedl genauso wie an dem in Saalfelden oder an dem im Kärntner Rosental, die Augen zumachen und den Kopf in den Sand stecken.

Wohlgefühl will man daheim auf der Couch vorm Fernseher haben, beim Ausflug mit der Familie, bei der Urlaubsreise. Wohlgefühl kann nur die Folge von Politik sein, von guter Politik. Wohlgefühl erreichen kann die Politik nur mit Taten. Mit Entscheidungen, mit Weichenstellungen, mit Ideen und mit Durchsetzungskraft. "Nicht mehr wehtun“ ist da die falsche Ansage. Zumal in Österreich. Da hat man in vielen Bereichen schon viel zu lange nicht weh getan.

Genau deshalb sind die Probleme in nicht wenigen Bereichen mittlerweile so schwer zu lösen. Von der Bildung über die Pensionen, das Gesundheitswesen bis hin zum Budget. Das sind die sündteuren Folgen der Wohlgefühlpolitik, die hierzulande längst niemanden mehr Wohlgefühl bereitet, sondern jede Menge große Sorgen - dass die Politik auch hierzulande bald so negativ spürbar wird wie auf Zypern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. März 2013

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