Donnerstag, 28. März 2013

Operation Wohlgefühl



Alle Hoffnungen vergebens. Sie tun es wieder. Gnadenlos, wie jüngst der Spitzenpolitiker in Anzug und Krawatte, der am Boden sitzend im Blitzlichtgewitter mit Kindern spielt. "Wir wollen nicht mehr wehtun, sondern Wohlgefühl bereiten“, steht dann am darauffolgenden Tag in der Zeitung. Und: "Wir wollen Politik für die Bürger spürbar machen - und zwar positiv, und nicht negativ wie in Zypern“ tönt es. Keiner redet davon, dass dort die Politiker wohl auch "nicht wehtun“, sondern Politik für Bürger "positiv spürbar“ machen wollten. Mit hohen Zinsen, mit viel Geld, das man nicht hatte, mit Zuckerln da und Zuckerln dort. Bis es nicht mehr ging, bis die "positiv“ gemeinte Politik ihr wahres Gesicht zeigte und ins "Negative“ kippte. Mit allen Folgen. Raubzüge auf den Sparkonten, Banksperren, Aufruhr und Existenzängste, vielleicht sogar bald in Not und Elend inklusive.

Wohlgefühl ist keine Kategorie, die in der Politik Platz hat. Da sollte es um Verlässlichkeit, um Ehrlichkeit und um Vertrauen gehen. Vom Wohlgefühl verbreiten ist es nicht weit zum Einlullen. Das hat den Geruch von falsche Hoffnungen machen, von täuschen und von etwas vorspielen. Da freilich schließt sich der Kreis. Denn von etwas vorspielen ist es nicht mehr weit zur Politik, wie wir sie in Österreich kennen.

Wir werden wohl in den kommenden Monaten wieder mit Bildern, wie dem oben geschilderten, leben müssen. Mit Politikern in Altenheimen und an Würstlständen, in Theatern und am Hochofen, in Kindergärten und in Schulen, in Discos und in Jugendclubs. Sie wollen Wohlgefühl verbreiten, vermitteln, dass sie zu den Leuten können und dass sie wissen, was Frau und Herr Österreicher wollen. Händeschütteln da, mit einem Glas Wein oder Bier anstoßen dort, Dauergrinsen - die große Operation Wohlgefühl.

Niemand kann ihr entrinnen, wir alle werden viel aushalten müssen. Dabei möchte man ganz etwas anderes. Politik eben. Probleme lösen, Wege finden, Entscheidungen treffen. Statt dessen verspricht und verschiebt man, treibt sich gegenseitig im Kreis und schiebt vor sich her, was nicht ins Wohlfühlkonzept passt. Die Reform der Pflege ist so etwas, die Neuordnung der Familienbeihilfe-Leistungen oder das Lehrerdienstrecht. Die großen Reformen greift man allenfalls zögerlich an. Die Frage, wie es mit den Pensionen weitergehen soll, ist derzeit kein Thema, auch nicht die Reform der Verwaltung. Und bei der Ordnung der Finanzen meint man wohl auch mit den Reparaturen im vergangenen Herbst fürs Erste genug getan zu haben.

Dafür ist keine Zeit und das taugt nicht als Strategie. Es geht ja ums Wohlgefühl. Und das wird, zumal vor Wahlen, interpretiert als niemanden wehtun.

Dabei denken die Menschen draußen längst ganz anders. Sie wollen Lösungen, sie wollen Antworten auf die immer drängenderen Fragen der Zukunft, sie wollen jemandem vertrauen, sie wollen wissen, wo es hingeht. Ob es nur mehr bergab geht, wie angesichts der täglichen Berichte aus der Weltpolitik respektive der europäischen Politik zu hören ist, oder ob es vielleicht doch auch anders kommen kann. Ob es Alternativen gibt und Möglichkeiten dem Desaster auszuweichen. Orientierung wird verlangt in diesem Umfeld, Handlungsfähigkeit, Ent-und Geschlossenheit. Wohlgefühl nicht. Da müsste man, das weiß man am Wirtshaustisch in Grammatneusiedl genauso wie an dem in Saalfelden oder an dem im Kärntner Rosental, die Augen zumachen und den Kopf in den Sand stecken.

Wohlgefühl will man daheim auf der Couch vorm Fernseher haben, beim Ausflug mit der Familie, bei der Urlaubsreise. Wohlgefühl kann nur die Folge von Politik sein, von guter Politik. Wohlgefühl erreichen kann die Politik nur mit Taten. Mit Entscheidungen, mit Weichenstellungen, mit Ideen und mit Durchsetzungskraft. "Nicht mehr wehtun“ ist da die falsche Ansage. Zumal in Österreich. Da hat man in vielen Bereichen schon viel zu lange nicht weh getan.

Genau deshalb sind die Probleme in nicht wenigen Bereichen mittlerweile so schwer zu lösen. Von der Bildung über die Pensionen, das Gesundheitswesen bis hin zum Budget. Das sind die sündteuren Folgen der Wohlgefühlpolitik, die hierzulande längst niemanden mehr Wohlgefühl bereitet, sondern jede Menge große Sorgen - dass die Politik auch hierzulande bald so negativ spürbar wird wie auf Zypern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. März 2013

Donnerstag, 21. März 2013

Kalt-warm für Österreichs Bauern




Der Vertrag von Lissabon stärkte das Europaparlament und brachte in der EU neue Spielregeln. Bei der Agrarreform bekommt die Landwirtschaft zu spüren, dass die Dinge nun anders laufen als gewohnt.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Kalt-Warm gibt es für die österreichische Landwirtschaft in der Schlussphase der Verhandlungen zur EU-Agrarreform. Freute man sich zu Jahresbeginn, weil sich der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments auf Positionen einigte, die weitestgehend den österreichischen Vorstellungen entsprachen, so schienen in der Vorwoche mit einem Mal die Felle davonzuschwimmen. Das Plenum des EU-Parlaments hielt sich nämlich entgegen allen Erwartungen nicht an die im Ausschuss von allen Fraktionen gemeinsam beschlossenen Positionen. Im Verein mit den Grünen scherten die Sozialdemokraten aus und lehnten ab, Biolandwirtschaft und andere Umweltprogramme automatisch für das sogenannte Greening anzuerkennen, das eine Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft bringen soll. Zudem hielt man, auch das entgegen den Ausschussbeschlüssen, an der von Kommissar Ciolos vorgeschlagenen Nutzung von sieben Prozent der Agrarflächen als Ökoflächen fest.

Die Empörung bei den heimischen Agrariern war groß. Eine Woche später spürt man nun wieder Oberluft. Man freut sich darüber, dass in der Nacht auf Mittwoch die EU-Landwirtschaftsminister zu einer Linie fanden, die den österreichischen Vorstellungen entspricht. Die gemeinsame Position der Minister sieht vor, Biolandwirtschaft und Umweltprogramme sehr wohl für das Greening anzuerkennen. Die Ökoflächen sollen auf fünf Prozent beschränkt werden und für den Anbau eiweißhaltiger Pflanzen wie Soja genutzt werden dürfen. Gefallen findet auch, dass für die Angleichung der Hektarprämien sechs Jahre Zeit ist und dass das Quotensystem bei Zucker zumindest bis 2017 verlängert werden soll. Keine Kürzungen wollen die Minister auch bei den Förderungen für Bergbauern. Bis 2019 gesichert sind auch die Extragelder für die Bauern in Übergangsgebieten, den sogenannten benachteiligten Gebieten.

„Das ist ein wichtiger Etappensieg“, sagen die Agrarpolitiker von Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich abwärts. Aus den Erfahrungen der vergangenen Wochen gewitzt, sind die Töne diesmal leiser. Man hat erkannt, dass die Dinge nicht mehr so laufen wie gewohnt. Das EU-Parlament, das heuer erstmals bei der Gestaltung der Agrarreform mit am Tisch sitzt, erweist sich als harter Brocken. Was dort die Agrarspezialisten aller Parteien beschließen, gilt im Plenum dann später offensichtlich wenig.

Damit ist klar, dass die Agrarreform noch lang nicht gegessen ist. Was in der Nacht auf Mittwoch beschlossen wurde, ist nichts anderes als die gemeinsame Position der EU-Agrarminister. Und die sind nicht mehr als eine von drei Parteien, die sich nun – als aktuelles Ziel wird Juni genannt – im sogenannten Trilog mit Parlament und Kommission auf eine Reform einigen müssen. Dass das noch spannend werden könnte, zeigen Reaktionen von Nicht-Agrariern im Parlament. Die geißeln die mögliche Anrechnung von Umweltprogrammen im Greening als „Doppelförderung“ und zeigen sich über die Reduzierung der Ökoflächen verärgert. Beide Themen werden wohl zu den Knackpunkten in den Verhandlungen.

Salzburger Nachrichten - 21. März 2013

Europas Fall



Der neue Papst kommt aus Südamerika. Erstmals. Und viele sagen Gott sei Dank. Dort lebt die katholische Kirche, dort ist sie stark verankert, dort will man längst gehört und beachtet werden. Für die Weltkirche ist das, so hoffen viele, ein Quantensprung.

Damit wird nun auch im kirchlichen Kosmos nachvollzogen, was sich in der säkularen Welt längst vollzieht. Der alte Kontinent verliert rasant an Gewicht, an Bedeutung und an Einfluss. Die Welt wendet sich von Europa ab. Die Zentren der politischen und der wirtschaftlichen Macht verschieben sich. Einstige Dritte-Welt-Staaten wuchsen in den vergangenen Jahrzehnten zu innovativen Industriestaaten heran. Brasilien gehört zu den großen Wirtschaftmächten. Wie längst auch Indien und China, in denen fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Südostasien beliefert die Welt mit Autos, Computern und Handys. Der arabische Raum ist abseits der Krisenregionen eine wichtige Drehscheibe geworden. Und Afrika auch. Auf dem internationalen Parkett in Politik und Wirtschaft treten Länder und Regionen wie diese mit einem völlig neuen Selbstbewusstsein auf.

In Europa aber ist man in und mit sich selbst gefangen, paralysiert regelrecht. Ohne Energie, ohne gemeinsame politische Führung ist man nahezu ausschließlich mit eigenen Problemen beschäftigt, die jede Kraft nehmen, auf die weltweiten großen Veränderungen zu reagieren. Der Euro, die Arbeitslosigkeit, die hohen Kosten, die viele Bürokratie, die vielen Auflagen und Einschränkungen - Europa stranguliert sich selbst, während die Welt voller Aufgaben und Herausforderungen ist, die Chancen über Chancen bietet.

Europa aber, bis über die Ohren mit sich selbst beschäftigt, ist unfähig diese zu erkennen und - das vor allem - zu nutzen. Würde es das, hätte es viel weniger Probleme. Stattdessen steckt man alle Energie darein, das in der Vergangenheit Angehäufte zu retten und zu verteidigen.

Europas Unvermögen mit den internationalen neuen Strömungen zurechtzukommen kulminiert in der Ausformung der Europäischen Union. Statt alles daran zu setzen, ihr eine durchgängige und leistungsstarke Struktur zu verpassen, tun die Staaten alles, um genau das zu verhindern. Wohl mit dem Hintergedanken, die eigenen Interessen nicht einschränken zu lassen, oder aus dem schlichten Misstrauen denen gegenüber, die eigentlich Partner sein sollten.

Großbritannien macht es vor und viele andere machen es nach. Der ungarische Ministerpräsident Orbán und seine jüngsten Aktionen sind ein Beispiel dafür. Seine Kollegen in Rumänien auch und auch die in Bulgarien. Politik, wie sie dort betrieben wird, nimmt den Menschen und den Unternehmen jedes Vertrauen und jeden Schwung.

Die EU und ihre Führung aber ist zu schwach das zu ändern. Ganz im Gegenteil. Solche Methoden scheinen als Vorbild für Rettungspakete Gefallen zu finden, wie sie dieser Tage für Zypern geschnürt wurden. Was in Ungarn die Rückforderung der Grundstücke, ist dort der Zugriff auf die Sparkonten. Beides ist unerhört und treibt die EU nur in eine noch größere Vertrauenskrise.

Europa ist dabei sich zu demontieren. Man ist satt, unwillig und egoistisch. Verwöhnt über Jahrzehnte hat man den Blick für die Zusammenhänge und das Verständnis fürs Notwendige verloren. In den Führungsetagen der Politik genauso, wie an den Fließbändern in der Fabrik, auf den Äckern, in den Schulen, schier überall. Man will nur hören, was man hören will, man glaubt auf das einen Anspruch zu haben, was man hat und man ist bereit, denen zu folgen, die einem nach dem Mund reden.

In Europa ist niemand hungrig danach Neues zu schaffen und Chancen zu nützen. Hier werden keine Wege frei gemacht, damit etwas erreicht werden kann. Hier legt man viel lieber allen Steine in die Wege, die etwas erreichen wollen, baut lieber bürokratische Labyrinthe auf, als dass man jemanden unterstützt in seinen Bemühungen. In den Staaten und Weltregionen, die dabei sind, das Heft an sich zu ziehen, ist das anders. Dort wollen die Menschen etwas vom Leben. Dort sind sie auch bereit, viel auf sich zu nehmen. Dort zieht man an einem Strang, dort gibt es große Ideen, die Orientierung geben.

Das alles ist in Europa verloren gegangen. Hier nörgelt man, hier bremst man, hier klammert man. Hier steckt man den Kopf in den Sand. Viele Menschen in Griechenland, in Spanien, in Italien oder neudrings in Zypern müssen gerade schmerzhaft am eigenen Leib erfahren, dass das nicht die Strategie ist, mit der Europa Zukunft hat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. März 2013

Donnerstag, 14. März 2013

Ewig gestern



In Niederösterreich hat Barbara Rosenkranz H.C.Strache mit seiner Forderung zurückzutreten auflaufen lassen, in Kärnten bekommt der blaue Parteiführer die Lage nach dem Wahldesaster nicht in den Griff. Der einstige Strahlemann wirkt mit einem Mal entzaubert. Seine Durchsetzungskraft steht in Zweifel und damit auch seine politische Lösungskompetenz. Häme ergießt sich allerorten über ihn und seine Getreuen, das "Ende der Rechten“ sehen manche in ihrem Überschwang sogar gekommen.

Sie sollten sich nicht arglos selbst täuschen. Denn da ist wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Viel eher sollte man sich mit der Frage beschäftigen, ob Straches Desaster nicht ein Zeichen der Stärke der Rechten und Ewiggestrigen ist, und ob nicht das stramm rechte Establishment der FPÖ ihrem populistischen Anführer gezeigt haben, wer die Herren im Haus sind.

Schließlich wissen sie sich nicht alleine. Dass das Gedankengut dieser Damen- und Herrschaften in Österreich nach wie vor tief verwurzelt ist, bestätigte erst eine jüngst veröffentlichte market-Umfrage für den Standard. Auch wenn diese als umstritten gilt, zeigt sie doch deutlich, dass der Boden am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums in Österreich nach wie vor sehr fruchtbar ist. Man hat hierzulande ein Faible für "starke Führer“, die sich "nicht um ein Parlament und nicht um Wahlen kümmern“ müssen und hält immer noch an "guten Aspekten“ der Hitler-Zeit fest. Die Österreicher wissen offenbar um ihre Anfälligkeit für Gestriges. Einer Partei mit nationalsozialistischen Inhalten trauen sie, wäre sie denn zugelassen, durchaus Erfolge bei Wahlen zu.

Das ist erschütternd und wenig ermutigend. Und es ist ein Zeichen für das Scheitern der Politik und all derer, die sich zuweilen sehr selbstherrlich und rechthaberisch als Speerspitzen der Aufklärung gerieren. Es ist ihnen bisher nicht gelungen geeignete Mittel zu finden, die Vergangenheit zu überwinden und damit den braunen Bodensatz in der österreichischen Gesellschaft trocken zu legen. Man hat es allen gut meinenden Bemühungen zum Trotz nicht geschafft die Menschen so zu erreichen, dass es mit dem Spuk ein für alle Mal vorbei ist.

Wenn schon nicht die Ideologie als Ganzes, so sind doch viele Versatzstücke des Gedankengutes und die Sehnsucht nach Strukturen von seinerzeit immer noch in allen Gesellschaftsschichten Österreich tief verankert. Nicht nur vom äußersten rechten Rand kann man kernige Sprüche hören, auch von tief aus der roten und schwarzen Mitte.

Allein darum sollte sich niemand über ein Ende der Rechten freuen. Der Boden ist immer noch fruchtbar. Nicht nur in Kärnten, wo die FPK im Landtag allen Verlusten zum Trotz immer noch um ein Mandat mehr hat als die ÖVP. Darum ist für Triumphgeheul ist kein Anlass. Die Leute mögen verschwinden, das Potenzial bleibt.

Wem es gelingt dieses Potenzial zum Schwingen zu bringen, der oder die kann in kurzer Zeit zu einem wichtigen politischen Faktor in Österreich werden. Die Unzufriedenheit mit den regierenden Partien und die Anfälligkeit der Österreicherinnen und Österreicher für Populismus macht es ihnen nicht allzu schwer. Jörg Haider zeigte das, H.C. Strache auch. Während dieser schwächelt, ist nun Frank Stronach dabei, den Beweis dafür anzutreten, dass damit in Österreich immer noch Staat zu machen ist.

Mit einer astreinen Führer-Partei ohne viel demokratische Strukturen mischt er derzeit die heimische Innenpolitik auf. Dem Team Stronach sind demokratische Strukturen fremd, Parteigänger haben dort nichts zu sagen, getan werden muss, was der Chef anschafft. Und die Leute folgen ihm wie Jünger einem Guru. Dabei ist, was von dort zu vernehmen ist, oft beklemmend. "Er ist bei uns mit seiner ganzen Kraft“, tröstete man sich, als der Meister am Abend der Niederösterreich-Wahl nicht zur Party erschien. Es klang eindeutig so, dass nicht schlicht "er“, sondern demutsvoll "ER“ gemeint war. Dazu passt, wenn eine Nachwuchspolitikerin mit den Worten zitiert wird, sie habe "gerade mit Kanada telefoniert und die Anweisung bekommen“, sich aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

Der Führer spricht und alle folgen. Als einen "Obmann, der machen kann, was er für richtig hält und was er will“ preist Stronachs österreichischer Statthalter seinen Chef. Er hält das für "unsere Stärke“ und bestätigt damit alle Befürchtungen und Warnungen vor den und dem Ewiggestrigen - und davor, dass das Ende der Rechten keineswegs da ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. März 2013

Donnerstag, 7. März 2013

Gefangen im Selbstzweck




Die ersten Wahlen dieses Jahres sind geschlagen. Die Wahlkämpfe waren allen Versprechungen zum Trotz doch reichlich üppig. Keine Rede vom Sparen. In Kärnten noch eher als in Niederösterreich. Dort schon gar nicht. Über die Kosten des Pröll-Wahlkampfes ließ die Volkspartei nie auch nur einen Mucks aus. Auch die Sozialdemokraten hielten sich bedeckt. Und auch die anderen Parteien trugen nicht viel zu mehr jener Transparenz bei unter deren Deckmantel sie sich vom Vorjahr eine kräftige Erhöhung der Parteienförderung genehmigten.

195,3 MillionenEuro überweist Finanzministerin Fekter heuer den Parteien als Spielgeld. 25 Millionen mehr als im Vorjahr. 30,8 Euro pro Stimmbürger. Der bekommt dafür reichlich Post ins Haus und Plakate aufs Auge gedrückt. Und vielleicht gibt's ja ab und an einmal ein Feuerzeug und einen Kugelschreiber.

195,3 Millionen Euro sind eine schöne Stange Geld dafür, dass man sich Jahraus jahrein nerven lassen muss von Haxelbeissereien und einem allzu oft nichts als hohle Phrasen in die Ohren geblasen werden. Gar nichts zu reden von den zuweilen fragwürdigen Leistungen, die dafür im eigentlichen Feld der Parteien, der Politik, mithin der Führung dieses Landes, geboten werden.

Das "ein bisserl sehr viel für ein bisserl sehr wenig" zu nennen, ist wohl nicht zu viel.

Österreich steht international selten an der Spitze, bei der Parteienförderung tun wir es. Die Aufwendungen liegen um 30 bis 40 Prozent höher als in größenmäßig vergleichbaren Ländern Skandinaviens. Und, bei den Nationalratswahlen, anteilsmäßig doppelt so hoch wie bei den deutschen Bundestagswahlen.

In Österreich haben die politischen Parteien und ihre Strukturen eine Bedeutung, wie kaum anderswo. Ihr Wirken reicht immer noch weit in Gesellschaftsbereiche hinein, in denen sie eigentlich nichts verloren haben. Dass sie auch immer öfter unerwünscht sind, stört sie kaum. Die Frage nach dem Parteibuch ist bei der Besetzung von Posten und bei Vorstellungsgesprächen immer noch weit verbreitet. Bei der Zuteilung von Fördergeldern macht sich der Besitz des richtigen Parteibuchs immer noch viel zu oft als Vorteil bezahlt. Im wahrsten Sinn des Worte. Und bei der Vergabe von Heimplätzen ist es oft nicht anders. Die Liste ist endlos. Immer noch, und obwohl die hiesige Parteibuchwirtschaft seit Jahrzehnten von Kritikern gegeißelt und von immer mehr Menschen abgelehnt wird. 

Warum ist das bloß so in diesem Land? Warum kann man kaum eine Veranstaltung besuchen, in der nicht Politiker in den vordersten Reihen sitzen und sich bei nächster Gelegenheit händeschüttelnd durch die Menge drängen? Warum kann man keine Zeitung aufschlagen ohne von PR-Berichten erschlagen zu werden? Und warum müssen sie im Fernsehen, zumal im Landesstudi- und Lokalfernsehen, zu allem und jedem ins Bild gerückt werden und ihre Stellungnahmen abgeben? Zum neuen Kindergarten. Zur Theaterpremiere, zum frisch gestrichenen Zebrastreifen, zum Schulende, zum Schulanfang und zur Farbe des Schnees im Winter.

Weniger wäre viel mehr. Aber das ist ein frommer Wunsch. Denn längst sind Österreichs Parteien der Gefahr erlegen zum Selbstzweck zu werden. Genau das nämlich sind sie über weite Strecken. Man leistet sich mitunter einen ungeheuer aufgeblähten Apparat mit teuren Zentralen und mit Niederlassungen in allen Bezirken. Tausende Menschen stehen nicht nur in Wien sondern vor allem in den Bundesländern im Sold der Parteien. Ebenso viele leben von ihren Aufträgen. Längst nicht nur die Zeitungen, die Inserate drucken, auch Legionen von Grafikern und Beratern, von Druckereien, von Videostudios bis hin zu den Menschen, die sich immer neue Gimmicks einfallen lassen, die den Wählern gefallen sollen. Von Feuerzeugen bis zu Pudelhauben und Apps, die aus jedermann und jederfrau einen Landeshauptmann machen.

Alle leben gut davon . Und niemand hat Interesse daran, das zu ändern. Schon gar nicht daran, dass man sich aufs Kerngeschäft konzentriert. Und das wäre immer noch die Politik - die Übung, ein Umfeld zu schaffen, dass möglichst alle Menschen in diesem Land möglichst gut leben können. Würden die Partien das tun, wären Fekters Millionen gut angelegt. So aber ist wohl eher zu vermuten, dass sich vor allem die Feuerzeughersteller und App-Entwickler und all die anderen profitieren werden, die uns als Politik verklickern wollen, was doch nichts anderes ist als Sand in die Augen zu streuen.

 Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. März 2012

Samstag, 2. März 2013

Handel beginnt umzudenken




Preisschlachten drücken auf die Qualität, Molkereien bangen um den Rohstoff

HANS GMEINER Salzburg (SN). Angesichts der immer neuen Lebensmittelskandale macht sich auch im heimischen Lebensmittelhandel ein neues Denken breit. Bei einer Tagung des Fachmagazins „Regal“ ließ Erich Schönleitner, Geschäftsführer der Pfeiffer-Gruppe, nach der Zielpunkt-Übernahme, die Nummer vier im Lebensmittelhandel, aufhorchen. „Wir verkaufen alle Molkereiprodukte unter ihrem Wert“, scheute er keine offenen Worte. Angesichts der ständigen Preisschlachten forderte er seine Kollegen von der Konkurrenz auf, bei allen Lebensmitteln dem Wert und der Wertschöpfung bei der Gestaltung der Preise größeres Augenmerk zu schenken. „Solange die Preise niedriger sind als die Wertschöpfung, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Qualität nicht passt“, sagte er. „Irgendwo muss das Defizit ja ausgeglichen werden.“ Sein Schluss daraus: „Wenn wir alle oberhalb der Wertgrenze arbeiten, gibt es all die Diskussionen wie jetzt ums Pferdefleisch, um die Eier und um die Etikettierung nicht.“

Schönleitner betonte: „Jeder braucht Ertrag und jeder hat Kosten. Das sollte man untereinander kommunizieren.“ Dagegen stünden aber „viele populistische Rechtsströmungen“. Aus seiner Sicht ist das Kartellrecht überzogen. „Wo ist die Anti-Dumping-Seite?“, fragte der Linzer Handelsmanager. „Wenn das austariert wäre, würde die Wertschöpfungskette eine bessere sein.“

Auch Alfred Propst von Rewe übte Selbstkritik. „Wir tun so, als ob wir österreichische Produkte nur deshalb verkaufen würden, um der österreichischen Landwirtschaft und den Molkereien zu helfen“, sagte er. „Das stimmt ja alles gar nicht, die Konsumenten wollen das.“

Spar-Chef Gerhard Drexel hält am Bild vom der Landwirtschaft wohlgesinnten Handel fest. „Wir könnten vieles aus dem Ausland viel billiger beziehen“, sagte er. „Wir sind da, um die heimische Landwirtschaft zu forcieren, die Bauern und die Molkereibetriebe.“ Er verstehe das Verhandeln mit den Molkereien – bei dem Spar besonders gefürchtet ist – als „Pingpongspielen“.

In diesem Spiel sehen sich Molkereien und Bauern derzeit freilich im Hintertreffen und fordern eindringlich Verständnis für ihre Situation. „Wenn wir den Rohstoff verlieren, ist es um die Regionalität und die beliebte heimische Qualität bald geschehen“, sagte Alpenmilch-Salzburg-Chef Christian Leeb. Weil in Deutschland mehr gezahlt wird, sehen sich die Molkereien erstmals seit Jahren mit dem Thema Abwanderung der Lieferanten konfrontiert. Die Liefergemeinschaft Alpenland aus dem Innviertel akquiriert kräftig für deutsche Molkereien und will in den nächsten Monaten das Liefervolumen von 70 Millionen Kilogramm auf mehr als 100 Millionen Kilogramm erhöhen.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft, 1. März 2013

Freitag, 1. März 2013

Am Ende haben immer die Bauern das Bummerl





Wenn das Fleisch von ausgemusterten rumänischen Gäulen nach Holland exportiert wird und dann von dort nach Spanien gelangt, um schlussendlich als "Rindfleisch" einer deutschen Lasagne die Füllung zu geben, darf man sicher sein, dass die österreichische Landwirtschaft am Schluss das Bummerl hat. So wie bei allen Lebensmittelskandalen, die sich in fernen Landen abspielten und rein gar nichts mit der hiesigen Landwirtschaft zu tun hatten, war es auch diesmal. Übrig bleiben die Bauern, die sich für ihre Art, die Tiere zu halten, allerorten rechtfertigen und davor zittern müssen, dass bald noch mehr Kontrolleure in ihren Ställen und auf ihren Feldern herumschnüffeln. Und weil ein kleiner Kärntner Fleischhauer den Hals nicht voll genug kriegen konnte, steht auch gleich das mühsam aufgebaute Image als Feinkostladen Europas dem Spiel. Wie immer haben auch diesmal die für den Skandal Verantwortlichen besonders geschickt gehandelt. Während Bauern und Bauernvertreter an keinem Mikrofon vorbeigingen und damit vor lauter Reden oft auch die Diskussion über die Verantwortung auf sich zogen, haben sich die wahren Täter ganz ruhig verhalten. Von der Fleischindustrie war kein Mucks zu hören. Und schon gar nicht von den Fleischhändlern, die ihre Ware nicht nur in Europa mit mitunter fragwürdigen Methoden und fragwürdigen Standards handeln, sondern rund um den Globus. Nicht wenige haben österreichische, zumal Wiener Adressen. Sie schauten von dort aus vermutlich sehr amüsiert dem Treiben zu.

Und der Lebensmittelhandel tat ohnehin, was er immer in solchen Fällen tut. Auf Diskussionen über einen möglichen Zusammenhang zwischen Preisdruck und Falschdeklaration lässt man sich gleich gar nicht ein, sondern erklärt es für einmalige Ausrutscher, wenn Pferdefleisch in der Lasagne, EHEC-Bakterien in Gemüse oder umetikettierte Bio-Eier auftauchen. Flugs entfernt man die verdächtige Ware aus den Regalen und lobt sich in Presseaussendungen dafür, rasch und im Sinne der Konsumenten gehandelt zu haben.

Und der Herr Gesundheitsminister, bei dem in Österreich die Verantwortung für die Lebensmittelkontrolle liegt, schafft es, alle Diskussionen ganz weit von sich zu schieben, indem er eine Gütesiegeldiskussion vom Zaun bricht, die vom Landwirtschaftsminister abwärts die Agrarier schlecht aussehen lässt. Dabei wäre es Stöger, der am Pranger stehen müsste. Denn dass ein Gütesiegel gegen kriminelle Machenschaften hilft, wird wohl niemand behaupten. Das zeigt allein, dass auch Stögers Mannen das Rossfleisch in den Kärntner Hauswürsteln erst entdeckten, als sie gezielt danach suchten.

Aber so ist es wohl in Österreich. Man diskutiert so gerne an den eigentlichen Problem vorbei, solange es nur darum geht, dem politischen Kontrahenten eines auszuwischen. Bei Lebensmitteln geht es um wirksame Kontrolle. Und die ist ganz offensichtlich nicht gewährleistet. Sie setzt sehr oft an falschen Stellen an und weist riesige weiße Flecken auf. Ob da jetzt die Deklarationspflicht verschärft oder irgendein Gütesiegel eingeführt wird, ist sekundär. Wer betrügen will, findet immer einen Weg, solange er sich sicher sein kann, dass seine Produkte kaum kontrolliert werden. Erst in zweiter Linie geht es um Gütesiegel. Da freilich muss die Bauernvertretung wesentlich konsequenter gegen die Gütesiegel-Shows des Handels und anderer Organisationen auftreten. Immer nur das AMA-Gütesiegel lobend hervorzuheben ist zu wenig. Denn dann werden die Bauern auch in Zukunft immer das Bummerl haben.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 1. März 2013
 
UA-12584698-1